Und Captain America schaut zu

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Die pummelige Archäologiestudentin Ketsurang stirbt in einem Autounfall, verursacht vom Geist ihrer verstorbenen Zwillingsschwester Karaked. Daraufhin reist Ketsurangs Seele im windschlüpfrigen Körper der wunderschönen, aber intriganten Karaked zurück in der Zeit und landet im Königreich Ayutthaya des Regenten Narai (1682-1688). Dort heiratet sie ihren Seelengefährten und ist fasziniert von der traditionellen Lebensweise und dem Glanz der alten Hauptstadt Siams.

Wenn das keine typische Thai-Story ist, weiß ich es auch nicht. Obwohl die ThailänderInnen generell süchtig sind nach lakorns, wie Seifenopern in der Landessprache heißen, rechnete niemand damit, dass die 2018 ausgestrahlte, in Ayutthaya gedrehte Serie „Love Destiny“ („Liebesschicksal“) eine der erfolgreichsten TV-Sendungen aller Zeiten würde. Auch Netflix sicherte sich den historischen, dramatischen, romantischen und auch komödiantischen Stoff, der auf dem Roman Bupphesanniwat basiert.

Das Element der Zeitreise spielt mit dem Thema Wiedergeburt. Auch Christen und Muslime treten auf, sie symbolisieren die sprichwörtliche Toleranz der buddhistischen Lehre. Und selbst Frankreichs Ludwig der XIV. ist mit von der Partie, es sei ihm gegönnt.

Prächtige Kulisse: Wat Chaiwattanaram, einer der Drehorte (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Mit 375 Tempelanlagen gehört Ayutthaya, gelegen 80 Kilometer nördlich von Bangkok, seit 1991 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Schon immer pilgerten an Wochenenden um die tausend Besucher zum historischen Park, Thais vornehmlich, aber auch internationale Touristen. Doch Love Destiny spülte plötzlich bis zu 20.000 Gäste pro Wochenende in die geschichtsrächtigen Stätten. Ein willkommener Nebeneffekt aus Sicht der einheimischen Touristiker: viele Thais trauten sich wieder, traditionelle Kleidung zu tragen.

Etwa 15 Züge verkehren täglich zwischen Bangkok und Ayutthaya, dazu Busse, Vans und Boote auf dem Chao Praya. Als Freund Niall und ich im März 2024 den Park besuchten, waren die Besucherzahlen wieder etwas gesunken, was uns entgegenkam. Wir wollten zwar die alten Schätzchen mit eigenen Augen sehen, aber nicht im Trubel untergehen. Drei Tage blieben wir in der Stadt – genug, um ein Gefühl für die Atmosphäre zu bekommen.

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Und abends mit Beleuchtung: Wat Chaiwattanaram

König Prasat Thong ließ die Tempelanlage Chaiwattanaram 1630 zu Ehren seiner Muitter bauen. Errichtet im Khmer-Stil, die architektonische Verwandtschaft mit Angkor Wat war Absicht; die Anlage sollte das Universum nach alten religiösen Überzeugungen darstellen. Das Gelände diente als royales Krematorium, fast alle Herrscher des Königreichs Ayutthaya liegen hier begraben. Später wurde der Tempel in ein Militärlager für Soldaten umgewandelt, die gegen burmesische Eindringlinge kämpfen sollten; bei späteren Ausgrabungen wurden Kanonen und andere Waffen entdeckt.

Das alles muss man nicht wissen, um über die Leistungen zu staunen, zu denen Menschen schon vor Jahrhunderten fähig waren. Ein Spaziergang am Abend durch die beleuchtete Anlage ist auch ohne historische Vorbildung ein denkwürdiges Erlebnis.

Kopfloser Buddha bei meinem ersten Besuch 2011 (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Doch Ehrfurcht vor den Leistungen der Architekten und Bildhauer war nicht allen Besuchern gegeben. Als die Anlage im Lau der Jahrhunderte zu einem verlassenen Ort schrumpfte, kamen die plündernden Schatzsucher und stahlen die Köpfe der Buddha- Skulpturen.

Inzwischen haben viele, aber nicht alle Buddhas neue Köpfe erhalten. Patina braucht Zeit, daher sind sie leicht als neu zu erkennen. Aber wichtig ist allein, dass die Schätze der Vergangenheit nicht erneut verfallen. Und wenn es Seifenopern sind, die dabei helfen.

