Prominente Verstorbene 2024 – Collage: Der Spiegel
2025 wird wegweisend für Deutschland und die Welt
Foto: Brandon Bell/Pool via AP, File
Liebe Freunde, WegbegleiterInnen und Südostasienfans,
“Götterdämmerung” schreibt die Süddeutsche Zeitung in ihrer Bilanz eines Fußballjahrs, in dem uns viele beliebte Protagonisten verließen. 2024 begann mit der Hiobsbotschaft vom Tod Franz Beckenbauers, ihm folgten schon bald die Weltmeister Andreas Brehme und Bernd Hölzenbein. Christoph Daum und Karl-Heinz Schnellinger starben, Dieter Budenski und Willi Lemke. Menschen, mit denen mich, unterschiedlich intensiv, mehr verband als nur die professionell-nüchterne Beziehung zwischen Sportler und Journalist. Manchmal auch nur die eine oder andere Anekdote. Mir fiel auf, dass es einen ganz bestimmten Moment gibt, der uns sagt, wie stark wir mit diesen Menschen zu ihren Lebzeiten verbunden waren. Es ist der Moment, in dem wir von ihrem Tod erfahren. Die erste, spontane Reaktion ist reines Gefühl, ungefiltert durch konkrete Erinnerungen.
In diesen ersten Augenblicken dachte ich nicht an die Lichtgestalt Franz, den Elfmeterschützen Andi oder das Schlitzohr Holz. Ich dachte an drei Menschen, die ich sehr mochte, an die persönlichen Momente abseits der Arbeit, wenn sich hinter dem Frotzeln schon bei der Begrüßung gegenseitige Akzeptanz verbarg und manchmal Wertschätzung.
Es ist schon einige Zeit her, dass ich als Journalist die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei ihren Auftritten in aller Welt begleitete. Das Privileg bestand nicht darin, bei ihren Spielen im Stadion live dabei zu sein. Für mich bestand bestand es vielmehr darin, dass wir Journalisten damals mit Trainern und Spielern unter einem Dach wohnten. Wenngleich das nicht immer gesund für beide Seiten war und oft Reibung erzeugte. erlaubte es zugleich Nähe und persönliches Kennenlernen. Ein Gespräch auf dem Hotelzimmer, face to face, hatte schon vom Rahmen her eine andere Qualität als ein offizielles Interview auf der Terrasse. Das alles war meinen Nachfolgern nicht mehr möglich nach dem Auftauchen der Onlinemedien und der stark wachsenden Zahl der Medienvertreter. Inzwischen kontrollieren Verband, Klubs und Berater Begegnungen und inhalte.
Freunde in Deutschland fragen sich – und inzwischen auch mich -, warum der Fußball in meinem Blog so gut wie keine Rolle spielt. Es ist ein Reiseblog sein, schon klar, sagen sie, aber zumindest in meinem Letter Post aus Thailand könnte er doch ab und an hochploppen. Schließlich hätte er die meiste Zeit meines Lebens bestimmt: als Fan, aktiver Spieler, Journalist.
Ich liebe das Spiel nach wie vor, schaue mir im Fernsehen viele Begegnungen an, wenn sie dank Zeitunterschied nicht gerade am frühen Morgen Thaizeit angepfiffen werden. Das Business Fußball aber ist mir fremd geworden. Die FIFA ist für mich ein Symbol für alles, was nach meinem Dafürhalten schiefläuft, es ist schließlich der Weltverband. Verfolge ich die Aktivitäten seines Präsidenten Infantino, der sich den umstrittensten Mächtigen dieser Welt anschmiegt wie eine läufige Katze, komme ich zu meinem eigenen Erstaunen nicht umhin, seinen Amtsvorgänger Blatter als Ikone moralischer Integrität und transparenten Geschäftsgebarens zu preisen. Dass im Fußball auf hohem Niveau jeder Beteiligte reich werden kann, stört mich hingegen nicht. Es ist der weltweiten Popularität des Spiels und seiner extensiven Vermarktung geschuldet. Leider landet meist nicht einmal ein kleiner Teil der Wahnsinnssummen bei Menschen, die es am nötigsten hätten.
