Beginnt eine neue Ära? Ein Elefant mit drei Köpfen und ein Buch auf Achse
Liebe Freunde, WeggefährtInnen und Südostasienfans,
wie gehe ich, wie gehen wir alle mit neuer Zuversicht ins Jahr 2023? Selten habe ich so ungern zurückgeblickt, selten feierte ich so skeptisch in die nahe Zukunft hinein. Woran halten wir uns fest nach einem Jahr, das mit Pandemie und Krieg unsere elementarsten Bedürfnisse bedrohte: Gesundheit und Sicherheit.
Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff
Meine Frau findet Halt im buddhistischen Glauben, das ist ihre Bastion. Für ihre Gebete zum Jahreswechsel wählte sie den Wat Chaimongkol in Chiang Mai. Die buddhistische Stätte im Mon-burmesischen Stil steht am Ufer des Ping River und wird gerade an einigen Stellen renoviert. So “kauften” wir mit einer kleinen Spende (20 Baht) je einen Ziegel und beschrifteten ihn mit Wünschen für Familie und Freunde, damit sie eingemauert und Teil des Tempels werden können. Die Wünsche und die Ziegel, nicht die Adressaten.
Bleibt die Frage: Wer ist eigentlich der gut gelaunte Dicke, der in fast allen Tempeln sitzt, auch im Wat Chaimongkol?
Um 900 lebte in China der Bettelmönch Qici, bekannt unter dem Spitznamen Budai („Jutesack“). Er war missgestaltet und dickbäuchig, stotterte und schlief ein, wo immer er hinfiel. Aber er war auch magisch begabt. Auf seinem Körper blieb der Schnee nicht liegen, und er konnte den Regen und andere Dinge vorhersagen. In China verkörpert Budai heute Glück, Reichtum, Gesundheit und Fruchtbarkeit. In Japan zählt er als “Hotei” zu den Sieben Göttern des Glücks. Gründe genug für die Thais, den Jutesack zu adoptieren. Dass die buddhistischen Mönche hier immer dicker werden, soll heute nicht das Thema sein.
Auch Elefantengott Ganesha findet Platz im Wat Chaimongkol, der Multitasker unter den hinduistischen Gottheiten: Gott der Weisheit, des Neubeginns und des Erfolgs. Überwinder von Hindernissen und Zerstörer des Bösen. Ganesha ist geheimnisvoll, gutmütig, naschsüchtig. Letzteres verbindet mich mit ihm, vor allem aber ist er der Schutzpatron der Reisenden und Schreibenden. In dieser Funktion sorgte er 2022 dafür, dass ich ein Buch nicht nur schreiben, sondern dank meines Freundes Oliver Wurm (Sternzeichen Widder, andere Baustelle, egal) auch veröffentlichen konnte.
“Thailand unter der Haut” – ein Buch auf Achse
Inzwischen besitze auch ich ein Exemplar, das den Weg von Deutschland nach Thailand fand und nun zu den Schauplätzen der Geschichten reist. Im Bangkoker Old German Beerhouse trafen Autor und Buch Andy Christe, einen gebürtigen Hessen und leidenschaftlichen Fan von Eintracht Frankfurt.
Andy ist seit 1986 als Gastronom in Bangkoks Nachtleben aktiv und unterstützte mich bei meinen Recherchen für die Kapitel zu Bangkoks Nächten. Jeden Tag erhalte ich von Leserinnen und Lesern positive Reaktionen, die ich gerne mitnehme ins neue Jahr!
Der Elefant mit den drei Köpfen
Ein Blick zurück auf meine kürzliche Woche in Bangkok. Das Erawan Museum im Vorort Samut Prakan ist schwer zu verfehlen. Oben thront, 29 Meter hoch und 250 Tonnen schwer, der größte Elefant der Welt mit drei Köpfen. Bedeckt mit 300.000 Kupferplättchen, womit das Gebäude auch das größte Kupfermuseum der Welt ist. Gibt es heute überhaupt noch Sehenswürdigkeiten, die nicht auf einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde schielen? Abgesehen davon, dass ich die Kupferplättchen mit bloßem Auge nicht einmal erkennen konnte.