Was sorgfältige Restaurierung bewirken kann, zeigen die beiden Fotos – das erste aufgenommen 2011, das zweite im Frühjahr 2024.

2011: Wat Mahathat und Frösche

An meinen ersten Ayutthaya-Besuch 2011 kann ich mich kaum noch erinnern. Damals, das sagen meine Fotos, besuchte ich auch den Wat Mahathat, einen der wichtigsten Tempel im Park, und einen der vielen Märkte. Zuerst glaubte ich an eine akute Froschplage – sie sprangen mir, obwohl tot, auf em Markt ins Auge. Aber ich lernte, dass Frösche normaler Bestandteil der thailändischen Speisekarte sind. Man kauft sie lebendig oder ausgenommen und zerteilt auf den Märkten.

Vielleicht aber spielen Frösche in Ayutthaya doch eine besondere Rolle hier. Die ungewöhnlich geformten Tuktuks, auch sie Wahrzeichen der Stadt, werden wegen ihrer vage dreieckigen Frontpartie Froschkopf-Tuktuks genannt (tuktuk hua ghob),

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Die Dreiräder sind eine preiswerte Möglichkeit, von A nach B zu gelangen. Doch perfekt ist es, Ayutthaya mit dem Boot zu erkunden. Als der portugiesische Priester Fernao Mendez Pinto 1554 erstmals den Begriff „Venedig des Ostens“ benutzte, in einem Brief an die katholische Ordensgesellschaft Jesu in Lissabon, meinte er Ayutthaya und nicht die spätere Hauptstadt Bangkok.

Die Stadt ruht auf einer Insel, eingeschlossen von den zusammenströmenden drei Flüssen Lopburi, Pasak und Chao Phraya. Früher dienten sie Flüsse und viele Kanäle als Handelswege zu anderen Städten; Ayutthaya war zeitweise einer der wichtigsten Häfen Asiens. Um 1700 herum, so heißt es in thailändischen Schriften, soll der Ort mit über einer Million Einwohner die größte Stadt der Welt gewesen sein. Kaufleute aus aller Herren Länder rühmten Ayutthayas atemberaubend schöne Tempel, Paläste, Märkte und Festungen. Glanz und Gloria endeten mit der Invasion der Burmesen 1767, die einen Großteil der Stadt niederbrannten.

Was wir heute vorfinden, ist ein Bruchteil der damaligen Bauten. Unverändert aber liegen viele Sehenswürdigkeiten an einem der Flüsse. Daher haben auch wir uns ein Longtailboot gemietet, denn unser Ziel am zweiten Tag lag am Wasser: die Tempelanlage Phana Choeng.

Wat Phanan Choeng

Vergoldet, 19 Meter hoch: die Buddha-Statue Luang Poh To (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Und schon sind wir wieder mittendrin in den thailändischen Sagen und Legenden. Der Tempel Panan Choeng datiert von 1324, erbaut von König Sai Namphoeng. In ihm sollte die chinesische Prinzessin Soi Dok Mak verbrannt werden, die zuvor ins Königreich Ayutthaya gereist war, um den King zu ehelichen. Sai Namphoeng aber nahm sie nicht zur Frau und Soi Dok Mak sich deshalb das Leben. Bis sie heute wird sie vor allem von Thai-Chinesen verehrt, weswegen wir im Tempel vielen Thais chinesischer Abstammung begegneten.

Angelo Gelato, der Erzengel des Speiseeises

Ayutthaya ist stolz auf sein historisches Erbe; seinetwegen kommen Touristen in die Stadt und tragen ihren Teil zum kommunalen Budget bei. Jenseits der historischen Bezüge ist es eine völlig normale Stadt in Thailands Zentralebenen; dennoch hatte ich hier nicht mit original italienischem Speiseeis gerechnet – eine der wenigen Süchte, die ich noch aus Überzeugung pflege. Als Niall das Schild entdeckte, rief ich im hinteren Teil des Tuktuks so durchdringend „Stoppp!!, dass sich die Spitze unseres froschköpfigen Gefährts bei der Vollbremsung in den Asphalt bohrte. Für mich einer der Höhepunkte unserer Touren, der Fahrer sah das anders.

Eine weitere Geschichte zu Ayutthaya in diesem Blog: Unser Quartier. West trifft Ost, eine schräge Erfahrung.

Hotel Klong Suan Plu in Ayutthaya: Drei Sterne und jede Menge Stars

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