Private Initiativen machen Hoffnung

Häuser am Fluss Chao Praya (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

“Schaut mal, da reißen sie die alten Häuser ab!”, ruft die Frau neben mir, “gerade die machen Bangkoks Atmosphäre doch aus! Wir fahren mit dem Expressboot über den Chao Praya, den Fluss der Könige, zur Anlegestelle Tha Tien, um mal wieder den Wat Pho zu besuchen, den Tempel des liegenden Buddhas. Und ja, am Ufer werden ein paar alte Häuser abgerissen. Sie können kaum noch auf den eigenen Stelzen stehen, das rachitische Krächzen eines Bulldozers genügt, um die marode Konstruktion in ein Splitter-Puzzle zu verwandeln. Aus Sicht der Touristin jedoch verdienen diese Unterkünfte das Prädikat “Besonders wertvoll”. Weil sie authentisch sind, das ist wichtig heute.

Wir hängen an dem, was wir mögen. Wie so viele TouristInnen aus Europa oder den USA, so will auch meine Nachbarin ihre romantische Perspektive bestätigt sehen. Den Charme des alten Bangkok vorfinden, das Zurückgebliebene, Exotische. Die Moderne, mit ihren genormten Zweckbauten und dem Zwang, jeden Hauch von Schönheit der Effizienz zu opfern, kennt die Dame von daheim.

Auch das Gebäude der East Asiatic Company, erbaut 1900, gut erhalten, steht am östlichen Ufer des Chao Praya. Es wird oft als Location für Filmaufnahmen genutzt. Für die Öffentlichkeit bleibt es geschlossen (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

In meinen 16 Jahren in Thailand habe ich gelernt, vor jedem Urteil erst einmal durch die Augen der Einheimischen zu schauen. Und mal ehrlich: Wer von uns würde gerne in einer dieser authentischen Bruchbuden wohnen? Wer wünscht sich wirklich die Zeit zurück, als die Gummistiefel noch aus Holz waren? Können Bangkoks Garküchen nicht vielleicht doch in zugewiesenen Reservaten florieren und nicht nur auf engen Bürgersteigen? Müssen die Bangkokians für uns Ausländer Atmosphäre spielen? Oder geht es vielleicht doch um bessere Lebensverhältnisse für die Bewohner, um Würde letzlich?

Kein Chinese, keine Kambodschanerin, kein Indonesier auf Stippvisite in Thailands Hauptstadt käme auf die Idee, den Abbruch windschiefer Hütten zu beklagen. Alt gilt vielen Asiaten, gerade auch Politikern und Unternehmern, als rückständig, überholt, peinlich manchmal. Sie schauen nach vorn, wollen auf der Höhe der Zeit sein. Wenn sie am Westen etwas bewundern, dann Wirtschaftskraft und materiellen Wohlstand.

Bangkok von oben (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Das alte Bangkok verschwindet Stück für Stück. Für den Fortschritt werden die Kanten und Ecken der Stadt geschliffen, auch die beliebten und belebten. Manch traditioneller Markt wurde umgesiedelt oder aufgelöst, manch altes Viertel wich der gnadenlosen Logik des Immobilienmarktes. Auch weil lokale Politiker Einwände mit dem Totschlag-Argument erledigten, die Stadt werde dadurch optisch aufgewertet. Dafür kostet der Papaya-Salat am neuen Standort dann 150 Baht statt 50 wie bisher.

Wo einst Reis gepflanzt wurde, steht nun ein Wolkenkratzer

Oben: das alte Siam Interconti Hotel; unten: der Eingang zum Siam Paragon.