Das Innenleben des Museums gestaltete der deutsche Künstler Jacob Schwarzkopf; ich hoffe, ich kann zu einem anderen Zeitpunkt näher auf seine spektakuläre Arbeit eingehen, auf die fantastische Kuppel aus Buntglas zum Beispiel. Im Museumsgarten trafen wir mythische Fabelwesen, weitere Elefanten und eine generationsübergreifende, familiäre Tanzgruppe, die gerade von einer Vorführung kam.
Fotos B. Linnhoff/Kesorn Chaisan
Nach dem Ausbau der BTS-Linie Sukhumvit ist das Erawan Museum nun deutlich schneller zu erreichen als vor Jahren noch. Die Station Chang Erawan steht 450 Meter vom Museum entfernt.
Ruhe : Chaos – Thailands Kunstszene und die Themen des Jahres
Stehen wir am Beginn einer neuen Ära? Oder war 2022 nur die Blaupause für 2023? Der Geologe Dr. Colin N. Waters glaubt, bald könnte das Anthropozän beginnen, das Zeitalter des Menschen. Wenn wir einmal in Ruhe betrachten, was der Mensch in den letzten beiden Jahrhunderten auf dem Planeten Erde veranstaltet hat, sieht es eher danach aus, als hätte die neue Ära längst begonnen. Anlass zum Optimismus gibt sie nicht.
Es liegt an uns, ob Frieden und Liebe unsere Zukunft bestimmen oder die Fortsetzung des Totentanzes, der mit der russischen Invasion in der Ukraine ein neues Kapitel startete. Leider entscheiden nur wenige Menschen die Wahl, doch sie haben die Macht.
In den Exponaten der aktuellen Bangkok Art Biennale und den Galerien der Hauptstadt dominieren die Themen, die den meisten Menschen 2022 und in der Vorausschau auf 2023 zu schaffen gemacht haben: persönliche Verunsicherung, Zukunftsangst, Migration, Krieg, Einsamkeit. In Thailand ist die Angst vor dem Covid-Virus noch nicht verflogen, die Menschen tragen weiterhin die Maske.
Verluste in den letzten Tagen des Jahres
Auf den letzten Metern des Jahres musste ich mich von zwei Menschen verabschieden, die ich aus unterschiedlichen Gründen und Erfahrungen sehr geschätzt habe. Mein langjähriger Kollege Ludger Schulze starb am zweiten Weihnachtstag; Klaus Hoeltzenbein und Claudio Catuogno schrieben einen wunderbaren Nachruf. Am 29. Dezember starb “O Rei”, der König. Ich hatte das Glück, Pelé zweimal zu begegnen, in der Geschichte “Zeitreise mit Pelé, Calli und dem Papst” habe ich die Treffen festgehalten.
2023: Was wir tun können
Wir werden vieles nicht beeinflussen können. Fangen wir also da an, wo wir die Macht dazu haben: bei uns selbst (Bild rechts: Poorboy). Es liegt an uns, das Beste aus jedem Tag zu machen, solange wir nicht vor existenziellen Bedrohungen stehen.
Aus Chiang Mai wünsche ich euch ein gesundes, glückliches, freudvolles Jahr 2023. Der Wunsch nach Frieden eint uns alle.
Bis die Tage,
Khun Ben
Hallo und danke für solche Informationen, die mal ausnahmsweise perfekt geschrieben sind. Warum ist das besonders inThai-Deutschen Gruppen so anders? Ich nehme gern Rücksicht auf die 12% Schreib-Kranken in einer ansonsten gesunden Gesellschaft, bei denen die Sprache ein Kulturgut ist.
Der Hinweis auf das Erawan-Museum ist wichtig und man kann dort auch ein kleines Buch mit vielen Infos kaufen. Warum machen aber alle so verschämt einen Bogen um die vielen, ausgesprochen erotischen Darstellungen und Malereiern (Treppenaufgang) in diesem wunderbaren Gebäude? Nirgendwo habe ich das so gesehen, wie ich es fotografiert habe. Poetisch und ästhetisch, aber lustvoll…
Grüße und viele gute Wünsche für 2023 von Manfred Spies in Pak Chong
Hallo Manfred, danke für deine Zeilen! Wir hatten im Erawan-Museum leider nicht viel Zeit. Daher sind mir die erotischen Darstellungen und Malereien nicht einmal aufgefallen. Ich muss wohl nochmal hin…