Denn China will der Galle an den Kragen

Die Bären von Luang Prabang sind smart. Sie wissen, was den Wert einer Immobilie bestimmt: Lage, Lage, Lage. So haben sie ihr Domizil klug gewählt. Wer die phantastischen Kaskaden der Kuang Si-Wasserfälle nahe Luang Prabang im Norden von Laos besucht, passiert gleich am Eingang die Gehege der Kragenbären.

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Für die Bären zählt jeder Tourist. Denn erst Spenden ermöglichen ihnen ein lebenswertes, ein sicheres Leben. Knapp 2000 Euro kostet der jährliche Unterhalt eines Asiatischen Schwarzbären, der auch Mondbär genannt wird oder eben Kragenbär. Er könnte auch in den laotischen Wäldern nach Pflanzen und Früchten suchen, frei und voller Tatendrang.  Ganz natürlich eben. Und nebenbei seinen Beitrag leisten zur ökologischen Balance im Wald.

Doch Laos ist nur einen Tatzensprung von China entfernt, und das bedeutet: Gefahr für Leib und Leben. Vor allem für Leib. Denn die chinesische Volksmedizin schreibt der Bärengalle – besser: der Gallenflüssigkeit – seit mehr als 3000 Jahren heilende Kräfte zu.

Obwohl der medizinische Wirkstoff seit 1955 auch im Labor hergestellt werden kann, warten auf speziellen Farmen in China, Vietnam und Korea ca. 10 000 Bären apathisch darauf, dass ihnen per Katheter 100 ml Gallenflüssigkeit abgezapft werden. Täglich. Schon wenige Gramm Bärengalle kosten etwa 100 US-Dollar; mit wachsendem Wohlstand können sich immer mehr Chinesen Bärenorgane und -körperteile leisten, die zu allem Überfluss auch noch Wohlstand symbolisieren.

Oma Mary gefällt das nicht

Alles in allem eine prächtige Motivation für Wilderer auch in Laos, mit ständig optimierten Methoden schon dem Bärennachwuchs an den Kragen zu gehen. In den glücklicheren Fällen werden die Jungen von den laotischen Behörden konfisziert und landen im Rettungszentrum nahe Luang Prabang. Einen Ort,  den es ohne eine ganz gewöhnliche australische Großmutter nicht gäbe.

„Current affairs“ – „Zeitgeschehen“ lautete der wenig aufregende Titel einer Fernsehsendung, die Mary Huttons Leben 1993 nachhaltig verändern sollte. Der Beitrag über asiatische Bärenschicksale im Dienste einer zweifelhaften Medizin ließ sie nicht ruhen; in einem Kaufhaus ihrer Heimatstadt Perth startete sie umgehend eine Petition.

Nach wenigen Monaten hatte sie tausende Unterschriften und Anhänger gesammelt, 1995 gründete sie die Stiftung „Free the Bears“. Um es kurz zu machen: Heute wirkt die Organisation mit Erfolg in Kambodscha, Laos, Thailand, Vietnam, Indien, Russland und Ecuador. Grandma Mary wurde dafür in Perth mit dem „Pride of Australia“ ausgezeichnet – sie darf sich nun Stolz Australiens nennen.

25 Bären leben derzeit im Gehege nahe der Wasserfälle von Kuang Si. Manchmal in der Hängematte dösend, meist aber über Stunden damit beschäftigt, Futterverstecke zu finden, mit Honig gefüllte Bambusrohre zum Beispiel. Spätere Auswilderung ist keine Option. Nicht nur deshalb, weil die Pelzträger umgehend wieder gefährdet wären.

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„Da sie meist schon als Bärenjunge zu uns kommen, gewöhnen sie sich an uns Menschen und an die ständig verfügbare Nahrung“, sagt Mike Brocklehurst, Australier auch er und Manager des Tat Kuang Si Bear Rescue Centre, „die Bärenjagd ist in Laos zwar verboten, kann aber nicht effektiv bekämpft werden. So droht den Kragenbären das gleiche Schicksal wie den hiesigen Nashörnern.“

Die gibt es schon lange nicht mehr.

Fotos: B. Linnhoff, Homepage „Free the Bears“, World Expeditions

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