Die Sonne geht unter in Taling Ngam
Koh Samui, Koh Phangan, Koh Tao – drei Inseln, die drei Stationen meiner ersten Thailand-Reise 1994. Vier Wochen in einfachen Holzbungalows, Moskitos und Meer, meine ersten Thaimassagen am Lamai Beach, Full Moon Party auf Phangan, zum Abschluss das tropische Paradies Koh Tao, gerade erst erwachend. Der Trip sollte mein Leben verändern – es war Zuneigung auf den ersten Blick.
Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Schon damals war der Flughafen Visitenkarte und Eingangstor Samuis. Eröffnet 1989, preisgekrönt für Architektur und Umweltfreundlichkeit. In den Listen der schönsten Flughäfen der Welt mag er fehlen – für mich bleibt er die Nr. 1. Dazu mit seinem funktionalen und sensiblen Design perfekt in die Umgebung integriert – eine gelungene Einstimmung auf Urlaub oder Weiterreise nach Phangan.
Samui Airport gehört der Fluggesellschaft Bangkok Airways, sie besitzt auch das innerthailändische Monopol. Für den Profit ein genialer Schritt. Denn der Eigentümer bestimmt die Flugpreise und die liegen im Schnitt meist höher als in Thailand üblich. Mittlerweile stürzte sich die Fluglinie in ein weiteres Geschäftsfeld – ein Luxusresort auf Samui.
Gut 16 000 Besucher werden in guten Zeiten täglich komfortabel und schnell durch den Flughafen geschleust. Das wären 5,84 Millionen Menschen im Jahr. Anderen Statistiken zufolge reisten alljährlich “nur” 2, 3 Millionen Touristen an, deutlich weniger als die Hälfte. O Thailand, du Land des Lächelns und der Widersprüche. Zur Jahreswende 2019/20 klagte die Hotellerie gar über deutlich nachlassenden Zuspruch – 7 von 10 Betten auf Samui wurden als leer gemeldet. Und dann kam Covid-19…
Wirklich erstaunlich fand ich, dass 5000 Insulaner laut Auswertung von Krankenakten (vor Corona!) an Depressionen litten. Eine Nachricht, die nicht zu einem Tropenparadies passen will. Auch wenn die Menschen, die dort leben und arbeiten, das Eiland naturgemäß anders wahrnehmen als Urlauber in ihrer Leichtigkeit des Seins. An die wendet sich dieser Beitrag, basierend auf meinen Erfahrungen aus 25 Jahren und vielen Besuchen.
Am Flughafen scheiden sich die Geister und die Wege der Gäste. Wohin soll`s gehen? Mit vielen Gleichgesinnten zu den lebhaften Orten und Stränden Lamai und Chaweng im Osten? An die ebenfalls gut gebuchten, aber etwas ruhigeren Strände Bophut und Maenam im Norden? Oder die westliche Ringstraße runter in den entfernten Süden und Südwesten – auf die andere Seite von Samui?
Lamai Beach – damals und heute
1994, bei meinem allerersten Besuch, wohnte ich in Bill`s Bungalow am südlichen Ende des Lamai-Strandes; die Anlage gibt es heute noch, in Groß allerdings: Bill Resort.
In den folgenden Jahren kam ich immer wieder zurück nach Samui. Meist nach Lamai, mal nach Maenam, auch nach Chaweng. Genoss die Nächte in diversen Bars, im Reggae Pub und im Green Mango. Als mein 50. Geburtstag drohte, entzog ich mich einer großen Feier in der Heimat durch Flucht in den Fernen Osten. Am Lamai Beach regnete es dann eine Woche lang durch, nicht ungewöhnlich für November. Den Weg vom kleinen Strandbungalow zu einem italienischen Lokal konnte ich schwimmen. Meinen Geburtstag feierte ich mit den besten Spaghetti meines Lebens und der Live-Übertragung irgendeines Spiels von Juventus Turin.
