Der Künstler hat Geschichte geschrieben in Thailand

Kressner und Künstler Kosit: Was für ein Buffett! (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Manchmal ist es eine gute Entscheidung, mit leerem Magen zu einem Kunstevent zu gehen. In der begründeten Hoffnung, dass die Veranstalter opulent auftischen. Auch Reini Kressner, Förderer der thailändischen Kunst, sorgt bei seinen Vernissagen stets für das leibliche Wohl seiner Gäste. Als ich mir gerade zwei zum Anbeißen gebratene Würstchen auf meinen Teller hieven will, eilt Reini heran: „Die sind nicht echt!“ Sondern Kunst. Wie das ganze, perfekt komponierte Buffet. Alles aus Plastik, bis ins kleinste Detail täuschend echt, womit wir schon fast beim Thema sind.

Vorweg aber mein eigenes kleines Œuvre: Selfie mit Pad Thai.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff hinten links

Im siebten Himmel

Worum ging es eigentlich am Valentinstag in der Ausstellung In Seventh Heaven (Im Siebten Himmel)? In Kressners privater Galerie HIGH HEAD Second Floor feierten wir den 30. Jahrestag einer höchst ungewöhnlichen Trauung: Am 14. Februar 1994 heiratete der Künstler Kosit Juntaratip in der First Church zu Chiang Mai die Sexpuppe Lily Ovary (Lily Eierstock), mit der er nun seit drei Jahrzehnten verheiratet ist.

Sie dürfen die Braut jetzt küssen

Beide Partner haben sich weiterentwickelt. Der seinerzeit 22 Jahre alte Kosit, nun also 52, ist heute ein renommierter, vielseitiger Künstler und Dozent. Lily ist zwar nach wie vor nicht wegzudenken aus seinem Leben, hat für sich jedoch einen neuen Platz gefunden: im Singapore Art Museum. Wir sehen: das Happening von 1994 blieb nicht ohne Folgen für Künstler und Werk. Josit hat (Kunst-)Geschichte geschrieben mit seiner Eheschließung.

Khun Juntaratip, der unter anderem an der Kunsthochschule für Medien in Köln studierte, war seiner Zeit oft voraus. Schon 1994 warnte er vor dem drohenden Plastik-Tsunami: Die Braut aus Plastik, das Buffet und auch die ein Meter hohe Hochzeitstorte mit dem winzigen Brautpaar on top – alles Plastik.

Falsches Lächeln, falsche Frau, falsches Essen. Falsche Liebe auch? „Was ist wahre Liebe?“, fragt der Künstler. „Er will“, fügt Kressner an, „anregen darüber nachzudenken, dass Liebe grenzenlos ist und weit über jede gesellschaftliche Konvention hinaus möglich sein sollte. Wenn es die Konzepte normal und anomal nicht gäbe, wäre die Welt vielleicht ein besserer Ort. Dieser Künstler hat eine Vision, steht zu dem, was er denkt und sagt und inspiriert viele junge Menschen, die noch auf der Suche nach ihrem Platz im Leben sind.“

So sieht es aus: Künstler werfen die großen Fragen auf und inspirieren, Kunstfreunde erkennen die suggestive Kraft der Werke, ihren rebellischen Charakter und ihre Visionen. Ich hingegen sehe Würstchen und Nudeln. Dennoch werde ich auch zur nächsten Ausstellung pilgern, dann aber mit vollem Magen.

Die Zeit steht nicht still. Nach der Sexpuppe findet die grenzenlose Liebe jetzt die nächste Option vor, eine digitale. Künstliche Intelligenz (AI – Artificial Intelligence) meldet sich zu Wort, reale Künstler sind nicht mehr zwingend nötig:

Auf Dream AI verspricht der Typus „Ruby Danger“ (18 Jahre alt, rote Haare, und ja, das steht da, Silikonbrüste), sie werde sich „verrückt“ verhalten. Und Romantic AI wirbt: „Hast du von der besten Freundin jemals geträumt? Bestimmt. Jetzt wartet sie an deinen Fingerspitzen!“ KI-Girls sind unkompliziert, verfügbar, geben keine Widerworte und dann diese Taille!