Mit dem BTS-Skytrain startete 1999 ein Bauboom, dessen Flagschiff 2003 das Einkaufszentrum Siam Paragon wurde. Dafür musste das Hotel Siam Intercontinental weichen, ein weltweit bekanntes Juwel der Hotelarchitektur. Das alte Bangkok kämpft seither ums Überleben. Auch das Old Custom`s House (Titelbild) moderte am Ufer des Chao Praya lange vor sich hin. Manchmal haben die alten Bauten ihre Zukunft hinter sich, manchmal geht die Politik mit dem Vermächtnis schludrig um. Wenn Abrissbirne und Schaufelbagger Gewinn versprechen, werden alte Schätzchen humorlos plattgewalzt. Um Platz zu machen für ein weiteres Hotel, ein noch höheres Apartmenthaus, das nächste tolle Einkaufszentrum.

Politiker und Architekten werden zu Komplizen des Kapitals, wenn vermögende Investoren aus dem In- und Ausland die Richtung angeben, denen man Leidenschaft für Ästhetik selten unterstellen darf. Es fehlt der Wille, im Dialog mit der einheimischen Kultur Antworten darauf zu finden, welche soziale Funktion die neuen Gebäude erfüllen könnten.

Seit dem Ende der Covid-Phase tanzen die Baukräne wieder. Mit dem kontinuierlichen Ausbau der Skytrain-Verbindungen verlagern sich viele Neubauten an die Peripherie. Wo einst Reis gepflanzt wurde, stehen nun Wolkenkratzer. Wen stört es schon, dass Thailands Hauptstadt weiterhin sinkt, um 1,2 Zentimeter jedes Jahr?

Am Chao Praya 2008 und 2020. Jeweils im Hintergrund: Das Hilton Millennial Hotel (Fotos: Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Bangkok ändert sich rasant

Seit meiner Ankunft 2008 hat sich Bangkok deutlich verändert, das gilt auch für andere Metropolen. Aber kaum eine veränderte sich so rasant. Eine Weltstadt heute, Schmelztiegel vieler Ethnien, weltweit die Destination mit den meisten Besuchern. Heimat freundlicher Gastgeber und doch ein umbarmherziger Ort für viele, die hier ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Bei aller Weltläufigkeit unverwechselbar ASIEN – noch. Laut, überdreht, animierend, oft hart, auch herzlich, unkontrollierbar und zu extrovertiert, um cool zu sein. Ein Alptraum für Politiker, erst recht für die immer mal wieder regierenden Militärs, denen das Bedürfnis nach Kontrolle und Ordnung als Innenfutter in die Uniform genäht wurde.

Kein Wunder, dass sie davon träumten, Bangkok solle werden wie der reiche Stadtstaat Singapur. Smart, übersichtlich, nicht nur sauber, sondern rein. Doch wann je reichte eine Kopie ans Original heran? Dennoch könnte sich Bangkok etwas von Singapur abschauen, ohne die eigene Identität zu beschädigen. Den festen Willen nämlich, über der Zukunft die Zeugen der Vergangenheit nicht zu vergessen.

Gibt es im Thailändischen eigentlich das Wort Stadtplanung? Schaue ich auf das Gewirr von Straßen, Gassen, Kanälen, Über- und Unterführungen: Eher nicht. Angetrieben von Fortschrittsglauben, viel Geld und einer ungeheuren Energie mutierte die Stadt der Engel in den letzten dreißig Jahren ungebremst zu einer wild wuchernden Kakophonie aus Stahl, Beton und Glas. Immerhin, so berichten Augenzeugen, haben die Engel den Wandel ohne sichtbare Blessuren überlebt.

Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff

Der Weg in die Moderne ist mit steigenden Preisen gepflastert. Dank schleichender Gentrifizierung wird das Leben im Zentrum für den Normalverbraucher zu teuer. An den Werbeplakaten sollt ihr die Zukunft erkennen:

„Super Luxury Condominiums“

Wer auf der Homepage Näheres zu den Luxuswohnungen erfahren will, muss Name, Mailadresse und „Budget“ angeben – so wird die Spreu vom Weizen getrennt. Eines der neuen Apartment-Hochhäuser trägt die Zielgruppe gleich im Namen: „The Rich“. Eröffnet wurde es mit einem „VVIP Day“ für die Very Very Important People. Wenn die überaus Wichtigen in den eleganten Shopping Malls einkaufen, können sie ihren Lambo oder Ferrari jetzt im Sektor Supercar parken.

