Street Art, Autoteile und starker Kaffee

Treten Sie näher! (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Nur wenige Meter entfernt von hektischem Verkehr, Lärm und menschlichem Gewusel, spazieren bevorzugt Einzelreisende, Paare und kleine Familien durch eine andere Welt. Durch ein Viertel, das man am besten und ohne große Anstrengung zu Fuß erforscht. In den Gassen finden sich bei Tag Obststände, Cafés und Garküchen, dazu Berge von gebrauchten Autoteilen, die von kundigen Mechanikern in zahreichen Werkstätten für neue Einsätze aufbereitet werden.

Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff (4), Dietmar Eckell (2)

Das alte, das wahre Bangkok, wie manche sagen, existiert noch. Es liegt zwischen Chinatown und dem Fluss Chao Praya und beherbergt seit je eine ethnische chinesische Community. In der frühen Rattanakosin-Ära wurde der Sampeng Market von Chinatown erweitert, die chinesische Gemeinde taufte die Erweiterung Ta Lak Kia, auf Thai Talat Noi, auf Deutsch Kleiner Markt. Und obwohl ich dort bis heute keinen Markt finden konnte, ist Talat Noi, auch Talad Noi geschrieben, mittlerweile meine LIeblingsecke in Thailands Hauptstadt geworden.

Der rostige Fiat 500 parkt hier schon so lange, dass er selbst zum Wahrzeichen von Talat Noi wurde (Foto Faszination Fernost/B. LInnhoff)

Impressionen

Mit meiner Zuneigung bin ich keineswegs allein. In einer Zeit, da Metropolen immer moderner und so auch ähnlicher werden, sehnen sich viele Reisende nach dem Ursprünglichen, um den zu Tode gerittenen Begriff authentisch zu vermeiden. Um 2021 herum öffneten moderne oder auch hippe Cafés in Talat Noi, manche von ihnen zugleich als ansehenswerte Galerien, die zunächst junge Einheimische anlockten. Im nächsten Schritt entwickelte die Gegend eine ausufernde Popularität auf Instagram und fiel “normalen” Bangkok-TouristInnen ins Auge – das war das Ende des Geheimtipps Talat Noi.

Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff

Denn je mehr Menschen etwas entdecken, desto schneller verändert es sich. Das ist das Paradox des modernen Tourismus. Schwer zu erkennen, ob die Gentrifizierung in diesem Stadtteil schon begonnen hat; die Preise in den Cafés und Restaurants scheinen mir in den meisten Fällen nicht überzogen.

Leinwände aus Stein: Open Air Galerie Talat Noi

Noch stärker als alte Autoteile prägen mal spielerische, mal coole, mal auf alte Zeiten verweisende Graffiti das Straßenbild. Da zücken alle BesucherInnen ihr Smartphone, unabhängig von Herkunft und Kultur. Inzwischen sind wir alle Bilderstürmer und füttern die sozialen Medien, Instagram vorneweg.

Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff

Im Süden endet Talat Noi am Kunsthaus River City, gelegen am Chao Praya. Mit ständig wechselnden Ausstellungen und zahlreichen Galerien auf vier Stockwerken für mich Anlaufstelle bei jedem Bangkok-Besuch.

Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff

Empfehlung: Mother Roaster

Café in schrägem Ambiente und ein weiblicher Barista, 70 Jahre alt, Auntie Pim heißt die Dame, die den Kaffee per Hand zubereitet, Tante Pim also. Am Eingang im Erdgeschoss kommt keiner auf die Idee, hier könnte es sich um eine gastliche Stätte handeln. Vielmehr sieht es aus, als hätte der König der Messis in alten Autoteilen und Müll Karneval gefeiert. Tohuwabohu. Über eine schmale Holztreppe geht es hoch zum Café, dann wird`s gemütlich. Vom schmalen Balkon blickt der Gast durch Gitterstäbe hinunter auf die Straße und auf, jawoll, Street Art.

Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff

Mother Roaster auf Facebook

Geöffnet: Dienstag bis Sonntag 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr (Montag Ruhetag)

Telefon: 66-61-216-2277,

Empfehlung: Restaurant Hong Sieng Kong

Mit Blick auf den Chao Praya (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Am Ufer des Chao Phraya steht das Restaurant Hong Sieng Kong. Dort kann man seinen spirituellen Durst mit einem Enlightened Beer löschen kann, dem Lucky Buddha.

Wo heute Restaurant und Café auf Gäste warten, wo Livemusik oder Antiquitäten-Ausstellungen das Angebot ergänzen, wurde ein Jahrhundert lang Reis gehortet für den Handel mit China.

Ein 200 Jahre altes ehemaliges Wohnhaus bildet mit fünf anderen, wunderschön restaurierten Gebäuden eine gastronomische Einheit, die der Gast mit adäquaten Preisen würdigt.

Empfehlung: The House by Hongkong House

Eine jender Zufallsentdeckungen, die nur gelingen, wenn man ziel- und planlos durch durch die Gegend streift. Das chinesische Restaurant The House by Hongkong House ist besonders bei Gruppen beliebt, die zusammen das Leben feiern, eine gute Küche genießen und Karaoke singen wollen. Dass der Hobby-Sänger bei unserem Besuch ausgerechnet “Can`t help falling in love” von Elvis Presley intonierte, hat uns dann doch überrascht. Es lag nicht an seiner Performance, dass ich das Video rücksichtlos abgebrochen habe. Wem es drinnen im Lokal zu laut ist, der kann draußen sitzen; am Abend ist es in der Seitenstraße namens Yota sehr ruhig.

Hotellink für Talat Noi: River View Residence

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Das einstige River View Guesthouse, nach einer gründlichen Renovierung nun Residence geheißen, spielt in der Lobby mit den bekannten Zeugen der Vergangenheit: mit alten Telefonen und Schreibmaschinen. Die nostalgischen Anklänge sind kein Zufall. Denn das Hotel steht an einem Ort, wo die Vergangenheit in die Gegenwart hineinreicht. Vom Rooftop-Restaurant Vibe hat man einen atemberaubendem Blick auf den Chao Praya.

Sehenswert: So Heng Tai Mansion

Schon der Eingang zum So Heng Tai Mansion ist mit seinen bemalten Kacheln ein echtes Schmuckstück. Das Anwesen wurde vor über 200 Jahren im Hokkien-Teochew-Architekturstil erbaut, gehörte einer der ersten chinesischen Handelsfamilien in Bangkok und war als Sue He Yuan (Goldene Vier Punkte) bekannt. Weil es aus einer Gruppe von vier Häusern besteht, die einen großen Innenhof umgeben. So weit, so gut.

Im Innenhof verblüffte mich ein riesiger Swimmingpool. Da wusste ich noch nicht, dass die Eigentümer ihr Geld nicht mit dem inzwischen eröffneten Café verdienen, sondern vor allem mit einer Tauchschule. Mitten in Bangkok, im Innenhof eines chinesichen Anwesenns.

Fotos von Dietmar Eckell: Talat Noi bei Nacht

Wann immer ich in Bangkok bin, streife ich durch Talat Noi. Sehe natürlich Veränderungen, ber immer noch das alte Bangkok. Meist gerate ich in sentimentale Stimmung. Denn Orte mit einem so eigenständigen Charakter werden immer seltener.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

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