Die Wahrheit ist nicht immer schön

Soe schenkt sich das x-te Bier des Tages ein und uns dann endlich reinen Wein.

Meine Vorauszahlung für Hotels und die Bagan-Flüge hat er in seine Frau investiert. Seine Augen schwimmen, seine Worte auch.

Es wird dunkel in Yangon. Unmittelbar neben uns erklärt eine temperamentvolle Mutter ihrer Tochter das Leben. Wir sitzen in einem kleinen Restaurant an der Straße; Tische, Stühle, Geschirr: alles Plastik. Das Essen zum Glück nicht.

Die Lage ist eindeutig: Wir haben Hochsaison, aber am nächsten Morgen keinen Flug nach Bagan und dort auch keine Hotelreservierung.

Gebucht hingegen haben wir eine Ballonfahrt über die Tempel von Bagan. Auch dieses Abenteuer gibt es nur gegen Vorkasse; 700 längst überwiesene Euro lagern daher bereits auf dem Singapur-Konto der Firma Eastern Safaris Ltd. Doch ohne Flug nach Bagan platzen die Ballons und die Fahrt.

Mit blauem Auge davon gekommen

Ich gehe auf eine Zigarette an den Straßenrand. Schaue mir die Häuserfassaden an, deren dunkles Grau schon am frühen Abend alle Konturen tarnt, und blicke auf unser Restaurant. „Kann es sein“, frage ich Soe Thu Ra, „dass wir hier bei meinem letzten Besuch schon mal waren?“ „Ja“, sagt er. „Dann ist doch das Reisebüro ganz in der Nähe, für das du arbeitest?“ „Ja.“

Mein erster Besuch: Momentaufnahme im Reisebüro (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Es dauert eine Weile, bis ich ihn in Richtung Reisebüro schieben kann. Schließlich stehen wir vor dem mit Eisengitter gesicherten Aufzug. Fahren hoch in den fünften Stock. Es ist mittlerweile 19 Uhr, und gerade schließt der letzte Mitarbeiter ab. Feierabend.

Moment bitte, sage ich und schildere dem Mann die Sachlage. Soe bestätigt sie trunken, aber glaubwürdig. Beide verschwinden hinter einer gläsernen Tür. Auch ohne Ton kann ich das heftige Gestikulieren als Auseinandersetzung erkennen. Nach einer halben Stunde überreicht mir der Mann von der Reiseagentur zwei Flugtickets nach Bagan für den nächsten Morgen und sagt: „Bezahlt sind sie ja schon.“ Dazu ein Voucher für zwei Nächte im Kaday Aung Hotel in Neu-Bagan: “Die Rechnung übernehmen wir natürlich.”

Klingt in meinen Ohren wie „Und der Scheck ist in der Post“.

Abflug um sechs Uhr. Mit Asian Wings. Nie zuvor gehört. Um 4.30 Uhr nehmen wir ein Taxi zum Flughafen. Meine beste Zeit ist das nicht, und der Kollegin am eindrucksvollen Schalter von Asian Wings scheint es ähnlich zu gehen.

Eine gute Stunde dauert der Flug mit dem Turboprop-Hochdecker ATR 72-500. Vom Flughafen Nyaung-U ist es nicht mehr weit zum Kaday Aung Hotel in Neu-Bagan. „Leider ausgebucht“, hören wir, „eine Reservierung liegt uns nicht vor.“

Service ist Verdienst am Kunden.

Nun wird das blaue Auge doch noch zum Veilchen.

In einem kleinen Tempel nahe unserem Hotel in Bagan (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Wir meditieren ein wenig über Wege aus der Geduld. Beim nächsten Versuch aber lacht uns endlich das Glück der Hartnäckigen. Aus Neu- mach Alt-Bagan, und dort beziehen wir das letzte freie Zimmer im wunderschönen Bagan Hotel River View  – am Ufer des Ayeyarwaddy und doch mitten im Tal der 2000 Pagoden und Tempel. Einer der kleineren steht direkt neben dem Hotel-Restaurant, drinnen sitzt ein Buddha; ein großer Tempel bewacht den Eingang, der Kyarmarpat, den wir bei Tag und bei Nacht vom Zimmer aus sehen.

Am Nachmittag kurven wir mit der Pferdekutsche auf sandigen Pisten durch die Landschaft, bestaunen das reiche Innenleben des Ananda und den Thatbinnyu, mit 61 m das höchste Monument Bagans. Zum Sonnenuntergang klettern wir auf den Kyasin-Tempel. Diese Idee haben wir nicht exklusiv. Ein paar US-Touristen sind schon da. Mit ihnen teilen wir uns den von Wolken verdeckten Sonnenuntergang und den Blick auf ihre bezaubernde burmesische Reiseführerin.

Für mich ist es der zweite, erneut aufregende Besuch in Bagan, Burmas Hauptstadt vom 9. bis zum 13. Jahrhundert. Damals wurde es Mode, mit dem Bau von Tempeln und Stupas Verdienst zu erwerben fürs aktuelle Leben und das nächste. Das Ergebnis: 42 Quadratkilometer gesprenkelt mit religiösem Mauerwerk.

Den nächsten Morgen sehnen wir herbei, obschon wir erneut zu einer unangenehmen Zeit aus dem Bett purzeln werden. Wir erhoffen klare Sicht, damit ein Traum wahr werden kann, den wir erst seit Kurzem haben: Zum Sonnenaufgang im Ballon über den Tempeln von Bagan.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Fotos: Faszination Fernost/Bernd+Walter Linnhoff

Die Fortsetzung:

Krönender Abschluss – Im Himmel über Bagan