Anfang September starb im Gefängnis in Kambodscha Kaing Guek Eav alias Duch. Unter seiner Aufsicht wurden zu Zeiten der Roten Khmer im Foltergefängnis S 21 mehr als 15000 Menschen gequält und getötet. Mehr dazu im Beitrag: Schaukasten des Grauens – das brutale Erbe der Roten Khmer. Lasst euch nicht vom Titelbild des Beitrags irritieren – es zeigt Bou Meng, einen von sieben Überlebenden im S 21, den ich persönlich kennenlernen durfte.
Bodo is back
Mitte der Woche hatte ich einen Termin in der Deutschen Botschaft, es war einer von diversen im bürokratischen Hindernislauf zu einer zivilrechtlich gültigen Eheschließung mit meiner Partnerin Toey. Zudem wollte ich, da ich schon einmal in Bangkok war, zwei Ausstellungen im River City Kunsthaus besuchen und Bodo Förster ein paar Bücher übergeben. Denn der Elefantenmann ist nach halbjährigem Zwangsaufenthalt in Deutschland zurück in Thailand.
Die derzeit gültige Vorschrift will es, dass jeder Einreisende in Thailand zunächst und auf eigene Kosten zwei Wochen zur Isolation und zum Testen in eines der ausgewiesenen Qurantänehotels geht. Ich hatte die Adresse des Hotels, nach einem ausgiebigen Snack mit Freund Disco auf der Terrasse des Mandarin Oriental Hotels zog ich zu Fuß los. Bei 35 Grad, aber bis zum Hotel konnte es nicht weit sein. Nach anderthalb Stunden und mit runden Füßen war ich mir da nicht mehr so sicher, der Tag war im Prinzip gelaufen. Nur mit viel Glück erreichte ich das Ziel doch noch, und da entstand das Bild von Quarantäne-Bodo auf einem Balkon im siebten Stock – es erinnerte Disco zurecht an die Bilder vom Anschlag der Palästiner bei den Olympischen Spielen in München.
Aus logistischen Gründen wählte ich in Bangkok ein kleines Hotel in Chinatown. In der Soi Nana – nicht zu verwechseln mit der Soi Nana und ihrem erotischen Vergnügungspark nahe der Sukhumvit Road. Das „103 Bed and Brews“ war noch ganz alte Schule, die Türen mit einem Vorhängeschloss gesichert und der Eingang ab 20 Uhr mit einem Gitter.
Zur Yaowarat Road mit Neonglanz und Trubel musste ich nur 200 Meter durch spärlich beleuchtete Verbindungsstraßen laufen, in denen die Inhaberinnen kleiner Garküchen am Abend Geschirr und Töpfe noch im Rinnstein waschen, die eine oder andere Ratte vertreiben und die Odachlosen, deren Zahl dank Corona wieder steigt, in Hauseingängen schlafen. So verdichtet, klingt das alles schlimmer als es ist – ich fühle mich in Chinatown stets gut aufgehoben.
Zurück in Chiang Mai
Unsere Bar musste erneut geschlossen werden, da sich die Tageseinnahmen teils auf einen Euro beliefen – dafür müssen nicht drei Personen acht Stunden Lebenszeit verschwenden. Chiang Mais Innenstadt scheint tagsüber auf halbem Wege zur Normalität und abends auf dem Weg zur Geisterstadt.
Noch immer gibt es keine verlässlichen Anzeichen, wann die Regierung dem wirtschaftlichen Druck nachgibt und die Grenzen zumindest vorsichtig wieder öffnet. Einzelfällen neuer Infektionen begegnet man nahezu panisch und eine zweite Welle befürchtend – verglichen mit den Zahlen in Deutschland oder gar Brasilien, den USA und Indien gab es nicht einmal eine erste. Dennoch ist es unverändert schwer, verantwortliche Entscheidungen zu treffen, und so durchleben wir – mit Ausnahme Bangkoks vielleicht – eine bleierne Zeit; den Begriff kennen viele aus einer anderen Zeit und mit anderem Hintergrund.
Dieser Tage war Freund Disco wieder in Chiang Mai – wir nutzten die Gelegenheit, auf unseren Motorrollern den Samoeng Loop zu absolvieren, eine knapp 100 Kilometer lange Schleife vor Chiang Mais Haustür. Landschaftlich ein Genuss, und Glück mit dem Wetter hatten wir auch.
Zuvor trafen wir uns mit unserem Freund Klaus-Dieter Spieckermann in Olaf Kujawas Restaurant Breakfastworld. “Spiecky” lebt seit fast 20 Jahren in Uttaradit, drei Fahrstunden von Chiang Mai entfernt.
Wer Disco kennt, weiß: Es handelt sich um einen sehr umtriebigen und kommunikativen Menschen. Als kürzlich in Bangkok eine Siebzigerjahre-Party stattfand, wurde er für seine gewissenhafte Vorbereitung belohnt: Er gewann den Preis für das beste Kostüm. Völlig verdient natürlich, nur durch die Brille war er von einer Discokugel zu unterscheiden.
Nachrichten aus Thailand und der Welt
Ich war immer ein Nachrichtenjunkie und zugleich erklärter Gegner jeder Verschwörungstheorie, dies vorweg.
