Das Milliardengeschäft mit heller Haut

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Thailands Medien griffen das Thema mit spitzen Fingern auf. Als Naomi Campbell das Cover der thailändischen Vogue-Ausgabe zierte, sah sie so attraktiv aus wie immer, aber – anders. Nicht mehr wie eine Afro-Amerikanerin halt. Ein bisschen Photoshop verwies umso krasser auf Thailands Obsession für helle Haut, die selbst das Supermodel erblassen ließ. “There was no intention of ‘whitewashing’ her“, sagte ein Redaktionsmitglied der Thai-Vogue. Nun ja. Vielleicht ging es einfach nur um die Erwartungshaltung der Zielgruppe.

Augen auf im Verkehr: Wenn die Thais auf ihren Motorrädern Helm, Gesichtsmaske, Anorak, Handschuhe, lange Hose und Socken tragen, muss das Wetter top sein. Die Vermummten verweigern selbst dem schwächsten Sonnenstrahl das Vergnügen, auf nackte Haut zu treffen.

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Thailands Schönheitsideal orientiert sich mittlerweile an Korea und Japan. Weiße Haut verspricht Chancen, Erfolg, Status. Das Image dunklerer Haut steht für Arbeit auf dem Feld, Armut und mangelnde Bildung, helle Haut hingegen verweist traditionell auf Wohlstand, Intelligenz, höhere soziale Schicht und das Privileg, sich nicht die Hände auf dem Feld schmutzig machen zu müssen. Es geht um (soziale) Klasse und nicht um Rasse.

Kandidaten bei „The Star Idol“: Alle hellhäutig (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Wir Westler sprechen von gesunder Bräune und legen uns an Thailands Stränden stundenlang in die Sonne. Unter dem Aspekt Hautkrebs relativiert sich das Gesunde, doch dunkler Teint verkündet (solange er hält) Sozialprestige, Frische und die frohe Botschaft: Wir hatten einen tollen Urlaub. Die Thais stehen derweil langärmelig im Schatten und staunen, wie ihre Gäste die Gnade natürlich-weißer Haut mutwillig in ihr Gegenteil verkehren.

„Genau das ist aber auch unser Glück. Weiße Männer mögen unseren dunklen Teint. Auch deshalb arbeiten so viele Frauen aus dem Isaan in Ladybars.“ Zitat aus dem Kapitel „Mini, das Mädchen aus dem Isaan(„Thailand unter der Haut“)

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Thailands Supermarktregale brechen fast zusammen unter der Last der Bleichmittel aller Art, für die Zähne, für die Haut. Unternehmen wie Unilever, L’Oreal oder Beiersdorf/Nivea verdienen Milliarden damit, dass sich Millionen Frauen und Männer weismachen, Bleichcremes könnten weiß machen. Ein Versprechen, das schwer einzulösen ist. Was der Nachfrage jedoch ebensowenig schadet wie das Verbot mancher Wundermittel dubioser Herkunft, die auch noch die Gesundheit gefährden. Selbst populäre Entertainer, so heißt es, nutzen Produkte mit dem Wirkstoff Gluthation, der die Haut aufhellen soll.

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„In Bangkoks Straßen siehst du riesige Plakate, auf denen für Produkte oder eine Seifenoper im Fernsehen geworben wird. Fünfzig Darsteller, fünfzig Männer und Frauen, alle hellhäutig. In TV-Werbespots: alle hellhäutig. Kein Kompliment eines Farangs kann mir das Gefühl nehmen, in meinem eigenen Land nur zweite Wahl zu sein.“ Zitat aus „Mini, das Mädchen aus dem Isaan“.

Das wollte ich mir dann mal selbst anschauen. So bin ich durch Bangkok gelaufen, habe mit die Plakate angeschaut und die elektronische Werbung in den Skytrain-Stationen. Werbung mit Testimonials dunklerer Haut habe ich nicht entdeckt.

Sensation: Eine dunkelhäutige Miss Thailand

Thailänderinnen sind für ihre natürliche Schönheit bekannt. Die Sängerin, Schauspielerin und Golferin Nonthawan “Maeya” Thongleng war 2014 von allen die Schönste, ganz offiziell: Miss Thailand World. Trotz dunklerer Haut, eine Sensation. Viele Landsleute allerdings quittierten ihre Krönung mit hochgezogenen Augenbrauen.

Foto: Universal Queen

Andere hingegen, Frauen und Männer mit olivfarbenem Teint, gestanden öffentlich, Maeyas Wahl sei Balsam gewesen für oft verletzte Gefühle, eine Atempause für ihre Minderwertigkeitskomplexe. Sie hofften auf den Beginn einer neuen Ära, mit einem Schönheitsbegriff, der endlich dem Hautfarbenspektrum der Bevölkerung gerecht würde. Die Hoffnung trog.

Als Maeya eine Hauptrolle im TV-Drama Saonoi Roilan (Millionärsmädchen) bekam, fragte sie ein Kommentator in den sozialen Medien unverblümt, warum sie nicht gleich eine Rolle als Köhlerin übernehme. Maeya reagierte betroffen. Wohlwollendere Kommentare verwiesen auf die schädliche Rolle des Showgeschäfts, das die Obsession für helle Haut speziell bei den Jüngeren überhaupt erst weckte. „Doch gerade die Jüngeren“, beobachtete Dr. Christopher Fisher, Philosophiedozent an der Universität Chiang Mai, „verabschieden sich von dem Konzept unterschiedlicher Hautfarben.“ Das Zukunftsmotto soll lauten: „Wir sind alle Thais.“

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Die Sucht nach heller Haut sitzt nicht nur in Thailand tief. Schon vor Jahren berichtete die Deutsche Welle, dass der Markt mit Bleichcremes boomt, in Afrika, Asien, Amerika und dem Nahen Osten: „Das Schönheitsideal heller Haut wurde bereits während der Kolonialzeit in Afrika verbreitet. Auch Afrikaner in Europa benutzen Hautaufheller. Die 17-Jährige Marie ist in Angola geboren, lebt aber seit Jahren in Frankfurt am Main. Die Hautaufheller kennt sie schon seit ihrer Kindheit. Denn ihre Mutter benutzt sie schon lange.“

Das kann doch nicht wahr sein, denke ich, wenn ich solche Geschichten lese und die Regale in Thailands Supermärkten sehe, in denen das „White“ mehr und mehr durch Begriffe wie „Turbo Bright“ ersetzt wird. Reine Kosmetik, wer soll darauf hereinfallen? Aber ich bin weiß und auf der sicheren Seite. Ich hoffe nur, dass sich Thailands Bademode nicht irgendwann an den chinesischen Vorbildern orientiert, die porzellanweiße Haut im Ganzkörperkondom konservieren.

Badende Chinesinnen in Qingdao (Foto: German.China.org)