Auf dem Heimweg geriet ich einen veritablen Taifun und mit viel Rückenwind unter das Dach einer Ladybar, wo das Wasser bereits, anders als die Röcke, die Knie der Damen bedeckte. Als Geschenk zu meinem Ehrentag erhielt ich von den Gastgeberinnen ein Kompliment, um das ein Mann in diesem Ambiente kaum herumkommt, unabhängig von Aussehen, Alter, Gewicht: “Handsome man!”
In Lamai war ich zuletzt für ein paar Stunden Anfang 2018. Ein Vergleich mit meinem ersten Besuch endet zwangsläufig in Schieflage. Mein Thailand jedenfalls kommt nur noch in Versatzstücken vor.
So wechselte ich eines Tages vom Inselosten Richtung (Süd)West. Und entdeckte ein Samui, das ich nicht mehr für existent gehalten hatte.
Es sollte eigentlich eine Tour mit dem Motorroller rund um das Eiland werden; das ist in gemütlichen 80 bis 90 Minuten zu schaffen, Kaffepause inklusive. Südlich der Inselhauptstadt Nathon allerdings schlugen wir einen Haken in Richtung Südwest. Der Streifen am Meer nennt sich selbstbewusst Virgin Coast, jungfräuliche Küste also – er darf das, ohne rot zu werden. Außer zum Sonnenuntergang.
Der unverbaute Flecken erinnert in der Tat an das einstige Kokospalmen-Paradies Samui. An eine Insel vor dem vierstufigen Sündenfall, dem kein Reiseziel entkommt: Empfehlung in einer Backpacker-Bibel, Hotels, Ringstraße, Flughafen = Menschenmassen.
Wir stolperten über friedfertige Wasserbüffel und fanden den schönen, nur spärlich besuchten Strand von Taling Ngam. Mit vielen Palmen, viel Platz zum Schwimmen im Meer und ein paar Booten in der Nachbarschaft.
Eine gute Stunde Zeit nur blieb an diesem Tag bis zum Sonnenuntergang, doch die reichte zur Gewissheit: Hier ist Samui anders. Mit dem Blick auf den An Thong Marine National Park sagten wir: Das soll unser Samui sein.
Kein Geheimtipp mehr
Keine Ahnung, wie lange dieses kleine Paradies noch so bleibt, wie von uns erlebt. Es ist schon länger kein Geheimtipp mehr. Große Hotelkettent erkannten die Top-Lage früh und nutzten sie. Die Preise für Grundstücke stiegen; Privatleute planen Feriendomizile.
Kein Gast des InterContinental oder des Conrad Hotels muss seine luxuriöse Unterkunft verlassen, um eine tolle Aussicht oder hochwertige Gastronomie zu genießen.
Die Anlagen schmiegen sich dezent in die hügelige Umgebung und schonen so die grandiose Optik in diesem Teil der Insel.
Unser Kleinod: Das AM Samui
Wir aber suchten zum Bleiben ein Kleinod, zur dörflichen Nachbarschaft passend. Der Name des bescheidenen Juwels: AM Samui (nicht zu verwechseln mit dem AM Samui Palace, das liegt am Lamai Beach).
Familien, Paare und Einzelgänger sind gerne hier zu Gast, wenn sie es ruhiger mögen. Zimmer und Bungalows stehen in einem Kokospalmenhain oder am Strand.
Das AM Samui hat sich als romantische Location abseits des Trubels für das Besondere qualifiziert: Hochzeiten unter Palmen, mit den Füßen im Sand.
In jüngeren Jahren wurde das AM Samui um einige moderne Unterkünfte erweitert. Optisch zunächst ein Hammer auf den Kopf; die Zimmer selbst sind eher minimalistisch und funktional eingerichtet. Geschmacksache.
Sie runden den Tag ab im Südwesten der Insel: Spektakuläre Sonnenuntergänge.
Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff
Spritztouren in die Umgebung
Die Region rund ums Dorf Ban Taling Ngam empfehlen wir für Spritztouren mit dem Motorroller oder auch – für die sportlichen Naturen – mit dem Rad. Unsere Ausflugsziele liegen alle im südlichen Teil Samuis.