Seismographen des Wandels: Gastronomie und Entertainment

Gastronomie und Entertainment spüren den Wandel stets als erste. Bars, Diskotheken, Clubs, Kneipen, Restaurants. Viele Etablissements existieren nur noch in meiner Erinnerung, obwohl mein Revier nur einen kleinen Teil der Stadt abdeckt.Wie oft stand ich in den letzten Jahren an einem Wellblechzaun, hinter dem gerade ein geliebtes Wasserloch verschwand? Das Fat Gut`z zum Beispiel in der Thonglor Road, meine Lieblingsbar, Bühne mitreißender Live-Musiker wie Keith Nolan.

Einem Wellblechzaun aber liegt der Bluesrock nicht in der DNA. Heavy Metal schon eher, wenn der Presslufthammer sein Lied anstimmt. So lösten sich über die Jahre Institutionen des Nachtlebens auf in Kleinholz und bröselnden Gesteinsbrocken. Oder sie wurden vertrieben.

In der Soi 11 an der Sukhumvit Road verschwanden die Clubs Q Bar und Bed Supperclub; die Diskothek Climax in der Tiefgarage; die kleinen Bars am Straßenrand. Die Restaurants Tapas Café, Chez Papé, The Alchemist, Snapper New Zealand mussten einem Hotelkomplex weichen, wie originell. So auch das Cheap Charlie`s, die allabendliche Aufwärm- und Abschussrampe, wo über dem Tresen eine Modelleisenbahn durch ein verwinkeltes, verwunschenes Holzlabyrinth geisterte.

Cheap Charlie`s

Die Perlenkette der Streetfoodküchen in der Sukhumvit Soi 7 ist ebenso Vergangenheit wie das belebte Hufeisen voller Bars in der Sukhumvit Soi 22. Das Cheap Charlie`s fand eine neue Heimat, weiter draußen; das Hard Rock Café war lange geschlossen und residiert nun im Maneeya Center Building in Pathumwan. Auch die Eisenelfen haben wieder ein Zuhause – das neue Iron Ferries steht nicht mehr in der Thonglor Road. sondern in der Sukhumvit Soi 39.

Party im alten Ironferries an der Thonglor Road (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Auch das deutsche Restaurant „Bei Otto“ hofft, dass Aura und Stammgäste bleiben. Die beliebte Schwarzwaldstube musste nach 37 Jahren in der Sukhumvit Soi 20 in die Phetchaburi Road umziehen, ein paar Kilometer Luftlinie nur, doch Traditionslokale sollte man nicht verpflanzen. Der Eingang am neuen Standort liegt zwischen Esso- und Shell-Tankstelle, da hat es das Schwarzwaldflair schwer.

Das alte Hemingway`s

Noch immer trauere ich dem Hemingway`s nach in der Sukhumvit Soi 14. Mehrfach ausgezeichnet, erinnerte das Restaurant an ein Bangkok, das seine Ikonen schätzte. 2016 wurde es zertrümmert, weil japanische Projektentwickler dort ein 27-stöckiges Hotel bauen wollten. Eine notgedrungen bemühte, aber durchaus beliebte Kopie des Hemingway`s steht nun in der Sukhumvit Road Soi 11.

Ein bisschen Venedig des Ostens bleibt

Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff

Venedig des Ostens wurde Bangkok einst genannt, das Leben spielte am, im und auf dem Wasser. Manches Haus am Ufer hat überlebt, auf einer Tour mit dem Longtailboot durch die Klongs (Kanäle) knattert man durch die Vergangenheit. Und sieht, dass die alte Zeit nur selten gut war. Vielleicht sehnen wir uns nur nach einer Welt zurück, in der selbst Bangkok noch übersichtlich erschien, weniger komplex, dem menschlichen Fassungsvermögen und Tempo entsprechend.

