Keine Koffer, aber Karneval
Wayan dreht sich zur Rückbank um, schaut uns an und sagt: “Honeymoon!” Ausrufezeichen. “How do you know?”, frage ich. Seit 37 Jahren kutschiert Wayan Bali-Touristen von A nach B. “Erstens reist ihr als Paar”, antwortet er, “mit Kindern sind Flitterwochen unmöglich.” “Und zweitens?” “Ihr sprecht noch miteinander.”
“Und du bist das erste Kind deiner Eltern”, sage ich. “How you know?”, fragt er, nun seinerseits verblüfft. Wayan heißt “Der/Die Älteste”, wie ich bei einem früheren Aufenthalt über Namen auf Bali gelernt habe (“Coco Wayan und seine Made”).
“Der Älteste” hat mich mit dem Uralt-Trick der Touri-Arbeiter eingefangen – mit der vermeintlichen Kenntnis meiner Muttersprache. “Where are you from?”, sprach er mich von der Seite an in den Straßen Denpasars. “Germany.” “Ach so”, sagte er auf Deutsch und grinste. Ich lachte. Und schon war er für den nächsten Tag gebucht. Außer “Ach so” beherrscht Wayan (links im Bild) noch “Danke” und “Guten Tag”.
Toeys erste Bilanz: So nicht!
Wir befinden uns also in Denpasar, der Inselhauptstadt. Ganz im Gegensatz zu unseren Koffern. Die ziehen Kuala Lumpur vor. Bei der dortigen Zwischenlandung haben wir mit Mühe den Anschlussflug nach Bali geschafft. Das Gepäck hingegen übernachtet gleich zweimal in Malaysias Hauptstadt.
Hohe Wellen, palmengesäumte Strände, weiße Schaumkronen im türkisblauen Meer, das Paradies auf Erden: Das alles ist Denpasar nicht. Stattdessen viel Verkehr, oft dicke Luft. Ein Ort fürs Business. Der Schreibtisch der Insel.
Unser Hotel “Inna Bali Heritage“, eine kleine Herberge im Kolonialstil mit freundlichem Personal, ist für 22 Euro pro Nacht eigentlich eine gute Wahl. Für Flitterwochen allerdings eher schlicht.
Falscher Ort, falsches Hotel, Wetter wolkig, Koffer weg: “Bali habe ich mir ganz anders vorgestellt”, sagt meine Frau am ersten Abend, “wann kommen wir zum Strand?” “Warte ab”, sage ich. “Wie lange?” “Eine Woche.”
Ganz Bali in einer Parade
Es gibt durchaus einen Grund, zunächst in der Hauptstadt zu bleiben: Wir treffen präzise zum Start des Bali Arts Festivals ein, alljährlich vier Wochen lang gefeiert auf der Insel. Die traditionelle Eröffnungsparade am Bajra Sandhi Denkmal hat was von Karneval am Rhein, nur die Kamelle fehlen.
Gruppen aus den acht balinesischen Provinzen und von diversen Nachbarinseln ziehen an uns vorbei. Gefeiert von den Einheimischen, die mit Kind und Kegel am Straßenrand stehen – Touristen sind eindeutig in der Minderheit.
Volles Haus im Taman Budaya
Zur offiziellen Eröffnung des Kunstfestivals erscheinen wir pünktlich um 19.45 im Bali Arts Centre, Taman Budaya geheißen in der Landessprache. Wie so oft kommen wir früh genug zu spät. Die 6000 Plätze des spektakulären Amphitheaters sind längst besetzt. So stehen wir auf Zehenspitzen auf einem Mauervorsprung am Rand und sehen wie unsere Nachbarn wenig bis nichts. Ein erschöpftes Kind setzt sich auf meine Füße und schläft ein; wenig später schlafen meine Füße auch.
Auf Bali ist nicht alles anders. Auch dort wird bei größeren Veranstaltungen erst einmal geredet. Des Langen und des Breiten. Das Publikum nimmt es gelassen. Nach den ersten traditionellen Tänzen verlassen wir das Theater; das müde Kind schläft inzwischen in den Armen seiner Mutter.
So langsam kommen wir an auf Bali, unsere Koffer dann irgendwann auch.
Für uns tanzt: Der BARONG
Der Barong ist ganz und gar Bali. Eine mythische Figur, die das Gute verkörpert und dem bekanntesten aller balinesischen Tänze den Namen gibt. Meist stellen zwei Männer mit Löwenmaske die Hauptfigur dar. Die Vorführung für Touristen soll sich, so heißt es, stark von den Tänzen für die Einheimischen unterscheiden. Obwohl diese den traditionellen Tanz keineswegs im Geheimen aufführen.
Nach balinesischer Auffassung, und sie erscheint mir weise, gehören Gut und Böse untrennbar zusammen. Daher gibt es im Kampf des Barong gegen die böse Hexe Rangda keinen Sieger.
Traditioneller Tanz mit sich windenden Bewegungen ist auf Bali schon für Kinder natürlicher Teil des Lebens wie Essen und Trinken. Wer mehr über die Handlung erfahren will, die sich von indischen Epen ableitet, ist hier richtig.
Videos: B. Linnhoff