Die kleine Stadt, die alles hat

Ao Manao – der Strand schlechthin (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Meine Lieblingsstrände sind normalerweise mit Inseln verbunden. Weicher Sand mit der Häuserfront einer Stadt im Rücken, das ist für mich nur das halbe Vergnügen. Es gibt Ausnahmen, aber das sind Mythen: Copacabana, Ipanema, Leblon in Rio de Janeiro. Zu den Ausnahmen zählt nun auch der Strand der Ao Manao Bucht in Prachuap Khiri Khan. Zumindest gefühlt hat er keine Stadt im Rücken, sondern Pinien und andere Bäume und dahinter eine Militärbasis. Dazu später mehr.

Wir waren nicht die ersten Touristen in Prachuap Khiri Khan, einem Fischerhafen etwa 300 Kilometer südwestlich von Bangkok am Golf von Thailand. Für uns aber haben wir ein Kleinod entdeckt.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Vor meiner Auswanderung neigte ich dazu, mit Thailand eine gemächlichere Gangart als im Westen zu verbinden, Natur und Meer als willkommene Beigaben. Dass ich erst einmal für vier Jahre in Bangkok landete, ist nur einer von vielen Widersprüchen, die ich für mich mühelos miteinander versöhnen kann. Mittlerweile lebe ich seit mehr als zehn Jahren in Chiang Mai, das passt schon eher: die Infrastruktur einer kleinen Großstadt und die Natur vor der Haustür.

Prachuap aber hat alles

Ao Prachuap, die Stadtbucht (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Die Kleinstadt Prachuap Khiri Khan (30.000 Einwohner) aber hat alles. Infrastruktur, das Meer vor Augen, einladende Strände, erstklassige Seafood-Restaurants, moderne oder gemütliche Cafés, erstklassigen Kaffee (der Capuccino kostet 45 Baht), Garküchen (Brokkoli am Spieß waren mir neu), Nachtmarkt, einfache, angenehme Unterkünfte, großartige Natur drumherum und ein entspanntes Tempo. Rush hour? Verkehrsstau? Hallo?

Trotz ihrer Vielfalt gehört die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz zum „unsichtbaren Thailand“, wie die Touristiker sagen, zu einem Thailand, das übersehen wird. Auch von uns bisher, obwohl wir in den sozialen Medien oder Reisemagazinen immer mal wieder Hinweise und Berichte erspähten.

Deutlich mehr Aufmerksamkeit genießt jedoch Hua Hin, knapp 100 Kilometer weiter nördlich gelegen und ebenfalls zur Provinz Prachuap Khiri Khan gehörend. Das königliche Seebad ist fraglos ein attraktives Ziel, touristischer sicherlich, besser besucht, am Wochenende auch von Bangkokians. Geht es nach mir, soll Hua Hin weiterhin die medialen Fanfarenstöße genießen und Prachuap so bleiben, wie es ist. Professionelle Besucher hingegen, Reisejournalisten zum Beispiel, wünschen sich von der Stadt Prachuap eine größere Auswahl an Restaurants und modernen Unterkünften. Ich hoffe, diese Wünsche verhallen ungehört. Einige wenige Oasen des natürlichen, ursprünglichen Charmes sollten überleben.

Die Ankunft

Wir kamen mit dem Zug von Hua Hin, anderthalb Stunden dauerte die Fahrt. Vom Bahnhof aus hätten wir mit unserem leichten Gepäck zu Fuß zum Hotel gehen können, doch das wussten wir erst, als der Tuktuk-Fahrer am Ziel ganze dreißig Baht verlangte, 80 Cent etwa. Mit dem ersten Trip gewannen wir „unseren“ Fahrer für die nächsten Tage, Anruf genügte. Die Tuktuks in Prachuap sehen übrigens etwas anders aus als gewohnt.

Haus in der Kong Kiat Straße (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Kurz nach dem Einchecken in unserer Unterkunft wanderten wir zurück in Richtung Bahnhof, denn uns gefiel die dorthin führende Kong Kiat Straße so gut mit ihren alten Häusern, fast alle vor 1970 gebaut. Und das Yuttichai-Hotel steht dort, eins der letzten aus Holz gebauten Hotels in der Region, wo der geneigte Gast noch immer für 350 Baht sauber, auf einem Kingsize Bett und mit Ventilator übernachten kann. In der kleinen Cafeteria des Hotels machten wir Pause, um erst einmal anzukommen.

Auch wir wohnten günstig, für unter 1000 Baht die Nacht inklusive Frühstück, im Prachuap Grand Hotel. Hinter dem selbstbewussten Namen steht eine moderne Herberge ohne Extravaganzen, dafür mit einem recht geräumigen Zimmer, sehr freundlichem Personal und einem in dieser Preisklasse außergewöhnlich umfangreichen Frühstücksbuffet.

