Ein Deutscher schuf den Mythos Bali
Es geht nicht voran oder nur langsam. Anderthalb Stunden benötigen wir für die 30 Kilometer vom Flughafen Ngurah Rai nahe Denpasar bis Ubud. Weggefährte Disco absolviert die Strecke weitgehend schlafend. Er hat sich am Vorabend in Bangkok eine Lebensmittelvergiftung eingefangen. Nun kann er einen kenntnisreichen und gefühlsechten Reiseführer zu den sanitären Anlagen der Flughäfen Bangkok und Denpasar schreiben.
Bali ist beliebt und daher belebt. Seit knapp hundert Jahren erliegen Reisende dem Lockruf der Trauminsel im Indischen Ozean. Und wer hat ihn erschaffen, den Mythos Bali? Ein Deutscher war`s, Walter Spies. Der Maler und Musiker lebte von 1927 bis 1938 auf der Insel; sein Haus war lange ihr kulturelles Zentrum, Spies` Ende in seiner Wahlheimat tragisch.
Mit seinen Bildern und Berichten kreierte der deutsche Künstler einen neuen Sehnsuchtsort für die Menschen im Westen. Sie sahen tropische Fülle, unbekannte Künstler und und traditionell barbusige Schönheiten, für die konventionell verkrampfte westliche Welt das Versprechen erotischer Freizügigkeit. Eine bedeckte Brust hingegen, kurioses Detail, trugen damals auf Bali nur Prostituierte.
Noch vor Spies wirkte ein weiterer Deutscher auf der Insel, von 1912 bis 1914 als Arzt in Diensten der holländischen Kolonialherren. Gregor Krause schoss in gut zwei Jahren rund 4000 Fotos, die Balis Exotik und die seiner Frauen konservierten, im Spannungsfeld zwischen Ethnofotografie und Voyeurismus.
Für Nostalgiker gibt es diese Seite im Netz: Old Bali Photos.
Dann kamen die Spies-Gesellen
Walter Spies stand anfangs gerne, später zunehmend unwillig im Zentrum der ersten Popularitätswelle, die über Bali hinwegschwappte. Die Kunde aus dem Paradies drang, analog und nicht so flott wie heute, in die weite Welt hinaus und lockte prominente Spies-Gesellen an. Darunter Erfolgautorin Vicki Baum oder auch Charlie Chaplin, der auf Java und Bali Filme zur persönlichen Erinnerung drehte, die uns dank Youtube erhalten blieben:
Spies aber konzentrierte sich auf die Gründung der Künstler-Kooperative Pita Maha, um die kreativen Talente der Balinesen zu fördern. Das Zentrum der musisch Begabten war ein Dorf namens Ubud im südlichen Zentral-Bali; Kunst und Kunsthandwerk der Insel wurden zum begehrten Export- und Souvenirartikel; so ist es noch heute.
Den von hinduistischen Ritualen geprägten Alltag des einstigen Bali, das sanfte Wesen seiner Männer und Frauen schildert Vicki Baum in ihrem Roman “Liebe und Tod auf Bali”. Das Buch erschien 1937 und wurde 2002 neu aufgelegt. Es endet mit Tod und Zerstörung durch die Kolonialisierung der Holländer im Jahr 1909.
2006, vier Jahre nach dem Bombenattentat von Kuta, reanimierte Elizabeth Gilbert die moderne Version des Sehnsuchtsortes Bali. Ihr Roman “Eat, Pray, Love” wurde in 40 Sprachen übersetzt und über acht Millionen Mal verkauft. Für diesen ansehnlichen Multiplikator musste Balis Tourismusbüro nicht einmal Honorar zahlen. Und Hollywood legte nach mit der Verfilmung, in den Hauptrollen zwei Superstars: Julia Roberts und Javier Bardem. Seitdem brummt es wieder auf Bali.
“Essen, Beten, Lieben” – ein verführerischer Dreiklang. Klingt nach Genuss mit göttlichem Beistand. Nach dem neuerlichen Schub dank Julia Roberts kämpft die üppige Schönheit der Insel nun mit dem Fluch der Popularität. In Ubud, vor allem aber im Süden, in Nusa Dua, an den Stränden und auf den Partymeilen von Kuta, Seminyak, Jimbaran und in der Kapitale Denpasar. Zu viele Menschen, zu viele Läden auf zu engen Bürgersteigen. Zu viele Mopeds, Motorräder, Pkws, Pickups, Busse in zu engen Straßen.
Trauminsel Bali. Auch heute noch? Wir sind uns nicht sicher. Mit der Idylle ist es ja schon lange vorbei, aber wie sieht die “Insel der Götter” aus jenseits der touristischen Epizentren?
Den Süden also lassen wir unten liegen und fahren direkt nach Ubud. Dort haben wir für drei Nächte zu je 80 US Dollar ein Doppelzimmer im Hotel “Bali Spirit” gebucht. Der Geist von Bali, so fühlen wir auf Anhieb, ist ein sehr stiller Geselle. Zuhause in traditioneller balinesischer Architektur und Kunst, umgeben von blühender, duftender, mit Mühe gebändigter Natur.
Fotos: B. Linnhoff, Uwe Wojatzek