Als McCain vom Himmel fiel

In Hanoi gibt es 110 kleine und große Seen, über die ganze Stadt verteilt, 50 davon künstlich angelegt. Eine ziemlich feuchte Hauptstadt also. Die bekanntesten Seen sind der Hoan-Kiem-See nahe der Altstadt und der Westsee, nach beiden sind ganze Stadtteile benannt.

In seinem wunderbaren Buch „In Buddhas Gärten“ schildert der norwegische Autor Tor Farovik, wie der heutige US-Senator John McCain während des Vietnamkrieges über Hanoi abgeschossen wurde und mit seinem Fallschirm in einen der 110 Seen plumpste, den Truc Bach See unweit des Westsees. In diesem Moment hatte McCain bereits beide Arme gebrochen und weitere Verwundungen erlitten. Einige Vietnamesen wollten den Feind jedoch nicht elendig ersaufen sehen und zogen ihn aus dem Wasser.

Die Rettung
Die Rettung
Nixon
Nixon empfängt McCain

Anschließend prügelten sie ihn grün und blau und sperrten ihn ins berüchtige „Hanoi Hilton“,  wie das Hoa-Lo-Gefängnis ironisch genannt wurde. 1904 von den Franzosen erbaut, kam es nun amerikanischen Kriegsgefangenen zugute, deren Erlebnisse dem vietnamesischen Knastnamen (Hoa Lo = glühender Ofen) näher lagen als einem Aufenthalt in einem Fünf-Sterne-Hotel. Admiralssohn McCain blieb mehr als fünf Jahre dort, lehnte eine vorzeitige Freilassung ab und musste dafür mit Folter und lebenslangen körperlichen Behinderungen bezahlen.

Mc Cain
Mc Cain: Angenehme Gesellschaft?

Das ist die eine Version. In einer anderen wird McCain als „Singvogel“ bezeichnet. Als Informant der Nordvietnamesen, der nie gefoltert worden sei, sondern eher angenehme Umstände genossen habe.

(s. auch: BILD-Story vom 10. August 2014: Vom Kriegsgefangenen zum Vietnam-Touristen)

Ähnlich unterhaltsame Anekdoten hat der Hoan Kiem See, der See des zurückgegebenen Schwertes, nicht zu bieten oder sie sind mir nicht bekannt.  Am Tag eine der Oasen der Stadt, werden See und Umgebung des Nachts – wie so oft in Südostasien – magisch.

Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff

Einmal in der Woche wimmelt es am See von Brautpaaren. Ehen in Vietnam sind eine sehr formelle Affäre, meist von den Eltern arrangiert, aber die zügellose Jugend setzt inzwischen auch Liebesheiraten durch.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Im ersten Schritt vergleicht das zur Hochzeit ausersehene Paar Horoskope und Alter. Was hier nicht passt, wird weder jetzt noch später passend gemacht. Passt es jedoch, verloben sich die beiden. Danach legt ein Wahrsager den Hochzeitstermin fest. Das kann in zwei Tagen sein oder auch in zwei Jahren – es steht halt in den Sternen.

Warum sehen wir die Paare immer wieder sonntags? Der Strom zum Hoan-Kiem-See reißt nicht ab. Doch die Pärchen treffen sich nicht zur Eheschließung, sondern zum offiziellen Fototermin. Und der liegt, wie konnte ich es vergessen, in vielen asiatischen Ländern vor dem Hochzeitstermin, damit die fein aufbereiteten Bilder im Großformat und gerahmt bei der Hochzeitsfeier zu sehen sind. Manchmal sind die Fotos so intensiv retuschiert, dass Braut oder Bräutigam von Gästen schon mal gefragt werden: Wer ist eigentlich die Frau/der Mann da neben dir auf dem Bild?

Vietnamesen neigen zu direkten Fragen. Die Dame, die mir täglich eine Kappe mit Vietcong-Motiv anpries, fragte mich im Smalltalk als erstes nach meinem Alter. Das hatte ich zum Glück vergessen, zu lange her. Judy, eine Freundin von mir aus England und deftigen britischen Humor gewohnt, musste doch schlucken, als ein Vietnamese fragte: „Warum sind Sie so dick?“ Die Bemerkung „Da haben Sie aber einen hässlichen Mann!“ traf Gott sei Dank eine andere Frau. Solche Fragen und Ausrufe zeugen von persönlichem Interesse und sind nicht als Beleidigung gemeint. Als Reaktion aus der Haut zu fahren – das wäre eine Beleidigung.

Weitere Beiträge zu Hanoi im Blog:

Hanoi: Hupen für Onkel Ho
Hanoi: Dolce Vita in der Nacht