This is Thailand: Tanz das Diplom, tanz die Dozentin
Es ist ein großer Tag für Por. Sie darf sich nun Diplom-Elektroingenieurin nennen. Es ist auch ein großer Tag für meine Partnerin Toey.
Toey war 19 Jahre jung, da verlor ihr Nachbar in Bangkok den Job. Mit zwei kleinen Kindern stand er vor den Trümmern seines bescheidenen Lebens, als ihm einen Tag später auch noch die Frau davonlief. Por, seine Tochter, hatte gerade ihren ersten Geburtstag gefeiert, Toey kurz zuvor ihre junge Mutter (42) verloren. Sie sah des Nachbarn Not und fragte, ob sie für seine Tochter sorgen könnte. Fortan steuerte Toey ihren Schützling durch Kindheit, Schule und Studium.
Und nun, vor der Burapha-Universität von Chonburi, feiern beide das Happy End.
Por nennt Toey “Mae”, Mutter. Jetzt steht sie auf eigenen Beinen, sie wird ihren Weg machen. Das ist selbst für mich, der ich Por kaum kenne, leicht zu erkennen. Die 24-Jährige ist sparsam, sehr vernünftig und so zielstrebig wie schnell auf eine sichere Existenz aus. Es ist ihre Art, selbständig zu werden und für das Engagement ihrer Ziehmutter zu danken.
Für mich sind diese Stunden am Golf von Thailand einmal mehr willkommene Gelegenheit, als stiller Beobachter in die thailändische Seele einzutauchen. Dort leben viele, oft konträre Eigenschaften in vollendeter Harmonie. Ich bewundere die herausragende Fähigkeit, aus dem Nichts in fröhliche Ekstase zu geraten. Für uns Westler sieht das zumindest aus wie Ekstase; die Thais nennen es Party.
Wie im Video zu sehen, feiern Thailands Studenten ihr Diplom und vor allem ihre Dozenten geschminkt und mit ausgelassenen Tänzen und Gesängen. Die Lehrkräfte wiederum, platziert im Auge des Hurrikans, begegnen den Zuckungen mit der Gelassenheit erprobter Stoiker.
Angesichts happiger Studiengebühren sind die jungen Studentinnen und Studenten oft die Ersten in ihrer Familie, die studieren konnten oder durften. Viele stemmen die Hoffnungen ganzer Clans. Ein erfolgreicher Abschluss erfüllt die Verwandschaft mit Stolz, und alle werfen sich in das, was man früher Sonntagsstaat nannte.
Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff
Ein Strand für die Einheimischen
Anders als das nicht weit entfernte Pattaya ist Chonburi, obwohl ebenfalls am Meer gelegen, keine Touristendestination. Der Strand bleibt eine gern genutzte Domäne der Einheimischen.
Por und ihr ebenfalls frisch-diplomierter Boyfriend “Champ” laden Toey und mich zum Dinner unter Palmen. Zur Feier des Tages und zur Feier der 23 Jahre Beziehung zwischen Ziehmutter und Wunschkind.
Diplom aus den Händen der Prinzessin
Epilog: Por bekam dank ihrer ausgezeichneten Noten umgehend eine Stelle im Nissan-Werk in Chonburi. Inzwischen steht sie kurz vor dem Erwerb ihres ersten eigenen Autos. Ihr Freund schlug vor, sich aus Kostengründen ein Fahrzeug zu teilen. Sein Vorschlag wurde abschlägig beschieden. Man weiß nie, was passiert, denkt Por. Sie hat ihre Familiengeschichte nicht vergessen, will Unabhängigkeit. Nach dem Auto wird sie auf ein Haus sparen.
Das klingt nicht nach Thailand. Eher nach Schwaben. Sie macht mir Angst, die junge Frau. Toey hingegen ist sehr stolz.
Habe über Wolfgang das Buch bestellt und erhalten, fliege mit meiner Frau am 28.10.
(endlich) mal wieder rüber nach Thailand.Das Buch wird mich bestimmt gut unterhalten während der 11 Stunden im Flieger. Gruß aus Münster
Hallo Uwe, sorry für die späte Reaktion und danke für deine Zeilen! Während ich dir nunh endlich antworte, bist du wahrscheinlich mit deiner Frau in der Luft. Genießt eure Zeit in Thailand. Gespannt bin ich auf deine Meinung zum Buch. Bodo Förster und ich haben zum Buch einen speziellen Blog eingerichtet: https://ein-leben-fuer-die-elefanten.com/. Dort stehen bereits die ersten Pressebesprechungen und bald auch Fotos aus Bodos knapp 30 Jahren in Thailand. Herzliche Grüße, Bernd Linnhoff
Hallo Bernd,
der inzwischen verstorbene Schwager meiner Frau nannte einst seinen Schwiegervater, Vater auch meiner Frau, einen “alten Preussen”. Ich habe den “alten Preussen” selbst nicht kennengelernt, aber meine Frau kommt mir manchmal “ordentlich deutsch” vor, wenn sie Erziehung und Verhalten einiger Filipinas hier kritisiert.
Vielleicht gibt es so eine Art “Wahlheimat”, zu der sich manche hingezogen fuehlen.
Gruesze aus Gensan
Heiko