Eine andere Welt, eine andere Zeit

Luxus bedeutet mir nichts, Optik schon eher. Schönheit liegt im Auge des Betrachters, für mein Auge muss vieles zusammenkommen. Was genau, weiß ich erst, wenn ich davor stehe. Aber dann bin ich machtlos. Sollten sich auch noch innere Werte dazu gesellen, werfe ich mich in den Staub. Wahlweise auch auf den frisch gewienerten, holzvertäfelten Boden des Medici-Restaurants im „Muse“ in Bangkok.

5 Sterne, Boutique-Hotel

Das ist mal ein Empfang! (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Tretet ein und staunt. Über eine Rezeption, wie ich noch keine gesehen habe. Einstimmung auf den Eintritt in eine andere Zeit, eine andere Welt, einen anderen Geist. Das ist das Versprechen.

Es fällt schwer, dieses Hotel zu beschreiben, wenn man Superlative scheut. Auch Percy Rojas, einst Chefredakteur des Magazins „Look East“, war beeindruckt: „Eine Atmosphäre der Diskretion, des VIP. Eine Behandlung wie auf dem roten Teppich“, schwärmte er, um gleich anzufügen: „Natürlich ist da kein roter Teppich. Aber du fühlst dich so als Gast.“

VIP muss nicht sein, mir reicht es, mich willkommen und wohl zu fühlen.

Nur eine Nacht

Bevor ich dort übernachtete, kannte ich das Hotel Muse bereits, oberflächlich zumindest. Aus den medialen Hymnen zur Eröffnung und als Kurzzeit-Besucher. Meinen Freunden Klaus und Oliver, aus Deutschland zu Besuch, hatte ich die Unterkunft empfohlen. Sie zeigten mir ihre Zimmer, wir schauten von der Dachterrasse auf die Skyline Bangkoks. Klaus war begeistert, Oliver fand das Innenleben des Hotels alles in allem zu düster.

Foto: The Posh Guide

Ich hingegen war spontan angefixt, wusste jedoch aus Erfahrung, dass schon eine einzige Nacht den Unterschied machen kann zwischen erstem Eindruck und Gewissheit.

Genau so lange war ich dann dort: eine Nacht.

Schönes Bild, nicht wahr? So lebensnah. Fanfan heißt die Dame. Allan Wilson hat sie im „Muse“ fotografiert für seinen Reiseblog Live less ordinary. Dort präsentierte er (vor Covid) zehn attraktive Boutique-Hotels in Bangkok, das „Muse“ inklusive.  „Lebe lieber ungewöhnlich“ scheint mir ein prima Motto. Dem ich in dieser Nacht auch treu gefolgt bin: In meinem behaglichen Zimmer mit Aussicht schlief ich allein.

Was mich auch hier erstaunte: Dieser seltsame Trend in Hotelzimmern, vom m Bett aus einen klaren, unverbaubaren Blick ins Bad zu ermöglichen, Klo eingeschlossen. Die sozialen Medien haben antiquierte Begriffe wie Privatsphäre und Diskretion neu definiert und dabei offenbar einen Standard gesetzt, dem auch Innenarchitekten gerne folgen.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Ein Blick zurück: Eröffnung 2011

Im Zentrum der thailändischen Hauptstadt, in der Lang Suan Road feierte Bangkoks High Society 2011 die Eröffnung des neuen Hotels. In Rufweite der populärsten Einkaufskathedralen, eine oder zwei Skytrain-Stationen von hervorragenden Restaurants entfernt und von intensivem Nachtleben. Erstklassige Lage also, für dauerhaften Erfolg jedoch nur ein Kriterium von vielen.

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„The Muse“ ist ein gutes Beispiel dafür, was Hotellerie heute leisten muss, um sich abzuheben vom Wettbewerb. Um aufzufallen, um gebucht zu werden. Erst recht in Bangkok, wo einige der besten, beliebtesten, originellsten Hotels der Welt um Gäste buhlen und die bekanntesten Marken der Branche.

Medici Kitchen+Bar

„Inspiriert vom gesellschaftlichen und künstlerischen Milieu zum fin de siécle in Europa und im Thailand zu Zeiten des Königs Rama V, kombiniert das Hotel Muse weltläufigen Chic mit der spielerischen Eleganz inmitten des neuen Goldenen Zeitalters in Asien.“

An anderer Stelle heißt es: „Die Gäste erleben das ‚goldene Zeitalter des Reisens‘ mit klassischer europäischer Architektur und Einrichtung im Stil der 1920er Jahre und zuvorkommender thailändischer Gastfreundschaft neu.“

So warb das Hotel zur Eröffnung für sich.

