Ein Hauch von Mailand für Chinas Kaufsüchtige

Nimmanhaemin im Westen Chiang Mais ist nicht nur trendy, sondern hip, wenn nicht gar uber-hip. Das höre ich nun seit Jahren. Seit wir selbst drei Jahre nach Nimman zogen, wie das Viertel der Einfachheit halber heißt. Jahrelang wurden die Backsteinmauern in unserer Nachbarschaft hochgezogen. Erst in der Endphase wussten wir, was aus dem Riesenbau werden sollte. „Nimman One“, eine Shopping Mall. Eines von fünf großen Einkaufszentren der Stadt. Nicht unbedingt mein Thema.

In diesem Fall aber gilt: Same same but different. Ein anderes Konzept (halb drinnen, halb draußen), der Mut zur Lücke (Verzicht auf fast alle prominenten Luxusmarken) und dazu südeuropäisches Design. One Nimman könnte auch in Mailand stehen. Campanile inklusive.

Maya Mall (Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Mit der Maya-Mall wohnt die direkte Konkurrenz gleich schräg gegenüber. Doch Nimman One, the new kid on the block, brauchte nur wenige Wochen bis zur Akzeptanz zahlungskräftiger Verbraucher. Thais und westliche Touristen halten sich die Waage, es dominieren allerdings die ChinesInnen – sie sind die primäre Zielgruppe.

Die Menschen aus dem Reich der Mitte haben Thailand zur Ganzjahresdestination gemacht, sie kommen bei jedem Wetter. Erst die Pandemie stoppte zwischenzeitlich den Boom. Nun reisen kaum noch Zero-Dollar-Gruppen nach Thailand. Gruppen also, die schon in der Heimat ein günstiges Paket mit Kost und Logis gebucht haben und am Zielort von chinesischen Guides in ausgewählte, überteuerte Läden geführt werden, deren Besitzer wiederum Chinesen täuschend ähnlich sehen.

Mittlerweile kommen auch Familien, Pärchen und Individualreisende aus der wachsenden Mittelschicht. Sie haben Geld, und sie geben es aus. Vorzugsweise fürs Essen, für Kleidung und Kosmetik. Da sind sie im One Nimman an der richtigen Adresse, es ist eine Adresse mit Charme. Nicht nur am Wochenende, wenn sich im Innenhof die ganze Welt fröhlich vereint, um bei kostenlosen Salsa- und Swingkursen die Hüften zu schwingen.

Café-Bar Graph

Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff

Chiang Mai ist ein Kaffee-Mekka, und auf meiner nimmermüden Suche nach den besten Cafés bin ich auch in der Mall fündig geworden. „Graph“ heißt das Café, es ist nicht groß, eher minimalistisch eingerichtet, modern. Das junge Personal begrüßt die Gäste mit einem Thai Smile; das Menü hingegen neigt zur Exzentrik. Mein Favorit heißt „Monochrome“ (Espresso+aktivierte Charcoal/Holzkohle+Vanille+Milch), ein monochromatisches Kaltgeränk also. Du kannst aber auch einen hundsgewöhnlichen Capuccino bestellen, ohne dass dich die Bedienung fragt, ob du deine Zukunft schon hinter dir hast.

Die Zubereitung der bestellten Getränke geschieht übrigens sehr behutsam. Anders ausgedrückt: sie dauert. Du solltest Zeit mitbringen, aber das gilt für den ganzen Komplex. Denn die Ladenzeile im Erdgeschoss lädt tatsächlich zum Flanieren.

Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff

Die Cafés, Restaurants und Läden gehören keiner der großen Ketten an, unterliegen daher keinem optischen Einheitsdikat und bedienen auch ausgefallene Geschmäcker. Am Ende des Ganges stolperst du in eine Futterkrippe mit fünfzig Ständen, die Gerichte aus Thailand, Japan, Korea anbieten und Meeresfrüche-Spezialitäten und und…

Der erste Stock beeindruckt nicht so sehr mit dem Angebot der eher konventionellen Shops. Doch die Wegführung ist äußerst geschickt eingefädelt: Du läufst durch ausnahmslos alle Läden, ehe du erleichtert den Ausgang erreichst.

Für die Anwohner bedeutet die vielzitierte Hippness Nimmans vor allem Gentrifizierung. Vor der Eröffnung standen in der Nimmanhaemin Road und ihren Nebengassen einheimische Restaurants, traditionelle Massageshops und vor allem Studentenkneipen, denen eines gemeinsam war: sie waren voll und ihre Produkte für die Einheimischen bezahlbar. Besucher mochten die bodenständige Atmosphäre.

Eines der größeren Open-Air-Restaurants hieß Blar Blar Blar. Gesprochen taucht das R in der Thai-Sprache selten auf, doch optisch ausgerechnet beim Begriff, der unserem Bla Bla Bla entspricht. Das „Blar Blar Blar“ gibt es längst nicht mehr, es wurde abgerissen wie so viele andere beliebte Treffpunkte. Denn die Mieten für Gewerbeflächen flogen gen Himmel.

Der Umschwung funktionierte zunächst. Kosmetikriesen wie L`Oréal konnten sich vor chinesischen Kunden kaum retten. Doch wegen der astronomischen Mieten machten auch halbwegs volle Läden Verlust. Es gab eine große Fluktuation auf den gewerblich genutzten Flächen, aber auch neue Hotels, ausgezeichnete Restaurants (darunter das alteingesessene, immer zu empfehlende Mix),  das „Salad Conecpt“ und einladende Cafés. Die Covid-Phase führte alle Betreiber und ihre Shops zurück auf Los.

Inzwischen hat sich wieder ein angenehmer und vielversprechender Mix etabliert, der nicht mehr allein auf Gäste aus China setzt und in dem sich auch StudentInnen preislich tummeln können – viele junge Thais verfügen zudem über ein erstaunlich hohes Budget. Die Mall One Nimman, selbstverständlich Selfie- und Instagram-tauglich, wird ihren Platz behaupten. Weil Architektur und Konzept aus dem Rahmen fallen, was allein schon viele Besucher anlockt.

Offensichtlich aber bleibt die Hoffnung auf einen neuen Ansturm aus dem Reich der Mitte wach. Warum sonst begrüßt seit Kurzem der Große Vorsitzende Mao die Gäste, ganz entspannt mit dem Surfergruß?

Fotos: Faszination Fernost/B. Linnhoff