Das Privatvermögen des Amazon-Eigners Jeff Bezos, schon vorher reichster Mann der Welt, ist nun auf 200 Milliarden US-Dollar gestiegen. Eine Milliarde sind 1000 Millionen. Bezos` Privatvermögen ist damit größer als das Bruttosozialprodukt von 129 Ländern.
Im Schweizer Onlinemagazin Republik hieß es am 8. September: „Dabei zeigt sich in der Schweiz, was auch in den USA zu beobachten ist: Die Vermögen der sieben reichsten Amerikaner – von Mark Zuckerberg bis Elon Musk – haben in der Corona-Krise um 219 Milliarden Dollar zugenommen. Gleichzeitig wurden innert einer Woche mehr als 6 Millionen US-Bürger arbeitslos, und 40 Millionen droht die Zwangsräumung.“
Ich neide weder Jeff Bezos noch Elon Musk oder Mark Zuckerberg auch nur einen Cent ihres Vermögens. Aber ich frage mich, ob Menschen, die in dieser Corona-Zeit in existenzielle Not geraten und von der Komplexität der Situation überfordert sind (wie gefährlich ist das Virus wirklich? Müssen die harten Maßnahmen sein, dank derer mir das Wasser bis zum Hals steht?), ob diese Menschen also in ihrer Verzweiflung vielleicht anfällig sind für die Theorie, dass sich die Reichen und die Mächtigen – sie sind heute fast deckungsgleich – gegen die weniger Begüterten verschworen haben.
Und die Republik stellt die Frage: „Wie abwegig ist angesichts dieser Entwicklung eine Sondersteuer für Krisengewinner? Letztmals, sagt die Ökonomin Isabel Martínez, seien die Vermögen vor dem Ersten Weltkrieg derart ungleich verteilt gewesen.“
Noch einmal: Eine Milliarde sind tausend Millionen. Eine Sondersteuer auf Pandemiegewinne scheint so illusorisch wie der Wille der Wohlhabenden, sagen wir zehn Prozent des Privatvermögens freiwillig für Menschen in Not zu spenden. Um den Hunger in der Welt zu bekämpfen oder die Kindersterblichkeit oder das Aussterben der Arten etc. In meiner schlichten Denke vermute ich, dass Jeff Bezos auch mit 180 Milliarden ordentlich über die Runden käme.
Das ist alles nicht so einfach, halten mir Menschen entgegen, mit denen ich über das Thema spreche. Nicht so einfach, viel Geld genau dahin zu dirigieren, wo es dringend fehlt. Das wundert mich in einer Zeit, wo ein Schuh in Kambodscha hergestellt, bei einem Onlineshop in Frankreich bestellt und in Wisconsin ausgeliefert werden kann.
In diesen Tagen klettern in Nordsumatra/Indonesien Schüler, einen Kilometer von ihrem Bergdorf entfernt, jeden Tag in Baumwipfel, um mit Glück ein starkes WiFi-Signal zu erwischen und so ihre Schulprüfungen online absolvieren zu können. In Chiang Mai stehen die Menschen wieder Schlange für Essbares. Auf dem Land in Indien steigt die Zahl der Selbstmorde aus wirtschaftlicher Not, ebenso in Thailand (plus 22 Prozent bei den Suizidzahlen im Vergleich zum Vorjahr).
Während Thailands Inlandstourismus bestenfalls schleppend in Gang kommt, weil den Einheimischen das Geld fehlt, fallen die Thais in der südlichen Provunz Nakon Si Thammarat in Scharen ein. Monatlich besuchen zwischen 300.000 und 400.000 Menschen den Tempel Wat Chedi im Bezirk Sichon, wo die Statue eines Jungen steht. Es ist Ai Khai (Eier Junge) – vermutlich der Geist eines Jungen, der die Wünsche der Menschen erfüllen kann. Es lohnt sich, diese schräge Geschichte (nach westlicher Auffassung) in ihren Details zu lesen.
In den nächsten Tagen entscheidet das Insolvenzgericht in Bangkok über das Schicksal des einstigen asiatischen Vorzeigefliegers Thai Airways. In Asien ist Korruption Teil des Systems, völlig unabhängig von der jeweils herrschenden politischen Macht. Wer sich darüber aufregt, verschwendet Zeit. Hin und wieder aber dürfen wir einen Blick hinter den Vorhang werfen, um die Dimensionen kennenzulernen. Zum Beispiel im Fall der bis vor Kurzem staatlichen Thai Airways. Ein Beispiel:
„Im Jahr 2019, als die Nettoverluste den Rekordwert von 12 Milliarden Baht erreichten, beliefen sich die Überstunden für Reparatur- und Wartungspersonal auf 2 Milliarden Baht, wobei einige Mitarbeiter mehr als 365 Tage im Jahr Überstunden leisteten. Der Mitarbeiter, der die meisten Überstunden meldete, beanspruchte 3.354 Stunden oder 419 Tage für 2,95 Millionen Baht bei einer jährlichen Obergrenze für Überstunden von 1.500 Stunden, obwohl sein Gehalt 73.203 Baht pro Monat betrug.“
Zum Abschluss ein paar Bilder der Kategorie “Ein bisschen Spaß muss sein”.