Das Zimmer kostete mal 100 Baht

Es gab einmal eine Zeit, sie ist noch gar nicht so lange her, da bedeutete es für das Hotel Mandarin Oriental in Bangkok fast Routine, zur besten Nobelherberge der Welt gewählt zu werden. Es war die Ära des deutschen General Managers Kurt Wachtveitl. Nach ihm kamen die Jahre, in denen das Oriental trotz oder wegen seiner langen Historie vor der Frage stand: Wie retten wir unseren Status in die Moderne. Auch Legenden wollen alt werden, aber nicht alt sein. Und schon gar nicht alt aussehen.
18 Millionen US-Dollar kostete die Renovierung der Autoren- und Garten-Flügel; das Hotel Mandarin Oriental in Bangkok feierte 2016 seinen 140. Geburtstag frisch geliftet. Nur soviel zum Legenden-Status: Das noble Haus am Ufer des Chao Praya wurde zehn Mal zum besten Hotel der Welt gekürt.

Als ich noch als Urlauber nach Bangkok kam, führte mich mein erster Weg stets zur Veranda des Oriental: Bangkok einsaugen bei einem Capuccino oder einem Thaijito. Denn Thailands Hauptstadt ist am Wasser geboren. (Der Thaijito hingegen an den Ufern des Mekong, siehe Zutaten: Mekhong Thai Rum, Brown Sugar, Fresh Lemongrass, Fresh Lime, Fresh Ginger. Und ab dafür.)
Als ich in Bangkok lebte, zog es mich ab und an in den Autorenflügel, für einen überhaupt nicht gestellten Schnappschuss zum Beispiel.

In der Regenzeit kann es auf der Veranda auch mal glitschig werden.
Warum kein anderes Hotel auch nur annähernd soviel Lorbeer erntete wie das Oriental, beschrieb der renommierte Hoteltester Heinz Horrmann für die “Welt” unter der Überschrift “Asiatischer Stil und deutsche Disziplin“. Horrmann lobte u. a. die Qualität der diversen Restaurants – auch mein Favorit ist das “River Terrace”.

Von draußen: Nun ja – Der Service: Weltklasse

In der Außenarchitektur, so befand Bangkok-Liebhaber Roger Willemsen einmal augenzwinkernd, spielt der Oriental-Komplex auf Augenhöhe mit einem Gewerkschaftsheim. Zumal das zweistöckige Ur-Oriental, 1876 eröffnet, vom Fluss aus kaum zu sehen ist. Doch für den Erfolg der noblen Herberge sind nicht äußere, sondern innere Werte verantwortlich. Kein anderes Haus bietet, auch im internationalen Vergleich, einen ähnlichen Service wie das Oriental. Jeder Gast fühlt sich wie ein VIP.

Große Geschichten, große Geschichte

Ms. Ankana Kalantananda ist nun 96 Jahre alt und hat immer noch ein Büro in dem Hotel, in dem sie seit 1947 arbeitet. Damals kostete das Zimmer 100 Baht die Nacht, das Abendessen 20. Sechs Investoren brachten damals je 250 US-Dollar auf, um das Hotel zu kaufen, zu restaurieren und wieder an den Start zu bringen.


Das allererste Hotel in Thailand sorgte schon früh für Aufsehen, mit einem französischen Küchenchef und modernen Toiletten. Große Erzähler, berühmte Darsteller und bildende Künstler wohnten nach dem Zweiten Weltkrieg im Oriental und mehrten den Ruhm des Hauses. Thailands Königshaus ging ein und aus. So prägten Prominenz und Intelligenz das Image des Hotels als luxuriöse Wiege des Geistes und des kulturellen Austauschs.
Graham Greene: Ich fühle mich geehrt. Obwohl…

“Ich fühle mich sehr geehrt, nun eine Graham Greene Suite im Oriental zu haben”, schrieb der Schriftsteller, in den Fünfzigerjahren Kriegsreporter in Indochina, dreißig Jahre später an das Hotel, “obwohl es abends wegen der Moskitos unmöglich war, draußen zu sitzen. Und Zimmer mit Bad bedeutete, dass auf dem Balkon ein Fass mit Wasser stand und ein Eimer, um mir das Wasser über den Körper zu schütten.”
Das Ur-Oriental mutierte schon vor langer Zeit zum Autoren-Flügel, wo die Suiten und Lounges die Erinnerung an prominente Besucher bewahren: Greene, Somerset Maugham, William Golding (“Herr der Fliegen”), James-Bond-Erfinder Ian Fleming, Joseph Conrad.
So beschwörte das Oriental trotz Modernisierung und verdienter fünf Sterne letztlich die Vergangenheit. Das historische Flair, den Markenkern des Hotels. Doch taugte der für die Zukunft?

