Das Zimmer kostete mal 100 Baht

Auch Legenden wollen alt werden, aber nicht alt sein. Und schon gar nicht alt aussehen.
18 Millionen US-Dollar kostete die Renovierung der Autoren- und Garten-Flügel; das Hotel Mandarin Oriental in Bangkok feierte 2016 seinen 140. Geburtstag frisch geliftet. Nur soviel zum Legenden-Status: Das noble Haus am Ufer des Chao Praya wurde zehn Mal zum besten Hotel der Welt gekürt.

Als ich noch als Urlauber nach Bangkok kam, führte mich mein erster Weg stets zur Veranda des Oriental: Bangkok einsaugen bei einem Capuccino oder einem Thaijito. Denn Thailands Hauptstadt ist am Wasser geboren. (Der Thaijito hingegen an den Ufern des Mekong, siehe Zutaten: Mekhong Thai Rum, Brown Sugar, Fresh Lemongrass, Fresh Lime, Fresh Ginger – und ab dafür.)
Ab 2008 lebte ich in Bangkok. Da trieb ich mich ab und an im Autorenflügel herum, für einen überhaupt nicht gestellten Schnappschuss zum Beispiel.

In der Regenzeit kann es auf der Veranda auch mal glitschig werden.
Warum kein anderes Hotel auch nur annähernd soviel Lorbeer erntete wie das Oriental, beschrieb der renommierte Hoteltester Heinz Horrmann 2015 für die „Welt“ unter der Überschrift „Asiatischer Stil und deutsche Disziplin„. Horrmann lobte u. a. die Qualität der diversen Restaurants – auch mein Favorit ist die „River Terrace“.

Von draußen: Nun ja – Der Service: Weltklasse

In der Außenarchitektur, so befand Bangkok-Liebhaber Roger Willemsen augenzwinkernd, spielt der Oriental-Komplex auf Augenhöhe mit einem Gewerkschaftsheim. Zumal das zweistöckige Ur-Oriental, 1876 eröffnet, vom Fluss aus kaum zu sehen ist. Doch für den Erfolg der noblen Herberge sind nicht äußere, sondern innere Werte verantwortlich. Kein anderes Haus bietet, auch im internationalen Vergleich, einen ähnlichen Service wie das Oriental. Jeder Gast fühlt sich wie ein VIP.

Große Geschichten, große Geschichte

Ms. Ankana Kalantananda ist nun 96 Jahre alt und hat immer noch ein Büro in dem Hotel, in dem sie seit 1947 arbeitet. Damals kostete das Zimmer 100 Baht die Nacht, das Abendessen 20. Sechs Investoren brachten damals je 250 US-Dollar auf, um das Hotel zu kaufen, zu restaurieren und wieder an den Start zu bringen.


Das allererste Hotel in Thailand sorgte schon früh für Aufsehen, mit einem französischen Küchenchef und moderne Toiletten. Große Erzähler, berühmte Darsteller und bildende Künstler wohnten nach dem Zweiten Weltkrieg im Oriental und mehrten den Ruhm des Hauses. Thailands Königshaus ging ein und aus. So prägten Prominenz und Intelligenz das Image des Hotels als luxuriöse Wiege des Geistes und des kulturellen Austauschs.
Graham Greene: Ich fühle mich geehrt. Obwohl…

„Ich fühle mich sehr geehrt, nun eine Graham Greene Suite im Oriental zu haben“, schrieb der Schriftsteller, in den Fünfzigerjahren Kriegsreporter in Indochina, dreißig Jahre später an das Hotel, „obwohl es abends wegen der Moskitos unmöglich war, draußen zu sitzen. Und Zimmer mit Bad bedeutete, dass auf dem Balkon ein Fass mit Wasser stand und ein Eimer, um mir das Wasser über den Körper zu schütten.“
Das Ur-Oriental mutierte schon vor langer Zeit zum Autoren-Flügel, wo die Suiten und Lounges die Erinnerung an prominente Besucher bewahren: Greene, Somerset Maugham, William Golding („Herr der Fliegen“), James-Bond-Erfinder Ian Fleming, Joseph Conrad.
So beschwört das Oriental trotz Modernisierung und verdienter fünf Sterne letztlich die Vergangenheit. Das historische Flair, den Markenkern des Hotels. Doch taugt der für die Zukunft?

Wenn sich die Instagram-Millennials-Generation ein Grandhotel leisten kann, wird sie dann mit den Namen Coward oder Michener mehr anfangen können als mit Karl dem Großen? Warum promotet das Hotel nicht andere berühmte Gäste, die im öffentlichen Bewusstsein noch heute präsent sind? David Beckham und Mick Jagger zum Beispiel, Mel Gibson, Václav Havel, Niki Lauda, Pelé, Diana, Princess of Wales and Prince Charles, Michael Jackson.

Vielleicht sind es die nun reiselustigen, oft auch zahlungskräftigen Chinesen (und ihre Frauen), die den Luxushotels Zukunft kaufen. Individualität und eigenen Geschmack durften sie lange nicht entwickeln in ihrer Heimat. So wachsen Selbstsicherheit, Bestätigung, Zugehörigkeitsgefühl über prominente Marken und hohe Preise. Noch.
Kein Abenteuer, nirgends
„Ich hoffe, dass sich der Charakter des Hotels trotz all der Modernsierungen nicht verändert hat“, schreibt Graham Greene weiter in seinem Brief, „und dass es ein Hotel bleibt, in dem alles passieren und wo man fast jeden treffen könnte, vom einfachen Autor bis zum internationalen Gauner auf der Durchreise.“
Mir gefiele diese Bandbreite. Die heutige Zeit aber verlangt auch von Legenden politische Korrektheit. Kein Platz mehr für Abenteuer, für Verruchtes. Das Image muss nicht nur weiß sein, sondern rein.

Mein Freund Gerd „Huppi“ Huppertz wohnte 49mal im Oriental, da kann er was erzählen:
Huppi im Oriental: Happy to be back home again!
Und noch ein paar Beiträge in meinem Blog zum Thema „Heritage Hotels“ – Hotels, die Geschichte und Geschichten geschrieben haben und als Bewahrer von Traditionen die Zukunft angehen:
Habe ab 1974 einige mal auf Dienstreise dort gewohnt.
Hallo Peter, die Zeit hätte ich auch gerne erlebt. Danke für dein Feedback!
Sehr guter Bericht!
Ein Kaffee auf der Terrasse ist fast schon ein muss, wie ein Besuch auf dem chatuchak weekend market oder ein Abend auf der Soi Lübeck ;-)
War immer gerne im Oriental!
Bernd, du hast die Bamboo Bar nicht erwähnt, ist ebenfalls legendär ;-)
Timo, ich habe einiges nicht erwähnt. Bei den Beiträgen für meinen Blog habe ich gelernt, mich kürzer zu fassen als ich es eigentlich möchte. Weil dann die Reaktionen und Zugriffe intensiver sind. Zudem folgt zum Thema Oriental noch ein weiterer Beitrag eines Freundes, der seit mehr als 30 Jahren dort übernachtet.
Hallo Timo.
Was ist denn die Soi Lübeck?
Lebe seit 13 jahren in Bangkok, davon habe ich noch nie gehört…
Mat
Einzigartig – heute oder vor 35 Jahren zur 200 Jahrfeier. Hatte auch die Ehre und das Vergnügen Khun Ankana kennenzulernen, wobei solche Persönlichkeiten den gesamten Stil eines Hauses zeigen und pflegen!
SAWASDEE KRAP * Norbert Schmelter
Danke für Deinen Kommentar, Norbert!