Ausflug 1: Ban Taling Ngam und Umgebung
Sehenswürdigkeit ist ein großes Wort. Im Dorf Ban Taling Ngam gibt es zwei interessante Plätze. Den Tempel Wat Kiri Wongkaram und eine lokale Sporthalle für Muay Thai, die Thai-Version des Kickboxens. Tempel und Gym liegen etwa 120 m auseinander.
Vom Elefantentor, dem Dorfeingang, führt der kurze Weg (1 km) zum Wat Kiri Wongkaram auf der rechten Seite. Der Tempel ist berühmt für seinen mumifizierten Mönch Loung Por Ruam. Seit 25 Jahren sitzt er in unveränderter Position und gut erhalten hinter Glas. Die ganze Anlage hat Charme und ist absolut Instagram-tauglich, wie uns vor dem Besuch fröhlich mitgeteilt wurde.
Muay Thai hat sich im Königreich über Jahrhunderte aus verschiedenen Kampfkünsten zum Nationalsport entwickelt und wird ab 2024 olympische Disziplin, zur Freude Thailands. Im Ban Taling Ngam werden wir hereingewunken in ein kleines Gym. Zu den Wurzeln eines Sports, dessen größte Kämpfer und Kämpfe mittlerweile auch in Europa gastieren.
Strandrestaurant I-Talay – Massage Open Air
Nördlich des Dorfes, ein paar Kilometer entfernt, wartet das Strandrestaurant I-Talay auf hungrige oder durstige Besucher. Drumherum das ländliche Samui, das sich um Touristen nicht schert.
Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff
Samui, wie es kaum noch jemand kennt
Wir fuhren vom Restaurant I-Talay weiter nördlich, kreuz und quer, und erlebten die Insel wie neu. Oder auch: wie früher.
Dauer der Tour: Entspannte zwei bis drei Stunden mit dem Scooter. Wer erst am Nachmittag startet, beschließt den Trip in der Open-Air-Bar des InterContinental. Denn dort wartet ein spektakulärer Sundowner.
Ausflug 2: Dusit Dheva Samui Cultural Center
Der Zufall führt einen bekanntlich zu den seltsamsten Orten, auch auf Samui, wenn man sich der Inselhauptstadt Nathon von Süden nähert. Schon vor dem Eingang zeigt sich die Widersprüchlichkeit einer Anlage, die den vielversprechenden Namen ,Samui Cultural Center‘ trägt. Ein Haufen Festtags-Müll lagert auf der einen Straßenseite, auf der anderen wartet in einer Hütte eine Hilfskraft, die den Besucher gegen den nicht unstolzen Preis von 120 Baht (Stand Januar 2018) mit einem blauen Erfrischungsgetränk und einer in Plastik eingeschweißten Scheibe Weißbrot versorgt. Wozu?
Das Rätsel löst sich am Ende dieser Parkanlage, die vorne ankündigt, was sie hinten nicht zu halten vermag. Vorne wirken Pagoden, Skulpturen und Wasserläufe durchaus als kulturelles Versprechen, das sich danach allerdings als eine Art potemkinsches Samui-Dorf entpuppt: Viel Kulisse, wenig dahinter.
Je weiter man sich hinein wagt, desto ungepflegter, unaufgeräumter die Anlage – jeder Schritt stärkt den Gedanken, was man aus diesem privaten Gärtchen alles hätte machen können, hätte man es nur mit liebevoller Strenge in die Mangel genommen. Hinten dann erfährt die Weißbrotscheibe ihre Bestimmung: Als Futter für jenes Pfauen-Dutzend, das in einer unbegrünten Gitterfoliere ein eher freudloses Dasein fristet.
Wen die Neugier treibt, der lässt sich auf das kleine Abenteuer ein, erfreut sich an der steinernen Elefanten-Armee im Eingangsbereich, und prüft, ob weiter hinten der Pflegenotstand aus dem Januar 2018 behoben ist. Aber Vorsicht: Feuchtgebiet! Mückenspray immer schussbereit in der Hand!
