In Chiang Mai ist es unverändert sehr ruhig. Ab Mittwoch dürfen alle Geschäfte wieder öffnen, auch die Massagesalons, die mit Seife arbeiten, die Pubs, Bars und Clubs. Allerdings haben Regierung und Corona-Experten 22 Regeln ausgearbeitet, die das Gewerbe der Nachtaktiven bei der sozialen Hygiene vor hohe Hürden stellen. Sie sind so hoch, dass die Betreiber ihre Läden besser gleich geschlossen halten. Abgerundet wird das Szenario durch Einreisbeschränkungen, teils brisante Vorgänge in der Luftfahrtindustrieund die heute beschlossene Verlängerung des Notstands um einen weiteren Monat, obwohl es seit 35 Tagen keinen lokal übertragenen neuen Covid-19-Fall gibt.

Thailändische Kuriositäten in diesen Zeiten

Es lebe der Sport

In der vergangenen Woche habe ich das Buch „The Great Nowitzki“ gelesen bzw. verschlungen. Und erstmals begriffen, was „Dirty“ Dirk in den 21 Jahren seiner Karriere geleistet hat. Welch unfassbare Disziplin neben Talent und Wille die Basis war. Zu gerne würde ich noch mehr erfahren über seinen einzigartigen Mentor und Weggefährten Holger Geschwindner. Autor Thomas Pletzinger ist ein großer Wurf gelungen. Nowitzki hat in der NBA nur für die Dallas Mavericks gespielt, doch das allein erklärt nicht seine Bedeutung für die texanische Stadt. In den Achtzigerjahren habe ich hin und wieder eine Folge der TV-Serie „Dallas“ geschaut. Öl-Milliardäre, Intrigen, High Society, der Serie zufolge war Dallas die breitbeinigste Stadt der USA. Und Pletzinger schreibt allen Ernstes und mit Grund: Nowitzki hat die Stadt kulturell und ökonomisch verändert.

Ähnliches wird irgendwann irgendwer auch über Jürgen Klopp und Liverpool schreiben. Nicht deshalb, weil der Klub mit ihm nach 30 Jahren den nationalen Titel wieder in die Stadt holten.  Und nur zum Teil deshalb, weil Trainer und Mannschaft in den letzten Jahren ihre eigene Geschichte geschrieben haben und sich nur so von der großen Vergangenheit des Klubs lösen konnten, die Inspiration und zugleich Belastung war. Klopps größtes Verdienst in meinen Augen ist, dass er auch in einer Zeit, in der Spieler hoher Qualität jeden Monat neu Einkommensmillionäre werden, eben diesen Großverdienern Werte vermitteln konnte, die über den Sport Fußball hinausweisen. Er hat einen ganzen Klub stolz gemacht und dazu den Teil der Stadt, der nicht am Lokalrivalen FC Everton hängt. Ich weiß nicht, wie Klopp das macht, aber was immer er sagt, trifft den Punkt, klingt authentisch, bewegt die Menschen. Und er scheut sich in seinem offenen Brief an die Fans nicht, seinen Dank mit der Kritik an ihrem Jubel in Corona-Zeiten zu verbinden. Und mit einer positiven Erwähnung des FC Everton – allein dafür würde jeder andere zum Vertrauensarzt geschickt.

Foto: dpa

Wieder einmal wird gerade diskutiert, wer derzeit der beste Trainer der Welt ist: Ist es Klopp, ist es Guardiola? Interessant finde ich, wieviele sich da ein Urteil erlauben. Keiner hat je eine Mannschaftssitzung erlebt, keiner eine Ansprache im Training, keiner eine taktische Anweisung in der Halbzeit, keiner eine Diskussion mit seinen Mitarbeitern, keiner ein Gespräch mit einem Spieler.

Als Fußballfan liegt mir Klopps Intensität näher als die genialen Tüfteleien Guardiolas. Ich habe großartige Spiele von Manchester City gesehen, aber bei den Partien des FC Liverpool laufe ich an der Seitenlinie mit.

„Mehr als ein Spiel“ heißt Oliver Wurms neue Magazin-Reihe. Seit dem letzten Mittwoch liegt die Nr. 1 der Reihe am Kiosk, sie ist auch online zu erhalten (https://fussballgold.de). Sie widmet sich auf den Tag genau nach 50 Jahren dem WM-Halbfinale 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Italien, das als Jahrhundertspiel in die Fußballgeschichte eingegangen ist. Auch ich durfte einen Beitrag beisteuern zu 100 Seiten voller Anekdoten, Geschichten und Bildern – sie alle laufen noch einmal ein: Ausgerechnet Schnellinger, Willi Schulz, Sepp Maier, Gerd Müller, Uwe Seeler, Ernst Huberty, Kurt Brumme, Boninsegna, Riva und Yamasaki, dem ich noch heute den Scheitel ziehen könnte. Dabei ist der schon lange tot.

Leute

Es geht um den Fall des thailändischen Red-Bull-Erben, der 2012 frühmorgens in Bangkok mit seinem Ferrari einen Motorrad-Polizisten anfuhr und tödlich verletzte. Die Polizei, die hier fast jeden Übeltäter in kürzester Zeit zur Strecke bringt, findet einfach den Ort nicht heraus, an dem sich der Flüchtende aufhält. Manchmal besucht der junge Mann Formel-1-Rennen in aller Welt und dokumentiert das auch in den sozialen Medien, aber sie kriegen ihn einfach nicht zu fassen. Man könnte das Pech nennen.

Vera Lynn ist tot

Sie starb im Alter von 103 Jahren. Mit Liedern wie „We`ll meet again“ und „White Cliffs of Dover“ sang sie in Burmas Dschungel, in Indien und anderswo vor britischen Soldaten, um deren Moral im Zweiten Weltkrieg zu stärken. Der Komiker Harry Secombe erzählte, nicht Churchill habe die Nazis besiegt, vielmehr habe Vera Lynn sie zu Tode gesungen. Warum erzähle ich das?

Schon in den 50er Jahren klang ihre Musik ein wenig altbacken. Wenn ich von der Schule kam, gab es nur noch einen Sender in unserem Radio: BFN (British Forces Network), später hieß er BFBS (British Forces Broadcasting Service) – das war der Kanal für die in der Bundesrepublik stationierten britischen Soldaten. Rock`n`Roll dominierte und englische Popmusik, aber Vera Lynn blieb Standard. 2009 war sie wie aus dem Nichts noch einmal die Nr. 1 der Pop-Charts mit ihren „Greatest Hits“.

Roger Waters von Pink Floyd verlor seinen Vater im II. Weltkrieg. Für das Album „The Wall“ komponierte er den weniger bekannten Song „Vera“, eine Hommage an die Sängerin. Und zu Beginn der  Livekonzerte von Pink Floyd wurde immer ihr Lied „We`ll meet again“ gespielt.  

Und beim Lesen des Nachrufs in der Bangkok Post fiel mir auf, dass ich den Refrain noch immer auswendig kann, weiß der Teufel warum. Aber vielleicht trifft er ja für uns auch irgendwann wieder zu:

We`ll meet again,

don`t know where, don`t know when,

but I`m sure we`ll meet again

some sunny day.