Viele Fußballfans können an einem konkreten Datum festmachen, wann sie diesem Spiel verfielen. “Bei den Übertragungen der WM 1966”, sagt mein Bruder Wolfgang. “Für mich hat der Fußball 1983 angefangen”, konstatiert Freund Alex. Vom individuellen Alter hängt es dann ab, ob Pelé ihr Idol wurde oder Maradona oder Messi. Ich aber habe mich schon früh auch für die Geschichte des Fußballs interessiert, die 1872 mit dem ersten offiziellen Länderspiel zwischen Schottland und England begann und torlos endete. Aus meinen Recherchen erwuchs ein Archiv von 1872 bis 1986 in etwa 70 Din-A 4-Ordnern, die seit meiner Auswanderung 2008 in einem Lager in Hamm/Westfalen auf einen Freak warten, der sie einfach nur abholt; unser Häuschen in Chiang Mai ist zu klein für den Schatz.
Für mein Archiv kaufte ich u. a. auch die Original-Jahrgänge von Kicker und Fußball-Woche ab etwa 1920. Also auch die Jahrgänge 1929 bis 1944. Nach der umfangreichen Lektüre dieser Sportzeitschriften, die ab 1933 immer mit politischen Botschaften durchsetzt waren, habe ich auf einem Nebengleis begonnen, den Aufstieg und die Herrschaft der Nazis in Deutschland zu ergründen und zu verstehen. Ergänzt durch Gespräche mit meinen Eltern und dem Studieren von Büchern, Magazinartikeln, Filmen und Dokus. Ist ja alles in Fülle vorhanden. Mein intensives Bemühen trägt heute neue Früchte. Wenn ich der Kommunikation, der Strategie sowie den Werten und Zielen der AfD auf den Grund gehe, muss ich nicht bei Null anfangen. Umso schwerer fällt mir das Eingeständnis, dass die beiden letzten deutschen Regierungen mit ihrer Politik durchaus am Aufstieg einer Partei beteiligt waren, die gerade dabei ist, die Demokratie auszuhöhlen.
“Demokratie ist anstrengend”, schreibt Publizist Gabor Steingart, “und sie muss sich zunehmend behaupten gegen die Verführbarkeit der vermeintlich einfachen Antworten auf eine wirtschaftlich und geopolitisch komplizierte Welt.”
Wir werden sehen, was die Wähler Donald Trumps in den USA in einem Jahr über ihren Präsidenten sagen werden, der öffentlich und ungestraft als “trickster” bezeichnet werden darf, als Betrüger. Seinen kongenialen Stiefzwilling Elon Musk interessiert es wenig, wer unter ihm US-Präsident ist. Beide werden sicher ein unterhaltsames Jahr abliefern. Vermutlich würde Musk das auch allein schaffen, wie er bereits mit seiner aktuellen Unterstützung rechtsgerichteter Politik in diversen europäischen Ländern zeigt. Oder in seinem Statement, nur die AfD könne Deutschland retten. Vielleicht aber will er auch nur die EU mit besonders trickreichen Schachzügen destabilisieren, wer weiß das schon? Schließlich ist schwer zu unterscheiden, wo der visionäre Unternehmer Musk aufhört und der manische Manipulator anfängt. Ist es nicht ein Zeichen unserer Zeit, dass der mit 400 Milliarden Dollar Privatvermögen reichste Mann der Welt auch ihr mächtigster ist? Kein Politiker, ein Unternehmer.
Vor einigen Wochen habe ich beschlossen, mir künftig die meisten Nachrichten der Welt emotional vom Leib zu halten. Die furchtbaren Bilder aus der Ukraine und aus Gaza und vieles mehr. Auf der Zielgeraden meines Lebens wollte ich mich ganz auf den kleinen Kreis konzentrieren, der mich umgibt, und diesen Menschen ein Freund und wohlwollender Gesprächspartner zu sein.
Dann passierte Magdeburg, dann fühlte Musk den Drang, seine Dummheiten in die Welt zu kotzen. Immerhin weiß ich nun, dass Alice Weidel ihn nicht an Hitler erinnert. Aber ich weiß auch, dass Musk trotz oder wegen seines Wortdurchfalls gefährlich ist, Stichwort Macht. Nun halte ich meinen persönlichen Rückzug nicht mehr für angemessen. Mein Wählen am 23. Februar ist ein kleiner, großer, unverzichtbarer Baustein meiner Teilnahme am politischen Prozess. Wen ich wähle, wird sich noch entscheiden. Fest steht, dass es eine Partei sein wird, die mein Grundverständnis von Demokratie teilt.
