Bühne frei für den Knaller von Vientiane

Vientianale Laos

Die Luft war lau in Vientiane, der Mond stand günstig in der Hauptstadt von Laos. Auf der Bühne überragte Michael Grau seine Kollegen vom Diplomatischen Corps. Hoch aufgeschossen, traditionell-laotisch gewandet, sorgte der deutsche Botschafter für den ersten Höhepunkt an diesem tropischen Abend in Vientiane: Ihm explodierte eine Bombe in der Hand. Das Publikum lachte und applaudierte. Und wie reagierte der Botschafter? Er lachte auch.

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Die Tücke des Objekts (Fotos: Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Gut, es handelte sich um eine Konfettibombe. Den Diplomaten hatten die Veranstalter eine Art Pappröhre in die Hand gedrückt, in kurzen Abständen gingen die Dinger hoch. Nur Grau mühte sich vergebens ab. Als die Zuschauer schon einen Blindgänger vermuteten, machte es doch noch paaf.

Nationaler Kulturpalast in Vientiane (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Ankündigung: Eröffnung der 5. Vientianale, 18.30 Uhr am Nationalen Kulturpalast, Vientiane, Laos

18.15 Uhr (Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Um halb sieben also im Zentrum. Eigentlich wusste ich es besser, aber ich war pünktlich. Auch nach sovielen Jahren, die ich nun in Asien lebe, passiert mir das immer wieder zum letzten Mal. Du kriegst den Deutschen aus seinem Land, aber die Sekundärtugenden wandern mit. Und irritieren alle Asiaten nachhaltig.

Einladungen, Eintrittskarten? Kein Thema bei der Vientianale. Hier ist jeder willkommen, selbst vor der Zeit. So hatte ich open air immerhin die freie Auswahl unter etwa 400 Plastikstühlen, auf jedem eine Flasche stillen Wassers, die erste Reihe reserviert für die Ehrengäste.

Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff

Um halb sieben checkten die Beleuchter die Beleuchtung. Die Tontechniker prüften die Tontechnik. Die Putzfrauen wischten noch einmal mit feuchten Lappen über die Stühle. Die Merchandising-Fraktion wartete auf die ersten Kunden. Mit einsetzender Dunkelheit bezogen die Kameraleute Stellung; das Aufgebot war überschaubar und konzentrierte sich auf Mattie Do, die US-Regisseurin mit laotischen Wurzeln (siehe Titelbild dieses Beitrags).

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Filmfestspiele in Laos, das ist eine noch junge Gattung. Vientianale, das klingt nach Berlinale oder auch Biennale, es wird Absicht sein und leise Sehnsucht nach Größe. Nach einem Hauch von Hollywood vielleicht, nach einem echten roten Teppich. Nach Leo di Caprio und Meryl Streep, nach Promi-Auflauf statt Nudel-Auflauf, nach Trommelwirbel, Fanfaren und Glamour.

An diesem Abend aber, im kleinen Laos am anderen Ende der Welt, fanden wir weder Perfektion noch Bling-Bling. Das störte weder uns noch das geneigte Publikum. Dafür sahen wir leidenschaftliche Organisatoren und Filmemacher, deren Engagement einen Oscar verdiente.

Erwachen aus der Duldungsstarre

Freiheit des Ausdrucks ist selten das, was sich sozialistische Regime auf die Fahnen schreiben. Erst seit kurzem zeigt Laos` Filmindustrie, ein großes Wort für eine kleine Branche, verstärkt Anzeichen produktiven Erwachens. Nach zwei Dekaden Duldungsstarre unter rigider kommunistischer Herrschaft. Auch an diesem Abend mussten sich die Filmemacher damit arrangieren, ihr Festival im Schlagschatten zweier Jubiläen zu feiern: 60 Jahre Revolution und 40 Jahre Demokratische Volksrepublik Laos.

Nun geht`s aber los!

Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff

Es wurde dunkel, Signal für das eine oder andere Grußwort. Festivaldirektor Dr. Bounchom Vongphet sprach zunächst durch die Blume, doch war dies nicht politischen Zwängen geschuldet, sondern dem liebevoll gebundenen Bouquet auf dem Pult. Aufatmen im Publikum, als der Strauß entfernt wurde: Da isser ja, der Doktor! Ihm folgte Margarete Magiera, die Co-Direktorin, ihre laotischen Kolleginnen um Haupteslänge überragend.

Eröffnung der Vientianale (Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Obwohl selbst das heutige Laos in einer Zeitschleife gefangen zu sein scheint, warf uns der Film des Abends noch weiter zurück. „Bouadeng“ („Roter Lotus“) wurde 1988 gedreht und produziert, mit einem Budget von 5000 US-Dollar. Ein Doku-Drama von Som Ock Southiphonh, in Schwarz und in Weiß.

„Bouadeng“ (Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Ein Stück über das Leben auf dem Land in Laos, eine Liebesgeschichte im Konflikt zwischen alter Ordnung und dem Aufbegehren der Jugend, eine Parabel über Macht und Ohnmacht, über Individuen in einer kollektiv gedachten Gesellschaft. Som Ock war damals Regisseur, Drehbuchautor und Produzent in einer Person. Und hauptberuflich Bäcker – irgendwoher musste das Geld ja kommen, das er in seine Leidenschaft pumpte.

Som Ock Southiphonh (r.) und seine stolze 88er-Crew 27 Jahre nach „Roter Lotus“ (Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Das World Class Cinema von Vientiane

Über Jahre hinweg musste die Vientianale ohne einen repräsentativen Spielplatz auskommen, ohne ein großes, vorzeigbares Kino. Mangel behoben: Seit 2015 gibt es das Major Platinum Cineplex Laos, gesponsert vom chinesischen Telecom-Riesen Huawei und angesiedelt im vierten Stock des Vientiane Centers im Herzen der Hauptstadt.

Eröffnet wurde das „World Class Cinema“ mit dem international üblichen Trallala. Zur großen Freude der einheimischen und ausländischen Filmfreaks sind die Hollywood-Blockbuster nun auch in Laos` Kapitale so früh zu sehen wie in London oder Berlin. Hier enden alle Vergleiche auch schon.

Festival on the road

Laos` Landbevölkerung kann von Lichtspieltheatern nicht einmal träumen. Also kommt der Berg zum Propheten. Die Vientianale tingelt über Land. Zieht wochenlang mit ihren Filmen über die Dörfer und beschenkt Groß und Klein mit bunten Bildern, magischen Märchen und nachhaltigen Träumen.

Wir ziehen den Hut. Und blicken in Gesichter, die so und kaum anders vor hundert Jahren auch in der Neuen Welt geschaut haben, als Buster Keaton, Charlie Chaplin und die Keystone Cops die noch stummen Leinwände regierten. Das ist der wahre Glamour der Vientianale – ihre Schönheit liegt in den Augen der Betrachter.