Nostalgie an der Marina Bay

„Wer ist denn die alte Frau?“, fragten Toeys Freunde. „Keine Ahnung, aber Bernd kennt sie.“ Ich schätze klare Ansagen, aber es gibt Ausnahmen. Wir waren gerade zurück vom Singapore Jazz Festival 2016; meine Freundin zeigte ein paar Fotos herum und sprach offen. Botschaft angekommen: Die alten Frauen sind für mich reserviert. In diesem Fall Omara Portuondo, 86.

Gebucht hatte ich die Festival-Tickets wegen einer deutlich jüngeren Künstlerin. Joss Stone hatte mich schon umgehauen, da war sie 16. „The Soul Sessions“ hieß ihr erstes Album; ihre Stimme kündete von Erfahrungen, die sie noch gar nicht haben konnte. Inzwischen 29, tendiert sie nun zum Jazz. Ihre Stimme gibt das her, und doch berührte mich Joss` professioneller Auftritt weit weniger als der von Candy Dulfer unmittelbar zuvor. Das Meisje aus Amsterdam, auch sie einst frühreife Künstlerin und heute den 50 nahe, hatte mit dem Saxophon Bühne und Publikum gerockt und mich erst recht.

Zum Abschluss des dreitägigen Events, in der Dämmerung des frühen Sonntagabends, wurde es romantisch an der Marina Bay. Nolstalgisch auch. Kubanisch. Ruben Gonzales, der einzigartige Pianist, lächelte von der Leinwand herab. Compay Segundo folgte ihm, Format füllend, wie es seine Art war. Ein Bild noch von Ibrahim Ferrer, dann endete die Diashow. Jeder eine Legende im Buena Vista Social Club. Alle tot.

Nur Omara fehlte bei der Diashow.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Denn ihr Platz war auf der Bühne. Omara Portuondo lebt. Singt. Tanzt. Bewegt die Menschen, reißt sie mit. Manchmal konnte sie selbst kaum glauben, was sie da lostrat. Mit 86. In Asien, 17.500 km weit entfernt von ihrer Heimat Kuba.

Nostalgie kriegt mich schwer zu packen. Doch an diesem Abend schwamm ich mit den karibischen Tönen davon. Fünf Mal habe ich Kuba bereist zwischen 1999 und 2004. Die Insel, die Mambo, Rumba, Cha-cha-cha in die Welt trug und den Son mit seinem Ableger Salsa. Kubas Musik, inhaliert auf den Straßen von Havanna und Santiago de Cuba, gehört seither zum Soundtrack meines Lebens. Sollten sich meine Beine, aktuell noch gebettet in Zement, eines Tages befreien, werde ich zu Salsa-Klängen sogar tanzen.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Die alte Frau Omara war mir ein Begriff, da hatte meine Freundin Toey recht. Und ja – die Adíos-Tour war auch ein Abschied von einer Generation leidenschaftlicher Musikanten: Adíos Buena Vista Social Club.

Singapore Jazz Festival

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Das Singapore Jazz Festival findet alljährlich im Frühjahr statt. Vor großartiger Kulisse und mit Künstlern von Weltruf.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Fotos: Kesorn Chaisan, Bernd Linnhoff

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