Update 28. Mai 2022: Neustart mit Fragezeichen

Andy Christe (Mitte) mit Gästen im Old German Beerhouse in der Sukhumvit Soi 11

Andy Christe ist gelernter Gärtner und Fan der Frankfurter Eintracht, was nicht zwangsläufig auf die Laufbahn hindeutet, die er einschlug. Wie so viele Expats kam er auf Stippvisite nach Bangkok – und blieb. 

1981 verließ er, 21 damals, seine hessische Heimat und arbeitete in Saudi-Arabien fünf Jahre lang für den deutschen Baukonzern Philipp Holzmann AG: „Im Landschaftsbau und vor allem in der Bewässerungstechnik, für Krankenhäuser und Fußballplätze zum Beispiel.“ 1986 reiste er nach Bangkok, um Urlaub zu machen. „Wie so oft im Leben kam alles ganz anders. Mit zwei Partnern habe ich in die Tilac-Bar in der Barstraße Soi Cowboy investiert. Eigentlich wollte ich anschließend einmal im Jahr auf Urlaub zurückkommen und den Ertrag meiner Beteiligung abholen. Dann aber gab es im Tilac ein paar Zweifel am amtierenden Manager. Ich hatte die Wahl, mich komplett von meinem Geld zu verabschieden oder den Job selbst zu machen. Das habe ich dann gemacht, obwohl ich völlig unbedarft war. “

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Bei Tag und bei Nacht: Seit 1986 lebt Christe als engagierter Gastronom in Thailand Hauptstadt. Nur erlebte Erfahrung zählt, heißt es. So ist Andy Christe der ideale Gesprächspartner, um nach diversen Lockdowns, Ausgangssperren und anderen Hindernissen über die aktuelle Lage der Restaurants und Bars in Bangkok zu sprechen. 

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Faszination Fernost: Welche Erinnerungen verbindest du mit deiner Anfangszeit in der Soi Cowboy?

Andy Christe: „Im Tilac lief es anfangs so, dass man gerade davon leben konnte. Natürlich habe ich auch Lehrgeld gezahlt. Aber im Rückblick war meine Unbedarftheit vielleicht sogar ein Erfolgskonzept, weil ich an alles mit frischen Gedanken heranging. In der Bar ging es zu wie in einer großen Familie, im Team und mit unseren Gästen. Das gefiel mir. Später änderte sich das schleichend. Ende der Achtzigerjahre begann der Anstieg des Tourismus; mit dem Boom und immer mehr Gästen stiegen die Einnahmen, das Geld spielte eine immer größere Rolle. Gut fürs Geschäft, aber mit der Gemütlichkeit war es vorbei.“ 

FF: Immerhin schien es eine gute Zeit für Investitionen.

AC; Jedes Investment war ein Risko, aber im Vergleich zu heute überschaubar. Und ich hatte immer Partner, die sich untereinander vertrauen konnten. Damals habe ich auch in das Beluga Bistro in der Soi Cowboy investiert, Das sollte eine After Hour Bar sein, aber anders, als man den Begriff in Europa versteht. Für Entertainmentbetriebe war zu der Zeit ein oder zwei Uhr nachts Feierabend, Danach sammelten wir alle ein, die noch nicht nach Hause wollten. Das war unser Geschäft, für das wir einen informellen Weg gefunden hatten. Aber nur für ein paar Monate. Dann mussten wir schließen und eröffneten an selber Stelle die Butterfly Bar, die aber nie so richtig in Schwung kam. Heute steht dort das Country Road. Später übernahmen wir noch die Bar Black and White, die wir dann wieder verkauften. Auch das Tilac-Restaurant in der Soi 1 kam zeitweise hinzu; dort steht heute ein 7-Eleven Supermarkt.   

Old German Beerhouse on 13

FF: Wo bist du heute noch ins operative Geschäft eingebunden und wo beteiligt?

AC: Beteiligt bin ich mit Partnern an den Restaurants Old German Beerhouse on 11 in der Sukhumvit Soi 11, dem jüngeren Old German Beerhouse on 13 in der Parallelstraße Soi 13, an der Sportsbar Penalty Spot (Sukhumvit 29) und an der Go-Go-Bar Tilac.  Operativ kümmere ich mich nur noch um das Beerhouse in der 13.

