Mit Kipling fing alles an
1. Einstimmung
Mythos Mandalay. Rudyard Kipling, der britische Autor, hat ihn “erfunden”. Viele haben sich nach ihm einen Reim auf diesen Ort gemacht. Wir wollten selbst wissen, was diese sagenumwobene Stadt ausmacht. Logistisch keine große Sache. Mandalay, gelegen im Zentrum des heutigen Myanmar, läuft für uns unter Nachbarschaft – die Stadt ist gerade mal anderthalb Flugstunden entfernt von unserem Wohnort Chiang Mai im Norden Thailands.
Es heißt: Wenn du dich entscheiden musst zwischen Legende und Wahrheit – nimm die Legende. Und wie die entstand, steht hier:
Mythos Mandalay:
Oft besungen – keiner war da
Mingalabar Mandalay!
Hallo Mandalay!
Unser Guide: Zaw Zaw
Ein Freund in Yangon empfahl uns diesen Guide für Mandalay: Zaw Zaw holte uns am Flughafen ab, begleitete uns in einer so sympathischen und kenntnisreichen Art, dass wir den Familienvater aus Überzeugung gerne weiterempfehlen: zawzaw21@gmail.com!
Die 35-Kilometer-Fahrt vom Flughafen ins Zentrum von Mandalay dauert knapp eine Stunde.
2. Das spirituelle Herz Myanmars
In harten Zeiten brauchen die Menschen etwas, woran sie glauben können. Einen spirituellen Anker. Buddhas Lehren zum Beispiel. Die Hälfte aller burmesischen Mönche residiert in Mandalay und Umgebung. Uns hat nicht nur die schiere Anzahl der buddhistischen Monumente (mehr als 700) erschlagen, sondern auch ihre Architektur – an diesen so lebendigen Orten ist Mandalay schön und einzigartig.
In Deutschland fragte ich mich nie, wie die Holzschnitzer dem gekreuzigten Jesus eigentlich das Leiden ins Antlitz kerben. Bei der Wahl zwischen Qual und Gelassenheit liegt mir Buddhas Lehre näher als die christliche. Gott verlangt Gehorsam, Buddha Bewusstsein. Daher habe ich mich in den Tempeln Südostasiens oft gefragt: Wer zaubert dem Buddha diese Güte ins Antlitz und diese Gelassenheit? Jetzt weiß ich es, ich hab sie gesehen. Dazu der Link:
Die Buddha-Schleifer von Mandalay
3. Mandalay heute
Seit der politischen Öffnung Myanmars 2011 stieg die Zahl der Touristen zunächst enorm. Doch da sich bald schon herausstellte, dass die Macht weiterhin beim Militär liegt und Burmas Ikone Aung San Suu Kyi seit ihrem Wahlsieg 2015 manche Hoffnung ihrer Landsleute enttäuschte, drückten Skepsis und internationale Kritik auf die Besucherzahlen. Neben Yangon (früher Rangoon), Bagan und dem Inle-See ist Mandalay das populärste Reiseziel.
Mandalay verändert sich, erzählten uns die Einheimischen. Optisch und auch atmosphärisch, durch den Zuzug vieler chinesischer Investoren und Arbeiter. Uns fehlte der Vergleich zu früher – wir waren zum ersten Mal in der zweitgrößten Stadt des Landes (1,5 Millionen Einwohner).
Wir kamen, ungeachtet der steinernen Zeugen glorreicher Vergangenheit, in eine umtriebige und quirlige Stadt. Ihre Bewohner müssen mehrheitlich um ihren Lebensunterhalt kämpfen, denn 50 Jahre Militärdiktatur bescherten nur wenigen Auserwählten Wohlstand, dem Rest hingegen Armut. Doch immer noch gilt: Nirgends bist du dem alten Burma so nahe wie in Mandalay. Weil hier die Traditionen gelebtes Vermächtnis sind: Tanz, Musik, Drama, Kunst und Kunsthandwerk.
Manches sieht so alt aus, als stamme es aus dem Mittelalter unserer Zeitrechnung. Doch Mandalay wurde erst 1857 gegründet und war die letzte Hauptstadt des birmanischen Königreichs. Offizieller Name: Yadanabon.
Auf Alt-Pali hieß die Stadt Ratana Bon, doch die Bürger nannten sie ganz einfach Mandalay. Schön ist sie nur hier und da, aber spannend und immer wieder überraschend. Burmas spirituelles Zentrum lebt im Heute und pflegt sein reales historisches und buddhistisches Erbe. Das ist des Sehens würdig und eine wichtige Einnahmequelle.
An manchen Stellen hat Mandalay rasend schnell den Sprung in die Moderne geschafft – mit gut bestückten Supermärkten, edlen Restaurants, bei der Bereitstellung von Motorrollern und ATM-Geldautomaten, an denen man die einheimischen Kyats ziehen kann. Noch vor wenigen Jahren war dies ein so dringlicher wie vergeblicher Wunsch, wenn man nicht genügend frisch gewaschene und gebügelte Dollars in der Tasche hatte; andere wurden beim Tausch gegen Kyats nicht akzeptiert.
4. Das Leben in der Stadt am Ayeyarwady
5. Das reine Glück des Reisenden
Fotos: Kesorn Chaisan
Es war einer dieser Momente, die du nicht planen kannst. In der Kuthodaw-Pagode wollte ich einen alten Mann filmen, der seine Katzen fütterte. Einige Kinder schauten gebannt zu und wenig später noch gebannter auf den Bildschirm meines Handys. Denn da sahen sie sich selbst. Ein Gefühl wie Weihnachten: Ihr Kinderlein kommet – erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier.