Wenn sich die Instagram-Millennials-Generation ein Grandhotel leisten kann, wird sie dann mit den Namen Coward oder Michener so viel oder noch weniger anfangen können als mit Karl dem Großen? Sollte das Hotel nicht besser berühmte Gäste promoten, die im öffentlichen Bewusstsein immer noch präsent sind? David Beckham und Mick Jagger zum Beispiel, Richard Gere oder Michelle Yeoh?
Werden es die nun reiselustigen, oft auch zahlungskräftigen Chinesen (und ihre Frauen) sein, die den Luxushotels Zukunft kaufen? Individualität und eigenen Geschmack durften sie lange nicht entwickeln in ihrer Heimat. So wachsen Selbstsicherheit, Bestätigung, Zugehörigkeitsgefühl über prominente Marken und hohe Preise. Noch.
Kein Abenteuer, nirgends
“Ich hoffe, dass sich der Charakter des Hotels trotz all der Modernsierungen nicht verändert hat”, schreibt Graham Greene weiter in seinem Brief, “und dass es ein Hotel bleibt, in dem alles passieren und wo man fast jeden treffen könnte, vom einfachen Autor bis zum internationalen Gauner auf der Durchreise.” Mir gefiele diese Bandbreite. Die heutige Zeit aber verlangt auch von Legenden politische Korrektheit. Kein Platz mehr für Abenteuer, für Verruchtes?
Unsere Sorge scheint unbegründet. Im September 2024 kürte der britische “Telegraph” das Mandarin Oriental zum Hotel Nr. 1 in der Welt. Glückwunsch! “Wir sehen uns belohnt für exzellenten Service über 148 Jahre”, verkündete das Hotel stolz, “für den höchsten Qualitätsstandard, den unsere Teams gesetzt haben, und für die Fähigkeit, denkwürdige Erinnerungen zu schaffen für unsere Gäste.”

