Die Medien brachten den Regenten bis nach Hamm

Als König Bhumibol Adulyadej im Oktober 2016 starb, lebte ich bereits acht Jahre im Königreich und hatte gerade gelernt, seinen Namen richtig auszusprechen: Phumiphon Adunjadet. Thailand trauerte um einen Mann, den die Menschen ihr Leben lang als Vaterfigur und Schutzpatron verehrt hatte – die Welt schaute zu und war bewegt.

Auch Käthe Linnhoff war gerührt: „Schließlich war dieser Mann mehr als sechzig Jahre lang immer mal wieder in meinem Leben präsent.“ Meine Mutter hatte – wie Millionen Frauen vor und nach ihr – ein Faible für den internationalen Hochadel. Mit Königinnen und Prinzessinnen träumte sie sich bei Gelegenheit fort aus ihrer eigenen, anstrengenden Realität. Von Österreichs einstiger Regentin Elisabeth sprach sie wie von einer Schwester. Doch die Sissy-Filme mit Romy Schneider aus den 1950er Jahren trafen nicht nur ihren Nerv; alljährlich werden sie im deutschen Fernsehen mit großem Zuspruch wiederholt.
In seinen ersten Jahren als König Rama IX erfüllte Bhumibol Adulyadej alle Kriterien, um auch international zum medialen Thema zu werden. Thailands Herrscher war weltgewandt, aus Sicht des Westens exotisch, Multitalent (Komponist, Musiker, Fotograf, Maler, Schriftsteller, Olympia-Segler, Ingenieur, Funkamateur), Partner einer hübschen und stilbewussten Gattin und doch von Tragik umwoben. Meist sah er wie ein Melancholiker aus, was auch daran lag, dass er 1948 bei einem Autounfall am Genfersee in der Schweiz ein Auge verlor und anschließend mit einer halbseitigen Gesichtslähmung leben musste.
Geboren wurde Bhumibhol 1927 in Cambridge, Massachussetts als Sohn der Bürgerlichen Mom Sangwal und des Prinzen Mahidol Adulyadej, der in den USA Medizin studierte. Trotz seines Geburtsortes war der spätere Regent nie US-Staatsbürger, da das Geburtsortprinzip in den USA nicht auf Kinder ausländischer Herrscher angewandt wurde.

Am 28. April 1950, eine Woche vor seiner Krönung zum König, heiratete Bhumibol Sirikit Kitiyakara, die Tochter des thailändischen Botschafters in Frankreich.

Dank der Medien gastierte das Paar auch in den bescheidenen Gemächern meiner Familie im westfälischen Hamm. Die bekanntesten illustrierten Magazine hießen damals Quick, Neue Illustrierte, Deutsche Film Illustrierte, Revue und stern – auch die Bunte gab es bereits und für die Pubertierenden die Bravo. Fast alle veröffentlichten immer mal wieder Fotostrecken des thailändischen Königspaars (Foto links: König Bhumipol mit dem deutschen Bundespräsidenten Heinrich Lübke).
Auch ich nahm den Regenten dank der Medien erstmals war. Das Foto zeigte Thailands König 1960 in den Paramount-Studios von Los Angeles, wo er Elvis Presley traf, den König des Rock´n´
Roll. Abzüge des Bildes hängen noch heute in thailändischen Souvenirshops. Mit Bhumibhol und Elvis trafen sich zwei leidenschaftliche Musikanten unterschiedlicher Stilrichtungen. Der eine war ein leidenschaftlicher Saxophon-Spieler, der gerne mit anderen Jazzern (u. a. Benny Goodman) im Palast von Bangkok jammte, der andere Rocker.


1960 hatte Hamm die sichtbaren Folgen des Krieges nahezu beseitigt. Die unsichtbaren, die psychischen Trümmer aber hielten sich länger. Gefühle von Verlust, Trauer, auch Schuld ließen sich nicht so einfach verdrängen. Meine Eltern waren gute Beispiele dafür, was der Krieg mit Menschen anstellen kann, die guten Herzens und guten Willens sind.
Käthe Schulte, so der Mädchenname meiner Mutter, hatte als Teenager vor dem Krieg in wenigen Monaten ihre geliebte Schwester und ihre geliebte Mutter verloren. Noch während des Krieges starb ihr Vater; ihr Mann Karl, erfolgreicher Berufsboxer, wurde an irgendeiner Front für tot erklärt. Die heftigen Bombenangriffe auf Düsseldorf und selbst das Inferno von Dresden überstand Käthe körperlich unversehrt, doch ihre Seele sollte sich nie erholen.
948 heiratete die rheinische Frohnatur den Westfalen Walter Linnhoff – in guter Hoffnung, ich war schon unterwegs. Der Bochumer Herbert Grönemeyer hat die Westfalen einmal so charakterisiert: “Sie haben angeblich noch nie ein Gedicht geschrieben, leben aber so lange, dass sie sich schon selbst umbringen müssen.” Romantisch klingt anders.

Mein Vater hatte an der Front Dinge gesehen und erlebt, die ihn verstummen ließen. Seine „innere Tundra“ (Zitat Ove Knausgard) schmolz, wenn er – selten genug – zur Mundharmonika griff oder um Weihnachten herum. Dann bastelte er mit Liebe und Sperrholz Hexenhäuschen und Krippe für uns Kinder. Das Kind in ihm war noch nicht komplett zerschossen.

Meine Mutter erledigte ihre Pflichten so verantwortungsvoll und pragmatisch wie ihr Mann. Schnell mit zwei Kindern gesegnet (nach mir kam 1951 Walter junior), war sie gut ausgelastet: Tägliches Wäschewaschen per Hand, Kochen für alle, Wohnung putzen, die Kleinen trockenlegen sowie Einkaufen mit magerem Budget. Da kann man sich schonmal in Königshäuser träumen. Sie hatte sich immer eine Tochter gewünscht, doch auch das dritte Mädchen war wieder ein Junge: 1957 kam mein Bruder Wolfgang zur Welt.

1966: Die Wende im Leben des thailändischen Königs

Nach 1966 widmete sich König Bhumibhol vorrangig den Problemen der thailändischen Landbevölkerung und reiste nie wieder ins Ausland. Mehr als 1000 größere und kleinere Projekte stieß er an, von der Einführung neuer Nutzpflanzen über die Trockenlegung von Sümpfen bis zum Erhalt der letzten Regenwälder.

Das Bild des Regenten schmückte jeden Haushalt, jede Kneipe, jede Straßenkreuzung. In diesem streng hierarchischen Land konnten es die Thais kaum fassen, dass sich der in ihren Augen Gottgleiche in persona zu seinen Untertanen herniederliess.

In dieser Zeit wuchs die immense Verehrung, die ich nach meiner Einwanderung in Thailand noch einige Jahre hautnah erlebte, als der Monarch bereits erkrankt war und nur noch selten öffentlich in Erscheinung trat.

13. Oktober 2016: Abschied von König Rama IX
Ich habe das Thailaendische Koenigspaar ” live ” erlebt bei ihrem Staatsbesuch in Londong, August 1960. Ich stand auf der Mall in London, war fasziniert von den Ehrengarden entlang der Strecke zum Palast. Das Thai Koenigspaar wurde , nach Ankunft Viktoria Station, von der Engl. Koenigin Elizabeth und Ihrem Gemahl, Prinz Philipp abgeholt und in prachtvollen Kutschen zum Buckingham Palast gefahren. Ich war damals Austauschschueler, sehr beeindruckt von dieser Kulisse.
Ein Erlebnis für sich, Wolfgang!