Als Amateur unterwegs im Kunstbetrieb

“Alles ist Kunst, solange man damit durchkommt” (Marshall MacLuhan)
Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Am Anfang war das Wort, nicht das Bild. Liegt es daran, dass auf Vernissagen mehr geredet als geschaut wird? Aber Ausstellungseröffnungen sind immer auch Anlass zur intensiven Kommunikation, nicht nur über die gezeigten Exponate. Ich war auf dem Weg zu einer Vernissage in Vientiane. Die i:cat Gallery in der laotischen Hauptstadt ist das, was man eine kreative Drehscheibe nennt. Seit 2009 Anlaufstelle und eben Kommunikationszentrum für Künstler und Kunstliebhaber, für Laoten und Ausländer, Residenten und Durchreisende.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Bilder einer Ausstellung: Hoffnungsvolle laotische Kunstler zeigten ihre Werke. Talente gibt es in jedem Land, doch sie brauchen Plattformen, überall. Der Australierin Catherine O’Brien gebührt das Verdienst, in Vientiane Künstler und Kunden unter einem Dach zu vereinen. Getragen von einer großen Portion Idealismus, geerdet in der pragmatischen Unterstützung kreativer Talente und wohl wissend, dass der Betrieb einer Galerie in Vientiane kein Selbstläufer ist.

Unermüdlich: Catherine O`Brien (Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Mein Einstieg: Flucht

Jeder Galeriebesuch ist für mich auch ein Trip zurück in die Schulzeit – ich vergesse einfach nicht, was ich schon früh zum Thema Kunst gelernt hatte.

Im Unterricht auf dem Gymnasium drückte uns Kunstlehrer Buck handgroße Stücke Knetmasse in die Finger, auf dass wir sie zu Form und Leben erweckten. Von keiner Muse auch nur angehaucht, geschweige denn geküsst, knetete ich lustlos vor mich hin, bohrte links unten ein Loch hinein und begnügte mich oben rechts mit leichtem Daumendruck, was eine sanfte Delle hinterließ. Buck nahm mir die Knete aus der Hand, hielt sie hoch, drehte sie hin, drehte sie her und schmetterte ein einziges Wort in die erstaunte Klasse: FLUCHT! Das Stück Knetmasse war noch erstaunter als ich.

Seitdem weiß ich, wie der Kunstbetrieb funktioniert.

Ein paar Jahre später, in meiner Lüdenscheider Phase als Redaktionsvolontär und Fußballer, besuchte ich erstmals Vernisssagen lokaler und regionaler Künstler. Mit vielen Galeriegästen in aller Welt teile ich lebendiges Kunstinteresse bei gleichzeitiger, vollständiger Ahnungslosigkeit.

Der Künstler vor seinem Werk (Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Hingegen erliege ich nicht der Gefahr, anwesenden Künstlern seine Bilder zu erklären. Oder eine Interpretation zu entlocken. “Was haben Sie sich dabei gedacht”, ist eine der beliebteren Fragen. “Das, was Sie sehen”, ist die richtige Antwort, aber vielleicht zu schroff angesichts der Ausgangslage: Der Künstler will verkaufen. Der Interessent hingegen will vor dem Bezahlen verstehen. Also antwortet der Künstler: “Eine gute Frage. Sehr komplex. Wie entsteht ein Bild? Vielleicht ist es eine Mischung aus Inspiration, Unterbewusstsein und Biografie.” Gut gelöst. Der Gast weiß zwar immer noch nicht, was sich der Künstler bei einem Werk gedacht hat. Doch er hat nun eine Ahnung. Und kauft. Vielleicht.

Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff

Besonders interessant wurde es beim Reinhorchen in fremde Gespräche immer dann, wenn ein potentieller Käufer den Maler oder Bildhauer fragte, wie er gerade auf diesen Preis käme. 2.850 Euro zum Beispiel. Die Antwort eines möglicherweise genervten Künstlers, nennen wir ihn Lutz, habe ich noch heute im Ohr: “Drei mal drei ist Donnerstag, Länge mal Breite plus Datum.” Worauf der Fragende erwiderte: “So habe ich das noch nie gesehen.” Da dachte ich mit Reinhard Mey: Es ist Zeit für mich zu gehen.

Ein Boom aus dem Nichts

Die Galerie der Moderne heißt Instagram. In der Anfangszeit des Mediums wuchs die Zahl der Künstler exponential, gerade auch die der Maler. Den Schreibwaren-Geschäften gingen schon die Buntstifte aus. Ein Boom aus dem Nichts: Ausmalbücher für Erwachsene eroberten die Bestsellerlisten weltweit. “Die Käufer sind absolute Mal- und Zeichenanfänger, die ihre Kunstwerke anschließend auch gern auf Instagram zeigen” heißt es dazu in einem dpa-Bericht von Teresa Tropf – wenn das kein Künstlername ist!

Meine drei Kriterien

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Meine Ahnungslosigkeit empfand ich lange Zeit als hinderlich, auch ich wollte Kunst verstehen. So habe ich damals einiges über William Turner gelesen. Das ist der Maler, der in seinen Bildern soviel Pech mit dem Wetter hat. Aber ob Gewitterfront oder Abendsonne: Turners Licht ist der Streich eines Genies. Um das zu spüren, brauche ich keine Fachliteratur. Und ein bisschen Geheimnis ist Teil der Faszination. Nun gibt es für mich nur noch drei Kriterien: Gefällt mir, sagt mir nix, gefällt mir nicht. Die Welt ist unübersichtlich genug.

Dämmerung in Vientiane (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

An diesem frühen Abend, an dem die scheidende Sonne Vientiane in zartes Blassrosa tauchte, gefiel mir manches Bild. Die Künstler genossen die Gespräche, vor allem die Gespräche mit Ausländern, die andere Perspektiven einbringen konnten als die gewohnten, und sei es nur durch die Fragen.

Für begabte Künstler in Laos scheint es noch schwieriger zu sein als im Westen, von ihrer Kunst, von ihrer Leidenschaft leben zu können. Dafür braucht es die, die sich ein Bild leisten können. Auch die Amateure, die, anders als die Experten, ein Werk nicht erklären können. Aber lieben.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

i:cat Gallery: www.facebook.com/icatgallery

Tel: +856-20-7783 9674

Catherine, wie kam es zum Namen i:cat?

Catherine O`Brien: In Asien verkürzt man meinen Vornamen gerne zu ‘Cat’.  Und das ‘i’ ist die Abkürzung fürs englische ‘eye’, Auge.