Eine Gemeinde wird vertrieben

Vergangenheit (Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff)

2018 vertrieb die Stadtverwaltung eine gewachsene, stolze Gemeinde am historischen Mahakan Fort im Rattanakosin-Viertel. Zerstörte ihre alten Unterkünfte, die Denkmalschutz verdient gehabt hätten, und verwandelte die lebendige Heimat vieler Menschen zur leblosen Grünfläche. Um Argumente sind Thailands Bürokraten selten verlegen. „Grünflächen sind eine wichtige Maßnahme gegen Luftverschmutzung“, sagte ein Sprecher der Verwaltung, die als Eigentümerin des Areals alle Rechte hatte, mit grünen Ideen jedoch nur selten auffällig wurde. Inzwischen, das gibt es selten genug, haben die Verantwortlichen eingestanden, dass die Neuordnung rund ums Fort Mahakan ein Fehler war. Nur wenige Menschen schauten dem frischen Grün beim Wachsen zu.  

Fort Mahakan nach einer Umgestaltung (Fotos: Faszination Fernost/B. Linnhoff, Reknown Travel)

Angesichts der Gentrifizierung einiger Bezirke ist es umso erstaunlicher, dass ich bei der Fahrt mit dem Skytrain über der Sukhumvit Road zwischen Wolkenkratzern unverändert auf winzige Häuser in bester Lage herabschaue, deren Eigentümer interessierten Investoren dickköpfig widerstehen – oder bereits reich sind.  

Finanzkräftige Thais entdecken ihr architektonisches Tafelsilber

Immer mehr erstklassig ausgebildete, finanzkräftige, heimatverbundene Thais, und das ist die gute Nachricht, entdecken inzwischen den Wert ihres architektonischen Tafelsilbers. Für sich, für die Stadt, nicht unbedingt für Touristen. In seltenen Fällen probt auch die Bevölkerung Bangkoks den Widerstand. Niemand hatte mit dem öffentlichen Widerstand gerechnet, als dem Hauptbahnhof Hua Lamphong nach mehr als 100 Jahren Dienst die Endstation drohte: Schutt und Asche. Vom italienischen Architekten Mario Tamagno im Neorenaissance-Stil erbaut, war Hua Lamphong einer der umtriebigsten Bahnhöfe Südostasiens und eine Sehenswürdigkeit der Haupstadt.

Hua Lamphong (Foto: Frederico Balboa)

Seit Januar 2023 starten die Langstreckenzüge, die Bangkok mit dem Rest des Landes verbinden, vom neuen Hauptbahnhof, dem Krung Thep Aphiwat Central Terminal, auch bekannt als Bang Sue Grand Station. Der neue Bahnhof – Glas, Stahl, auf mehreren Ebenen blank poliert – könnte überall strehen, in Europa oder den USA. Dank der Proteste wird Hua Lamphong, wenn auch die Züge anderswo starten und ankommen, mit seiner einzigartigen Fassade vielleicht ein Eisenbahnmuseum.

Historische Substanz in neuer Funktion, das könnte doch der Königsweg sein, die Identität zu wahren, unverwechselbar zu bleiben. Die Moderne ist nicht der Feind.

Ein neues Zentrum: der Kreative Distrikt

Wandgemälde: Trump und Kim (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Vom Bahnhof Hua Lamphong erreichen wir zu Fuss oder mit dem Tuktuk Bangkoks älteste Straße. Die Charoenkrung Road schlängelt sich durch Bang Rak, Chinatown bis hin zur Altstadt in Rattanakosin. Entlang der Straße enstand ein neues Zentrum: der Kreative Distrikt. Zwischen alternden chinesischen Ladenhäusern, zwischen Imbisswagen und Mechanikerwerkstätten stehen nun Galerien, Cafés oder Restaurants wie das Sam Lor oder der Small Dinner Club des früheren Mönchs Sareen Rojanamatin. Das ehemalige Postamt im Art Deco Stil, nicht weit entfernt vom Chao Praya und den Luxushotels Mandarin Oriental und Shangri-La, wurde renoviert und als Thailand Creative & Design Center, kurz TCDC, wieder eröffnet. Auf fünf Stockwerken finden hier nun Ausstellungen und Vorführungen statt.