Mein Freund Gerd “Huppi” Huppertz wohnte 49mal im Oriental, da kann er was erzählen:
Huppi im Oriental: Happy to be back home again!
Und noch ein paar Beiträge in meinem Blog zum Thema “Heritage Hotels” – Hotels, die Geschichte und Geschichten geschrieben haben und als Bewahrer von Traditionen die Zukunft angehen:
Kurt Wachtveitl, den ich persoenlich noch 2001 kennen gelernt habe, ist ja leider im Januar 2025 verstorben. Ueber 40 Jahre hat er das Oriental gepraegt, das immer wieder zur Nr. 1 in der Welt gewaehlt wurde.
Hallo,
im Januar 2024 hatten wir einen einwöchigen Zwischenstop in Bangkok. Mein großer Wunsch war es einmal das Oriental Bangkok zu besuchen. Der Tuktukfahrer bestand darauf uns bis vor den Eingang des Oriental zu fahren, was natürlich nicht „standesgemäß“ war.
Ich sprach den Doormen an und erklärte ihm dass ich gerne den Autorenflügel besichtigen würde, ich wäre ein großer Liebhaber der englischen Literatur und würde und anschließend gerne einen Drink auf der Terrasse nehmen. Er schaute mich und meine thailändische Frau etwas länger an und gab sein ok. (Es lag vielleicht auch daran dass wir nicht in Tanktop und Flipflops angelaufen kamen :-) )
Er sprach einige Sätze in sein Headphone und es erschien eine reizende junge Dame in Hoteluniform welche uns eine ausführliche Privatführung durch den Autorenflügel gab. Trotzdem mein Fotografenherz blutete verzichtete ich aus Gründen der Diskretion auf Fotos vom Tearoom um die dortigen Gäste nicht zu stören. Die Terrasse war leider geschlossen, es sah so aus als wäre sie schon länger nicht bewirtschaftet worden (?). Ein Doormen am Ausgang zur Terrasse bot uns an, als er von meiner Frau erfuhr dass unser Hotel am anderen Flussufer lag, uns mit der hauseigenen Dschunke hinüber zu fahren. Uns hat die freundliche Art des gesamten Personals sehr beeindruck zumal wir ja keine Hausgäste waren.
Danke, Ulrich, für deinen Kommentar! An der Freundlichkeit der Hotel-Mitarbeiter hat sich nichts geändert.
Ich hatte 2001 das grosseGlueck, einen Tag im im Restaurationsbereich ( incl der Kueche: damals ein Schweizer Kuechenchef) , aber auch im Hotel, zu verbringen.Beeidruckend waren damals die Gespraeche in der Kueche, bzw. die Liste der Kunden, die aus dieser Kueche taeglich beliefert wurden.
Viele jahre davor war ich ueber den Fluss geschippert worden, zu einem Folklore restaurant der Oriental, wo man das Abendessen im Liegen einnehmen konnte. Zur Unterhaltung wurde die traditionelle Thai Geschichte , in Tanz und Musik, geboten. Ich war tief beeindruckt.
Danke für deinen Kommentar, Wolfgang!
Früher war Alles besser …also Zurück in die Zukunft für das Oriental ! Mittlerweile kann ich mir kein Zimmer mehr dort leisten oder das Normandie , aber sonst hält sich alles im Rahmen . Ich persönlich finde es schade, dass die frühere grosse Terasse weichen musste , wo ich den einen oder anderen Singapur Sling in Traumqualität genossen habe und dabei zugesehen habe , wie die Eisfigur für das Abendbuffet aufgebaut wurde . Das für 1500 BHT geradezu ein Mega-Schnäppchen war für das was geboten wurde . Zumal zum Wechselkurs Mitte der 90er.
Immerhin konnte man zu der Zeit noch ein Standardzimmer für USD 170 buchen …war ein Erlebnis .
Danke für deinen Kommentar, Manuel! Ich kann alles nachvollziehen und bestätigen. Trotzdem freut mich die Auszeichnung für das Oriental, weil ich denke, dass es heute schwer ist, der Alten Dame der Hotellerie einen erfolgreichen Weg in die Zukunft zu weisen.
Gewohnt habe ich dort noch nie. Aber ans Mandarin Oriental habe ich trotzdem viele gute Erinnerungen: Afternoon Tee im Author’s Wing, Abendessen mit Freunden, Nächte in der Bamboo Bar… In der Lobby hat mal ein Freund das dort aufspielende Streichquartett ersucht, den Donauwalzer für mich zu spielen. Der Gedanke daran drückt mir immer noch ein paar Tränchen in die Augen.
Hallo Christian, die Geschichte mit dem Donauwalzer ist schön. Sie ist auch bezeichnend für das Hotel, dass sicherlich eine Brücke darstellt zwischen einer vergangenen Zeit und der Moderne.
Danke für Deinen Kommentar und herzliche Grüße aus Chiang Mai,
Bernd
Hallo Herr Linnhoff,
Danke für den sehr anschaulichen Bericht.
Gruß U.G.
Hallo Herr Gräf, freut mich, dass er Ihnen gefallen hat!
Ein sehr anschaulicher und informativer Bericht eines faszinierenden Hotels. Meine Frau und ich sind immer gerne auf einen Kaffee dort, wenn wir in Bangkok sein können. Wie Timo und du sagt, wunderschön auf der Terrasse am Fluss.
Habe ab 1974 einige mal auf Dienstreise dort gewohnt.
Hallo Peter, die Zeit hätte ich auch gerne erlebt. Danke für dein Feedback!
Sehr guter Bericht!
Ein Kaffee auf der Terrasse ist fast schon ein muss, wie ein Besuch auf dem chatuchak weekend market oder ein Abend auf der Soi Lübeck ;-)
War immer gerne im Oriental!
Bernd, du hast die Bamboo Bar nicht erwähnt, ist ebenfalls legendär ;-)
Timo, ich habe einiges nicht erwähnt. Bei den Beiträgen für meinen Blog habe ich gelernt, mich kürzer zu fassen als ich es eigentlich möchte. Weil dann die Reaktionen und Zugriffe intensiver sind. Zudem folgt zum Thema Oriental noch ein weiterer Beitrag eines Freundes, der seit mehr als 30 Jahren dort übernachtet.
Hallo Timo.
Was ist denn die Soi Lübeck?
Lebe seit 13 jahren in Bangkok, davon habe ich noch nie gehört…
Mat
Einzigartig – heute oder vor 35 Jahren zur 200 Jahrfeier. Hatte auch die Ehre und das Vergnügen Khun Ankana kennenzulernen, wobei solche Persönlichkeiten den gesamten Stil eines Hauses zeigen und pflegen!
SAWASDEE KRAP * Norbert Schmelter
Danke für Deinen Kommentar, Norbert!