Der Eröffnung folgten aufgeregte Rezensionen, auch sie dekoriert mit dem branchenüblichen Lametta:

„Das nobelste Boutique-Hotel, sophisticated, French-Thai, europäische Einflüsse, asiatische Motive im Gegenentwurf“

„Art Deco-inspiriert, die Fassade im Gothic-Chic würde auch in Manhattan nicht aus dem Rahmen fallen“

„Opulenz, Hedonismus, Eleganz – Reise in die Ära, als luxuröse Reisen den happy few vorbehalten blieben“

Es ist nicht einfach, aus diesen Perlen einen eindeutigen Stil zu destillieren. Ohne Frage wurde das „Muse“ von einer Muse geküsst, die viel herumgekommen ist.

Ein eindeutiger Stil schafft Klarheit, Stilmix kann verstören. Es sei denn, die Mischung stimmt. In den 174 Zimmern und Suiten findet der Gast unter anderem Roll-Top-Badewannen mit Klauenbeinen, venezianische Spiegel, Fußboden aus schwarzem Marmor, Toiletten-Artikel von Molton Brown und Shanghai Tang. Vor allem in den Suiten und im Paranim Penthouse (216 qm) wird es edel; die gedeckten Farben dominieren, ergänzt durch ein paar Pastelltöne.

Dining with Gangsters

Verglichen mit Bangkoks Hotel-Ikonen, ist das „Muse“ immer noch ein Newcomer. Frischlinge können nicht mit Tradition protzen. Aber auch geborgte Geschichte kommt gut rüber, wenn sie stimmig und mit Liebe zum Detail gespielt wird. In diesem Fall heißt die Anleihe „Chicago“ und ist knapp hundert Jahre alt. Familien machen daraus eine Motto-Party, Designer gestalten so Restaurants und Dachterrassen.

Babette’s The Steakhouse Bangkok, 19th Floor

DINING WITH GANGSTERS

Belebt werden soll der Glitzer der Prohibitionszeit in Chicago.

Da simmer dabei.

The Babette`s Steakhouse The Muse Bangkok (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Man muss sicher nicht hundert Jahre zurück und nach Chicago reisen, um in Bangkok passende Protagonisten für ein Abendessen mit Gangstern zu finden. In Thailands Hauptstadt spielen viele realistische Thriller, aber keiner der Helden hat es zur global bekannten Ikone geschafft wie Al Capone, in dessen Dunstkreis ich nun bei gedämpftem Licht die Wahl habe unter folgenden Gerichten (Vegetarier und erst recht Veganer können dieses Kapitel gerne überspringen):

Steak with a view

Japan
Wagyu Steak von Myazaki
Australien
Sher Wagyu – von der vielfach ausgezeichneten Familie Sher in Australien, die alle Schritte der Nahrungskette kontrolliert
Jack`s Creek Black Angus
USA
St. Helens Bloack Angus Rindfleisch

Classics
Spare Ribs vom Schwein
Jack`s Creek Black Angus Striploin mit Lobster Gratin überbacken

In Erwartung meines Black Angus‘ versuche ich, mich in das Motto einzufühlen: Abendessen mit Mobstern. Eine begabte Thai hilft mir dabei, sie singt in angenehmer Lautstärke Jazz-Klassiker im Chicago Style. Doch meine Fantasie versagt beim Versuch, mir an den Nebentischen Mafiosi in Nadelstreifen vorzustellen, die ihren letzten Coup durchkauen. Ich sehe nur turtelnde Pärchen, schweigsame Ehepaare und Kinder, die die Tischsitten schon prima beherrschen, aber eines natürlich nicht: still zu sitzen. Der Service ist aufmerksam, kenntnisreich. Und offensiv herzlich – Thai halt und freundlicherweise nicht Chicago.

Den Absacker gibt´s ganz oben

The Muse, Speakeasy (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Das „Speakeasy“ im 24. und 25. Stock zählt zur Stammbesetzung der Top 20 unter Bangkoks Rooftop Bars. Von den vielen Cocktails, an die man sich auch am nächsten Tag noch gerne erinnern würde, sei an erster Stelle der Bathtub Gin erwähnt, der Badewannen-Gin aus 13 ausgewählten Premium Gins und drei Sorten Tonic. Profis empfehlen den Sazerac 1838 – angeblich der weltweit erste Cocktail – gemixt aus Jack Daniels, Absinth und Bitter.

Da oben auf dem Dach habe ich mich, auf und über die Stadt schauend, wieder in Bangkok verliebt. Ein Gefühl, das gegen Ende meiner vier Lebensjahre dort in Lärm und Hektik zu ersticken drohte. Eins hat sich jedoch seit dem ersten Tag nicht geändert: Bangkok ist ein Lebensgefühl, und wer es erfahren will, muss herkommen.

Fotos: B. Linnhoff, Homepage The Muse, Starlight VIP, Hiclasssociety, Big Chilli 

Auch eine Einstimmung: Virtuelle Video-Tour durchs Hotel:

Hotel Muse Bangkok Langsuan
Mitglied der M Gallery Collection
55/555 Langsuan Road, Lumpine
Pathumwan, 10330 Bangkok
BTS/Skytrain-Station: Chidlom
T: +66 2 630-4000

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