Eine unbekannte Schatzkammer nah beim prominenten Verwandten

Nur ein einziger der etwa 37.000 thailändischen Tempel sei ein Silbertempel, hieß es immer. Er heiße Wat Sri Suphan und stehe nahe der Wualai Road in Chiang Mai. Letzteres stimmt. Aber es gibt noch einen zweiten Silbertempel in Thailand. Auch der steht in Chiang Mai, gar nicht weit entfernt vom prominenten Verwandten. Der Wat Muen San kommt ohne Souvenirshop aus und fast immer ohne BesucherInnen. Dabei glänzt er mit fantastischen Silberarbeiten, gehämmert von Künstlern mit einer zärtlichen Liebe zum Detail. Da ich in der Nähe des Tempels wohne, bin ich immer mal wieder zu Gast und meist der einzige.

Dorfleben (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Die Wualai Road südlich der Altstadt von Chiang Mai ist das Zentrum des Silberhandwerks und des Silberschmucks. Vor mehr als 200 Jahren zogen Menschen aus den Shan Staaten, gelegen im heutigen Myanmar, in diese Region, deren Profession Lack- und Silberarbeiten waren. Der Wat Muen San wurde bereits lange vorher erstmals erwähnt, 1438, in Manuskripten, die auf Pamblättern geschrieben wurden.

Die beiden Tempel rechts und links der Wualai Road

Beginnend gegenüber vom Chiang Mai Gate, wird die Wualai Road jeden Samstag ab 16.30 Uhr bis in die Nacht zur Fußgängerzone, zur Bühne des immer beliebteren Samstagmarkts. Auch Silberschmiede arbeiten dort unter den Augen der Passanten. Viele schlendern nicht nur an den Ständen vorbei oder essen an den zahllosen Garküchen, sondern verbinden ihren Besuch mit einem Abstecher zum berühmten Wat Sri Suphan, nach etwa 500 Metern geht es von der Wualai Road rechts ab.

Wer den Wat Muen San aufsuchen will, muss auf der anderen Straßenseite am Lanna-Pavillon der drei Kühe halblinks vorbei und durch den silbernen Torbogen gehen oder fahren – beides ist möglich. Die schmale Soi führt geradwegs zum eher schmucklosen Tempeleingang.

Die Suttajitto Galerie

Suttajitto Galerie (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Gleich links vom Eingang steht die Suttajitto Galerie. Hier ist auch Frauen der Zutritt erlaubt, im Gegensatz zum Wat Sri Suphan auf der anderen Seite. Denn hier handelt es sich um eine Galerie und nicht um ein Ubosot, das heiligste Gebäude einer buddhistischen Tempelanlage, wo u. a. die Mönchsweihen stattfinden.

Buddhistische Folklore und Szenen aus dem Ramayana-Epos

Prozession (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Wie in fast allen buddhistischen Tempeln, so finden wir auch im Wat Muen San an den Wänden Szenen aus der buddhistischen Folklore und aus dem Ramayana-Epos. Normalerweise zieren Gemälde die Tempelwände, hier aber wurden die Kunstwerke in Silber gehämmert. In beiden Silbertempeln Chiang Mais handelt es sich nicht immer um reines Silber, das wäre zu teuer gewesen. Daher wurden dem Metall manchmal Aluminium oder Nickel beigemischt.

Dorfleben in Silber

Eine frühe Version der TV-Kochshow (Foto Faszination Fernost (B. Linnhoff)

Wir entdecken ein Auto, das bergan durch den Wald fährt, der Form nach ein Vorfahre des ersten Mercedes G-Models vielleicht. Die Menschen am Wegesrand grüßen mit dem Wai, im Wagen scheint eine hochrangige Persönlichkeit zu sitzen. Wie gerät ein motorengetriebenes Fahrzeug ins Relief eines Tempels, der 1438 erstmals erwähnt wurde? Die Antwort überraschte auch mich. Alle Arbeiten in der Galerie wurden zwischen 2002 und 2010 durch hochbegabte Silberschmiede aus der Nachbarschaft gefertigt. Es ist also gar nicht lange her, dass aus einem normalen Tempel ein ganz besonderer wurde.

Wie arbeiten Silberschmiede? Wikipedia: Sie sägen oder schneiden bestimmte Formen aus Sterling- und Feinsilberblechen; dann verwenden sie Hämmer, um das Metall über Ambossen und Pfählen zu formen. Silber wird kalt (bei Raumtemperatur) gehämmert. Während das Metall gehämmert, gebogen und bearbeitet wird, wird es kaltverfestigt.

Die berühmtesten Chedis einmal anders

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

An der rechten Außenwand sehen wir zwölf rechteckige Kunstwerke, eine Auswahl der berühmtesten Chedis in Thailand und den Nachbarländern, darunter die Shwedagon-Pagode (Yangon) oder der Tempel Pha That Luang (Vientiane). Im unteren Bereich der Reliefs wurde jeweils eins der zwölf Tierkreiszeichen eingearbeitet.

Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff

Drei Mönche aus Wachs

Im Inneren der Galerie sitzen drei Mönche, geformt aus einem speziellen Wachs und, wie so oft, erschreckend lebendig wirkend. Unter dem Baum der Erleuchtung sitzt ein weiterer Mönch, dem sich gerade die Erkenntnis aufdrängt, dass er deutlich zuviel gegessen hat (Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff).

Der neue Silberpavillon

Er steht neben der Galerie, die Bauarbeiten zogen sich über Jahre und nun scheint er endlich fertiggestellt. Doch noch immer ist er verschlossen.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Die Tempelanlage

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Im hinteren Teil der Anlage entdeckt der seltene Besucher weitere Sehenswürdigkeiten. Eine sehr spezielle Pagode zum Beispiel, Grabkammern auch und einen eher kleinen Ganesha am Baum.

Ganesha (auch: Ganesh) begegnete mir gleich drei Mal. Am Baum, dreidimensional in Silber und in voller Pracht nahe dem Ubosot. Dem hinduistischen Elefantengott fühle ich mich besonders verbunden, ist er doch der Schutzpatron der Schreibenden und der Reisenden. Leider ist der Multitasker damit nicht ausgelastet, daher wirkt er auch als Gott der Hindernisse, die er nicht nur zerstört, sondern auch aufbaut. Er ist als Götterbote und als Wohltäter unterwegs und vermittelt Arbeit. Soviel zu seinen Haupttätigkeiten.

Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff

Adresse: 13 Wua Lai Rd, Tambon Hai Ya, Chiang Mai 50100.

Der Wat Sri Suphan in meinem Blog:

Thailands Schatz: Der Silbertempel von Chiang Mai