(Text+Fotos: Klaus Hoeltzenbein)
Ausflug 3: Guan Yu, Roter Tempel, Thongtanod
Dieser Trip führt gen Osten bis kurz vor Lamai Beach. Zu Samuis frühesten Bewohnern zählten chinesische Händler und muslimische Fischer. Über den muslimischen Frischmarkt von Hua Thanon wacht in der Nachbarschaft der Gigant des chinesischen Guan-Yu-Schreins, am Abend mit Beleuchtung. Aus den Häusern säuseln süßliche chinesische Klänge, dies nur als Hinweis für Diabetiker.
Der Rote Tempel – ein Unikat
Eintritt frei: Der Terrakotta-farbene Wat Sila Ngu, auch Wat Racha Thammaram oder Schlangenstein-Tempel genannt, ist auf seine Art einzigartig in ganz Südostasien. Lokale Künstler schufen Architektur und Design und ungewollt einen beliebten Drehort für Thailands TV-Seifenopern.
The End: Sonnenuntergang am Pier Thongtanod
Fotos: Klaus Hoeltzenbein (38), Bernd Linnhoff (34), Angelo Petrucelli (1), Tropical Easy Travel (1)
Videos: B. Linnhoff
Musik: Bangkok Airways Safety Demonstration, Song “Koh Samui”: Deep O Sea (Album: On the Beach), “Ong Bak”: Fight Club Sound
Das AM Resort Samui ist bei Agoda bis zum letzten Tag stornierbar.
Hotel nahe Taling Ngam:
Auch in diesem Blog:
Vielen Dank für die hilfreichen Informationen. Ich bin an fast allen erwähnten Punkten gewesen und habe mich schon auf das nächste Ziel gefreut. Während des Sightseeing auf Samui bin ich auch auf eine nette deutschsprachige Tour Gesellschaft gestoßen, die unter anderem auch deutschsprachige Touren in und um Samui anbietet. Dort habe ich dann auch noch 2 Bootstouren mitgemacht, die sehr zu empfehlen waren. Von der Wasserseite sieht Koh Samui noch fast schöner aus, als wenn man die Insel nur auf Beton Strassen befährt. kohsamuiausflug.de nannte sich die Anbieter Seite für die Touren. Die Gruppe an sich heißt SamuiLocals.de
Ich freue mich schon wieder auf nächstes Jahr und Koh Samui.
Grüße Jack
Wir fliegen nächstes Jahr für 4 Wochen nach Myanmar und Ko Samui. Die Vorfreude auf Ko Samui hat sich nach der Lektüre Deines Berichtes noch einmal gewaltig gesteigert. Danke dafür!
Hallo Uwe, danke für deinen Kommentar! In vier Wochen werdet ihr eine Menge erleben, das ist in Südostasien garantiert. Ich wünsche euch schon jetzt viel Freude auf der Insel und im schönen Myanmar!
Hallo Bernd, die Fotos machen einen Hammer Eindruck, danke erstmals für diese :) Ich wollte dich fragen, deiner Erfahrung nach wie freundlich diese Regionen sind, wenn man als Frau alleine am Reisen ist. LG Victoria
Hallo Victoria, danke für das Kompliment! Auf deine Frage kann ich leider nur als Mann antworten. Aber generell gilt Thailand als sicheres Reiseland für Frauen, und das sollte dann auch für Koh Samui gelten. Der Süden/Südwesten ist ruhiger als der Rest der Insel, aber er ist nicht einsam. Und Frauen fahren dort genauso Motorroller wie Männer. Ich hoffe, das hilft dir ein wenig weiter. Liebe Grüße, Bernd
Ich bin selber noch nicht in Asien gewesen, jedoch plane ich eine längere Reise und bin zufällig auf deine Seite gestoßen. Danke für die Beiträge, die machen einen ehrlichen Eindruck und ganz viel Laune länger dort zu bleiben und selber das Ganze zu erkunden. Liebe Grüße.
Vielen Dank, Alexander! Auch ich bin ja erst recht spät auf und in diese Region gestoßen. Sie ist an vielen Orten schön, sie ist spannend und – sie wartet auf Dich!