“Es ist wie mit der Farbe Rot”, sagt Duangrit Bunnag zur neuen Entwicklung, jeder weiß, was die Farbe Rot ist, aber keiner kann sie beschreiben. Die neuen Plätze sind mehr ein Gefühl, ein Lebensstil.” Der renommierte Architekt ist einer der maßgeblichen Initiatoren einer Gemeinschaft von einheimischen Machern, Unternehmern und Kreativen, die im Neuen das Alte erhalten wollen. In der Charoenkrung Road 30 beherbergt das Warehouse 30 in einem ehemaligen Lagerhaus aus dem 2. Weltkrieg Künstler, Galerien, Klamotten- und Trödelläden.

Warehouse 30 (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Das Treiben in Chinatown, in der Yaowarat Road und den zahllosen Gassen der Nachbarschaft, ist noch immer so wuselig wie vor 20 Jahren. Das alte Bangkok lebt, auch in den chinesischen Vierteln Talat Noi und Song Wat. Und in Rattanakosin gibt es unweit des Backpacker-Treffpunkts Khao San Road noch immer Ecken, in die sich kein Tourist verirrt.

Ende 2024 öffnete das Dusit Thani Hotel seine Türen wieder; bis Ende der 1980er Jahre war es das höchste Gebäude Bangkoks,. Die Gäste sahen, dass man das reiche Erbe einer der glamourösesten Adressen Bangkoks erfolgreich mit zukunftsorientiertem Design verbinden kann. Das neu gestaltete Haus steht auf dem ursprünglich Grundstück im Herzen des Geschäftsviertels gegenüber dem Lumpini Park; es ist das Kronjuwel des Dusit Central Park, einem gemischt genutzten Entwicklungsprojekt im Wert von 46 Milliarden thailändischen Baht, das Dusit Residences und Dusit Parkside umfasst. Dazu gehören ferner ein moderner Bürokomplex und ein 11.200 m² großer Roof Park.

Der Dusit-Komplex (Off. Homepage)

Grüne Lunge auf dem Gelände einer Tabakfabrik

Eine weitere Erfolgsgeschichte: Die Schaf­fung des Ben­jakit­ti-Parks auf einem 720.000 m² großen Gelände im Bezirk Klong Toei mit einem 2,8 Kilometer langen Jogging-Pfad wurde zur neuen grünen Lunge Bangkoks – ausgerechnet dort, wo früher die Tabak­fab­rik der thailändis­chen Tabak­be­hörde stand. Das Siri­raj Bimuk­sthan Muse­um, ein ehe­ma­liger Bahn­hof, ist heute ein Bil­dungszen­trum für alle Alters­grup­pen. Auch so können ungenutzte Gebäude einen neuen Zweck erfüllen.

Foto: Coconuts

Asst. Prof. Asan Suwa­narit, Dekan für Architek­tur und Pla­nung an der Tham­masat Design School, genügen diese Beispiele nicht. “Soziale, wirtschaftliche und rechtliche Fak­toren ste­hen der Wiederver­wen­dung alter Gebäude in Thai­land immer noch ent­ge­gen”, sagt er, “in west­lichen Län­dern sind selbst ver­lassene Gebäude sta­bil und sich­er. In Thailand hingegen sind viele alte Gebäude so fragil, so dass es meist bil­liger ist, sie abzureißen als umzuwandeln.” Auch erkennen viele Thailänder keinen Wert darin, alte Gebäude zu erhalten oder anders zu nutzen, wie man beim Abriss des Scala-Kinos 2020 sah. Benannt nach der Mailänder Scala, war es mit 1000 Sitzplätzen das letzte große Lichtspieltheater Bangkoks.