Überwältigt von einer halben Limette

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Eine der schönsten Buchten in ganz Thailand“ las ich und dachte: Werbesprech. Aber dann: Bewaldete Hügel am rechten Rand, links als Grenze ein Hügel wie der Zuckerhut in Rio, feiner Sand, strahlender Sonnenschein – es war das reine Glück, im seichten Wasser der Manao-Bucht zu waten, an einem der schönsten Strände, die ich je gesehen habe. Er liegt in einer der drei attraktiven Buchten – Noi, Pachuca und Ao Manoa -, deretwegen Prachuap Khiri Khan schon während der Herrschaft von König Rama V. zum Badeort wurde.

Die halbe Limette

In unseren fünf Tagen beschränkten wir uns auf die Manao-Bucht, die so genannt wird, weil sie die Sichelform einer halben Limetten- oder Zitronenscheibe hat. Schaut man sich andere thailändische Strandbuchten aus der Luft an, sehen viele kaum anders aus.

Wing 5 Airforce Base (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Die Manao-Bucht liegt auf dem weitläufigen Gelände der Wing 5 Airforce Base, wo die thailändische und die japanische Armee während des zweiten Weltkriegs kämpften; Burma/Myanmar ist nur zehn Kilometer entfernt. Heute steht dort ein Museum zur Erinnerung. Am Eingang werden alle Gäste kontrolliert; auf dem Weg zum Strand mussten wir kurz anhalten, weil ein Militärjet gerade auf auf der Landebahn quer zur Straße landete. Am Ao Manao Square gibt es gibt eine eigenständige Gemeinde mit Geschäften, Cafés, öffentlichen Toiletten und sogar Unterkünfte, in denen auch Zivilisten übernachten können.

Die Sonnenschirme am Strand stehen dicht an dicht, die Einheimischen wollen Schatten statt dunkler Hautfarbe. Es konnte nur ein Farang-Pärchen sein, dass wenige Meter vor uns einen kleinen Tisch und Stühle in die Sonne stellte.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Wie immer in Thailand sind Stände mit Thai-Food nur wenige Meter entfernt. Es ist für alle gesorgt. Die Erwachsenen hängen im Schatten mit diversen Speisen ab, die Kinder planschen im friedlichen Wasser und Farangs wie ich genießen das NIchtstun oder spazieren/schwimmen durch die sanft auslaufenden Wellen. Auch am Wochenende ist es selten voll am Strand, der jeden Tag um 18 Uhr geschlossen und gereinigt wird.

Meist blieben wir länger als geplant, das lag an den Liegestühlen alter Schule. Offenbar waren sie an die durchschnittliche Größe der Thais angepasst und die durchhängende Sitzfläche berührte fast den Boden. Lag ich erst einmal drin, konnte die Wiederauferstehung dauern, wobei das Grinsen der Nachbarn nicht wesentlich weiterhalf.

Die Stadtbucht und ihre Schätze

Die Strandpromenade (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

An der so genannten Strandpromenade beginnt das Leben erst gegen Abend. Ein paar Hotels stehen gegenüber und vor allem Seafood-Restaurants natürlich, frischer als hier kann der Fang nicht ausfallen. Auch uns lief wieder einmal das Wasser im Mund zusammen, was zu einer ausufernden Bestellung führte, mit deren Ergebnis wir anschließend zu kämpfen hatten.

Meeresfrüchte (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Ruhesitz Prachuap – und das Nachtleben?

Am Strand und in der Stadt entdeckten wir in unserer knappen Woche etliche ältere Expat-Pärchen, die Prachuap zu ihrem Ruhesitz erkoren haben. Die Betonung liegt auf Ruhe. Bangkoks Hektik ist hier ganz weit weg, von den Krisenherden in Europa oder Nahost ganz zu schweigen, was das Bedürfnis nach den neuesten Nachrichten dämpft. Wer sich als Europäer bzw. Westler in Prachuap Khiri Khan niederlässt, bekommt mehr Lebensqualität für weniger Geld als an vielen anderen thailändischen Orten. Noch. Schon der Zuzug weniger Expats birgt die Gefahr steigender Preise für für Land und Wohnraum, Stichwort Gentrifizierung.

Doch die Gefahr massenhaften Zuzugs ist geringer als anderswo. Schon des Nachtlebens wegen, welches man lange suchen muss, um nichts zu finden. Mein nachtaktiver Freund John Fengler, Flaneur und Gourmet, hat sich bei einem Besuch auch ein wenig In Prachuap verguckt. „Wenn es auch nur einen Hauch von Nachtleben gäbe“, sagt er, „würde ich überlegen, dorthin zu ziehen.“ So aber pendelt er weiter zwischen Chiang Mai und Phnom Penh.

Der Plan

Abschied von Prachuap Khiri Kahn (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Wir haben es langsam angehen lassen in Prachuap, das kann man dort gut. Haben viele Sehenswürdigkeiten nicht gesehen, vielleicht beim nächsten Mal. Denn ein nächstes Mal soll es geben, mit erweitertem Programm. Dann wollen wir von Hua Hin mit dem Scooter am Meer entlang die 200 Kilometer über Prachuap bis Chumphon fahren, auf dem Weg in kleinen Fischerdörfern, in Orten wie Pranburi oder auch Stranddestinationen wie Ban Krut Station machen. Eine Tour, wie wir sie lange nicht mehr gemacht haben. Eine Tour, die zu dem Thailand passt, dass uns besser gefällt denn je.