“Wenn die subjektive Lebenszufriedenheit der Menschen sinkt, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie beim nächsten Mal die gegnerische Partei wählen oder einen populistischen Kandidaten. Wenn die Lebenszufriedenheit der Menschen steigt, sind sie eher bereit, für die Regierungspartei zu stimmen”, sagt der finnische Glücks-Philosoph Frank Matela. So einfach kann es sein. Da können Werte wie Freiheit schonmal auf die Ersatzbank rücken.
Vermutlich bin ich nicht allein mit dem Gefühl, vor einem in vielerlei Hinsicht wegweisenden Jahr zu stehen, für Deutschland und die Welt. Franz Beckenbauer, Bernd Hölzenbein, Andreas Brehme, Toto Schillaci, Karl-Heinz Schnellinger, Johan Neeskens, César Luis Menotti, Mário Zagallo, George Eastham, Christoph Daum, Dieter Lindner, Willi Lemke, Dieter Burdenski, Kurre Hamrin, Heinz Simmet, Ronny Borchers, Sven-Göran Eriksson, Miguel Ángel, Ulrik le Fevre, Peter Kunter, Coşkun Taş, Willi Giesemann – sie alle werden 2025 nicht mehr erleben. Holger Gertz – Chapeau einmal mehr! – hat seinen bewegenden Rückblick auf die Toten des Fußballjahrs 2024 “Götterdämmerung” überschrieben. Da darf bei uns Liebhabern ein bisschen Nostalgie schon sein. “Man glorifiziert sie (Anm.: die Legenden)”, schreibt Gertz, “weil die Zuversicht ihrer Zeit weg ist, die Lebensfreude. Man glorifiziert die alten Zeiten aus Angst vor den neuen.”
Nehmen Sie Platz, meine Damen und Herren, es gibt noch freie Sitzplätze für 2025. Aber bequem wird`s nicht.
Auch der Satz “Die Macht mag sich ändern, aber die Getränke bleiben dieselben” hat einiges von seiner tröstenden Kraft verloren.
Dennoch wünsche ich euch ein Jahr 2025, das Sorgen verscheucht, alle Befürchtungen Lügen straft und reichlich Raum lässt für Freunde, Freude und Liebe!
Wir sehen uns!
Euer
Khun Ben
Hallo Bernd,
wie immer ein purer Genuss!
Ja nicht aufhoeren :-)
VG
Philipp
Danke dir!
Lieber Bernd,
Ich schließe mich dem Kompliment von Ulrich Hansbuer an, wenn auch nur recht jung und bescheiden als Leser deiner Posts und deines famosen Buchs „Unter der Haut“.
Bleib im neuen Jahr gesund und munter, alles Gute für dich und deine Frau.
Liebe Grüße aus Deutschland,
Alfred
Lieber Alfred, schöne Worte, sie freuen mich! Dir und deiner Familie wünschen Toey und ich ein glückliches Jahr!
Liebe Grüße aus Chiang Mai,
Bernd
Lieber Bernd!
Wahre Worte, die wir in Deinem persönlichem Rück-/Vorblick lesen durften.
Dir, Deiner Frau und allen, die Dir lieb und wertvoll sind, wünschen wir ein gutes neues Jahr mit viel Glück, Gesundheit und Zufriedenheit!
Liebe Grüße aus der „useligen“ Eifel!
Erwin und Erika
Lieber Erwin, danke für deine Zeilen! Dass es in der Eifel gerade uselig ist, kann ich mir gut vorstellen. Auch dir und Erika ein gelückliches, gesundes Jahr! Liebe Grüße auch von meiner Frau, euer Bernd.
Lieber Bernd, es macht immer wieder Freude dich zu lesen – damals deine Berichte als Kollege, wie heute deine Gedanken zur Lage der Welt. Wenige Stunden vor dem Jahreswechsel wünsche ich Dir alles Gute für 2025. LG
Lieber Uli, danke für dein Kompliment! Ich w+nsche dir aus Chiang Mai ein glückiches und gesundes Jahr!