Kunst, Kommerz und ein neues Wahrzeichen

Fotos: Faszination Fernost/B. Linnhoff (3), Bangkok Post (1)

Wer im Chinesenviertel an der Station “Wat Mangkon” aus der U-Bahn steigt, wirft einen Blick in die Zukunft. Kommerz und Kunst, Sponsor Nescafé und Künstlerin Phannapast Taychamaythakool wurden Partner. Auch das Nachtleben muss sich dank neuerer Attraktionen wie Maggie Choo`s, Sing Sing, Havana, Flamenco oder Buddha and Pals nicht hinter früheren Legenden verstecken.

Buddha & Pals (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Die alte Zollstation wird zum Luxushotel

Noch im Schatten der Moderne: Das alte Zollamt (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Auch die Entwicklung rund um The Old Custom House nährt die Hoffnung, dass historische Gebäude in anderer Funktion weiterleben werden. Das alte Zollamt steht seit 1888 am Ostufer des Flusses Chao Praya, ein paar Schritte entfernt vom berühmten Hotel Mandarin Oriental. Gebaut wurde es in der Ära des Königs Rama V. (1868 bis 1910); als König Chulalongkorn wird er noch heute von den Thais sehr verehrt. In seiner Ägide öffnete sich Siam dem Westen und damit auch der westlichen Architektur. Das Zollhaus geht zurück auf den Venedig-stämmigen Architekten Andrea Palladio.

Schon 1954 wechselte die Zollbehörde in ein neues Hauptquartier im Stadtteil Klong Toey. Das alte Gebäude beherbergte erst die Marinepolizei und danach die Feuerwehr des Stadtteils Bang Rak, ehe es immer mehr verfiel. Doch nun wird es bis 2026 sorgfältig restauriert und eine Wiedergeburt als Luxuchotel feiern, als The Langham, Customs House, Bangkok.

The Langham, Customs House (Zeichnung)

Bangkok beherzigt Buddhas Lehre: Veränderung ist die einzige Konstante. Das Netz von Skytrain/BTS und U-Bahn/MRT wird kontinuierlich ausgebaut und forciert die Transformation der Hauptstadt. Sie beeinflusst nicht nur die Optik, sondern auch das Leben ihrer Bewohner, ihre Werte und Hoffnungen. Stadtviertel, die einst an der Peripherie lagen, gleiten dank besserer Anbindung näher ans etablierte Zentrum. Oder sie entwickeln eine Infrastruktur, die den Bewohnern den Weg ins Zentrum erspart.

Im Bild: Können Geschichte und Moderne miteinander verschmelzen? Vorne das House on Sathorn, das alte Bangkok, dahinter der neue Maha Nakon Tower (Foto: China Daily).

Wo jede innere Sicherheit fehlt, wo nicht die Herkunft oder ein gemeinsames Kulturbewusstsein Identifikation zulassen, greifen Planer auf Mittel zurück, die ökonomisch verfügbar sind: auf Statussymbole.

Das neue Wahrzeichen Maha Nakon Tower, 313 Metern hoch, lässt keinen Zweifel an Bangkoks Visionen: Schneller, weiter, noch höher. Dank seiner ungewöhnlichen Pixel-Architektur schaut beim Tower jeder zweimal hin und fragt sich: Ist der Bau etwa schwerbeschädigt?

Einige werden das Verschwinden historischer Zeugen in Bangkok bedauern, andere sehen lieber die Zukunft wachsen. Nur die Menschen, die zum ersten Mal Thailands Hauptstadt besuchen, sehen das Jetzt, sehen Bangkok eingefroren im Moment, unbelastet von Vergangenheit und Zukunft. Und sie werden, wie Millionen vor ihnen, von dieser Stadt nicht mehr loskommen.

Geschichten zum alten Bangkok:

Talat Noi: Ein Streifzug durch das alte Bangkok
Bangkok: Zeitreise in Videos+Fotos
Hotel in Bangkok: The Atlanta – die geheime Legende