Nordkoreas schräge Gastro-Offensive

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Arglos nahm ich meine kleine Lumix-Kamera in die Hand. Das hätte ich besser gelassen. Zack, schon stand eine der äußerst aufmerksamen Serviererinnen an unserem Tisch, schlank, Porzellanhaut, hübsches Gesicht mit momentan sehr strengen Zügen. „No photos!“, erklärte sie.

So hört sich das an, wenn ein verschlossener Staat vorgibt, sich zu öffnen. Das „Pyongyang Friendship“ im kambodschanischen Siem Reap ist eines von etwa 130 nordkoreanischen Restaurants in Asien, gedacht als Devisenbringer und Stätte möglicher Begegnungen zwischen Süd- und Nordkoreanern.

Das funktioniert. Südkoreas Geheimdienst schätzt den Jahresumsatz der Gaststätten auf 100 Mio. US-Dollar. Die mit sozialistischem Charme gesegneten Speisesäle stehen weit überwiegend in China, aber auch in Phnom Penh, Jakarta, Vientiane, Saigon, Hanoi oder Bangkok.

Foto B. Linnhoff/Faszination Fernost

Die Etikette in den Futterkrippen ist einfach: Abendessen um sechs Uhr. Du darfst hungrig sein, aber nicht neugierig. Südkoreaner stört so etwas nicht. Zunächst waren es nur die Geschäftsleute, die Kontakt zu den Landsleuten aus dem Norden suchten. Dann folgten Südkoreas Touristen.

Sie alle erleben ein Multitasking-Personal mit erstaunlichen Fähigkeiten. Erst servieren die Kellnerinnen Galbi und Kimchi. Bei Gelegenheit beantworten sie, dialektisch getrimmt, politisch sensible Fragen freundlich und humorlos, dann steigen sie auf die hauseigene Bühne. Und tanzen, singen, spielen Gitarre, Saxophon, Akkordeon oder auch gayageum, eine Art Zither.

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Foto: Japan Times

Zwischenzeitlich wechseln die jungen Damen auch noch blitzschnell das Kostüm. Vom Choson-ot, dem traditionellen, großzügig geschnittenen, bis zum Boden fallenden Kleid zum glitzernden Satinrock, in der Länge eher kurz.

Für uns Westler eine eigenartige Perfomance, mal surreal, mal exotisch, mal kitschig. Wir waren leider etwas spät dran an diesem Abend, unser amerikanischer Freund Richard, Khun Disco und ich. Wir wussten halt nicht, wann Nordkorea tanzt und zithert. Aber essen durften wir noch.

Foto B. Linnhoff/Faszination Fernost

Und, hat es geschmeckt, das Essen aus des Diktators Küche? Annehmbar, so fanden wir in Siem Reap, aber kein Grund, um noch einmal hereinzuschneien in dieses seltsame Lokal. Thailands Gastro-Kritiker Vanniya Sriangura hingegen, im Bangkok-Ableger „Pyongyang Okryu“ unterwegs, zeigte sich vom Menü sehr angetan.

Pyongyang Okryu Bangkok
Pongyang Okryu, Bangkok (Foto: Bangkok Post)

Zum Beispiel von den Mungobohnennudeln mit Schlangengurke, fein geschnittenen Karotten, Bohnensprossen, Pilzen, Rindfleisch in Streifen und Sesamöl. Oder auch von den in der Pfanne erhitzten Teigtaschen mit Schweinefleisch. Da Vanniya den Eintopf aus Hundefleisch in seiner Besprechung nicht erwähnte, wird er wohl in Bangkok nicht auf der Karte stehen. Anders als in den chinesischen Filialen. Dort soll es auch Ginseng-Wein geben oder Aphrodisiaka vom Bären. Aber das glauben wir erst, wenn wir beides persönlich probiert haben.

Kims Atomtest vergiftet das Klima

In diesen Tagen laufen die Pyongyang-Gaststätten nicht so gut wie gewohnt. Der Strom interessierter Gäste verebbte und mit ihm der Zufluss kostbarer Devisen, seit Nordkoreas Führer Kim Jong-Un Freund und Feind mit einem Nukleartest verschreckte, in der Folge mit aggressiven Manövern und Dohungen in Richtung USA. Inzwischen hat Seoul seine Bürger angehalten, sich nicht mehr am Essenstisch mit dem Norden zu verbrüdern.

Foto B. Linnhoff/Faszination Fernost

An unserem polierten Tisch in Siem Reap aber dachte ich an Bangkok, die Welthauptstadt der Selfies und des Essens. Dort fragen die Kellner schon nach 30 Sekunden: „Stimmt etwas mit Ihrem Essen nicht? Sie haben noch gar kein Foto gemacht!“ Und so habe ich in einem Augenblick, da ich mich unbeobachtet fühlte und zugleich unwohl, im „Pyongyang Friendship“ noch ein paar Bilder aus der Hüfte geschossen. Technisch nicht perfekt, aber bitte: Nordkorea aus eigener Hand, ohne Visum, gebührenfrei!

Richard: Ein Amerikaner in Nordkorea (Foto B. Linnhoff/Faszination Fernost)

Pyonyang Friendship, National Route 6, Siem Reap, Kambodscha; Tel +855-63/650-3822; Abendessen für zwei Personen etwa 90 US-Dollar

Pyongyang Okryu, Sukhumvit 25, Bangkok, Thailand; Tel +66-02/020-0220.

Fotos: B. Linnhoff (6), Bangkok Post (1), Japan Times (1)