Vielleicht gibt es das derzeit nur in Myanmar: Die direkte Begegnung mit der jüngsten Generation in einem alten Bauwerk.
6. Der erste Schritt: Ab ins Hotel
Mit der Wahl des Hotels beginnt jede Reise. Mandalay bietet dem Besucher inzwischen etwa 150 Unterkünfte aller Preisklassen zur Auswahl an. Das ist nicht viel im Vergleich zu Destinationen in benachbarten Ländern. Doch Myanmars touristische Infrastruktur hinkt der vergleichweise schnellen Öffnung des Landes seit 2011 noch immer hinterher. Hier einige Empfehlungen in unserem Hotelreport:
Hotelreport Mandalay: Bagan ist King
7. Das Highlight…
…genossen wir unter einer Brücke am Stadtrand. Diese Brücke hatte uns nach Mandalay gelockt, und das ist die Geschichte dazu:
U Bein: Sonnenuntergang in Teak
8. 48 Stunden in Mandalay
Zwei Tage in einer Stadt können zu lang sein oder zu kurz – in Mandalay sind die Entfernungen nicht so groß, so konnten wir einiges reinpacken in unsere
48 Stunden in der Stadt am Irrawaddy
9. Was bleibt von Mandalay?
Wir fuhren, wie man das so macht, von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit. Die kennen wir nun. Und sonst? Erweitert Reisen wirklich den Horizont?
Jeder Trip ist erst einmal ein Abgleich der eigenen Erwartungen mit der Realität. Es reicht ein Regenguss zur falschen Zeit, und schon ist ein wunderschöner Tempel nur noch nass und trist und verpasst die Qualifikation für ein Häppchen Ewigkeit auf Instagram.
Mimi nannte er sich. Er mochte 18 oder 19 Jahre jung sein. Wir hatten ihn nicht darum gebeten, aber er begleitete uns wie selbstverständlich als Guide in Mingun. “Woher seid ihr”, fragte er in nahezu fließendem Englisch. “Toey kommt aus Thailand, ich aus Deutschland”, antwortete ich. Fortan sprach er mit meiner Frau Thai; mich fragte er auf Deutsch: “Wie ist dein Name?” Ein erstaunlicher Kerl, dieser Schlaks, in seiner Haltung der sprichwörtliche Schluck Wasser in der Kurve. “Ich liebe Sprachen”, sagte er, “ich nutze jede Gelegenheit, mit Fremden zu üben.”
Während unserer Fahrten mit dem Van habe ich oft aus dem Fenster geschaut. Denn das Leben der Burmesen und ihr Alltag finden in den Räumen zwischen den Sehenswürdigkeiten statt. Mandalays Alltag hat mit der Brücke U Bein nur wenig mehr zu tun als der Eiffelturm mit dem Leben der Pariser.
Was für ein Leben führen die Burmesen hier? Wir haben sie, mit der Hilfe unserer Führer, danach gefragt. Die meisten erhoffen sich ganz einfach das, was wir Lebensstandard nennen. Eine wohnliche Unterkunft zum Beispiel und weniger Stromausfälle. Wenn die Kartoffelpreise steigen, interessiert das die Einheimischen mehr als das internationale Image von Aung San Suu Kyi.
Was wussten wir von unserem Guide U Win, der seinen Kollegen Zsaw Zsaw nach dem ersten Tag ersetzte? Der Rückflug nach Chiang Mai stand an, U Win fuhr uns zum Flughafen. Links der Schnellstraße, in etwa zwei Kilometern Entfernung, stieg Rauch auf über Dächern. Wo Rauch, da Feuer, dachte U Win und griff nach seinem Handy. Ein kurzes Telefonat, dann entspannten sich seine Gesichtszüge.
“Ist was passiert?”, fragen wir. “Es brennt dahinten, aber wohl nicht in unserer neuen Siedlung. Ich habe dort gerade mit meiner Frau ein Haus bezogen.” So erfuhren wir zumindest, dass er verheiratet war und stolzer Hausbesitzer. Was wir als Indiz dafür werteten, dass der Tourismus seinen Mann ernähren kann.
Ausbildung und Infrastruktur werden in Myanmar noch Zeit brauchen, um genügend fähige Arbeitskräfte und eine profitable, nachhaltige Wirtschaft zu ermöglichen. Wobei offen bleibt, ob eventuelle Profite bei denen landen, die sie am nötigsten brauchen. Vielleicht sind es Menschen wie Mimi, die das Land voranbringen werden. Mit ihrem Ehrgeiz, ihrer Eigenmotivation, ihrer Intelligenz und ihrem liebenswürdigen Wesen.
10. Die besten Links zu Mandalay
“Wo das spirituelle Herz Myanmars schlägt”: Reiseautor Volker Klinkmüller hat für das Magazin “Der Farang” ein ausführliches, atmosphärisch dichtes und treffendes Porträt mit praktischen Tipps verfasst
Für Individualreisende ideal ist das erste Online-Reiseportal Myanmars, auf dem man Flüge, Touren, Mietwagen und Unterkünfte buchen kann: Fly Ma
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22 Places: Tipps für Mandalay
Restaurant in Mandalay:
Aye Myit Tar – dort laden die Kellner gerne zehn unterschiedliche burmesische Speisen auf den Tisch
Auswärtiges Amt: Reise- und Sicherheitshinweise
Buch-Tipp: “Der Glaspalast” von Amitav Ghosh spielt weitgehend in Mandalay