FF: Warum habt ihr neben dem beliebten Beerhouse in der 11 noch ein zweites in der Nachbarschaft eröffnet?

AC: Unser Vertrag in der Soi 11 endete nach 15 Jahren. Das ganze Haus mit dem Hotel über uns sollte entkernt und modernisiert werden. Parallel zu dieser Entwicklung hatten wir bereits angefangen, das Beerhouse in der 13 aufzubauen. Als wir aus dem einen Lokal rausmussten, feierten wir im neuen Eröffnung.

Das Restaurant hat sogar super eingeschlagen. Dort haben wir mehr Residenten unter den Gästen, Menschen, die in der Nähe wohnen. In der 11 war der Anteil an Touristen höher. Schließlich erhielten wir das Angebot, das alte Beerhouse neu aufzubauen. Stromleitungen, Toiletten – wir fingen bei Null an und mussten viel Geld in die Hand nehmen. Aber es war die richtige Entscheidung, der Laden lief. Dann kam Corona.

Die Mieten liefen weiter

FF: Wie habt ihr die Pandemie letztlich überstanden?

AC: Auch als die Betriebe geschlossen waren, liefen die Mieten liefen weiter. Das waren Riesenkosten. Dann hatten wir ein Beerhouse geöffnet, doch die Ausgangssperre in Bangkok begann um 22 Uhr. Das hieß: Gäste und Personal mussten bis 22 Uhr zuhause sein. Wo sollte da Geschäft herkommen? Warum sollten wir die Sportsbar Penalty Spot öffnen? Livemusik und Alkoholausschank waren nicht erlaubt. Und beim Anpfiff der meisten Spiele in der Bundesliga und der Premier League hätten wir schließen müssen,

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FF: Schauen wir in die Glaskugel: Wann kehren die Touristen in halbwegs normaler Zahl nach Thailand und nach Bangkok zurück?

AC: Wenn ich das wüsste, wäre ich weit vorn. Es wird natürlich dauern, bis wieder ähnlich viele Menschen eintreffen wie vor der Pandemie. Warum, so könnte man fragen, haben meine Partner und ich in der ganzen Zeit Miete gezahlt? Um unsere Lokale nicht aufzugeben und die Option auf die Zukunft zu wahren. Das war die schwierigste Entscheidung überhaupt. Letztlich haben wir sie nur vor uns hergeschoben. Für unsere beiden Restaurants sehe ich auch in einer neuen Normalität gute Chancen. Gäste aus aller Welt lieben die Küche, auch die Thais mögen es herzhaft.

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FF: Die Sportsbar Penalty Spot hat wieder geöffnet. Und die Go-Go-Bar Tilac?

AC: Mit der Entwicklung im Penalty Spot bin ich ganz zufrieden. Es ist natürlich kein Vergleich mit früher. Auch das Tilac ist nun wieder geöffnet. Aber da müssen wir die Entwicklung abwarten. Erst einmal kommt es darauf an, wieder Personal zu bekommen. Das ist ja komplett weg, weil wir auch keine Gehälter mehr zahlen konnten, als die Bar geschlossen war.

FF: Go-Go-Bars sind elementarer Teil des berühmt-berüchtigten Bangkoker Nachtlebens.

AC: Schon. Aber bereits vor der Covid-Krise schien mir dieses Konzept zu schwächeln. Das Tilac war nicht mehr so voll wie früher. Die jüngeren Männer gehen heute eher in Diskotheken, um dort Frauen zu treffen. Auch die Frauen, die mit den Männern Geld verdienen wollen, gehen lieber dorthin, als in einer Ladybar zu arbeiten.

Dazu kommen Dating-Apps wie Tinder. Viele Männer und Frauen verabreden sich heute gleich online. Wir werden es sehen. Vielleicht sind andere Barbesitzer zuversichtlicher als ich. Schließlich habe ich auch nicht damit gerechnet, dass meine Eintracht den UEFA-Cup holt! Der Hammer! Bald werden wir wissen, wer hat in der lokalen Gastronomie wirtschaftlich überlebt hat und wer nicht? Aber ich bin mir sicher, dass Bangkoks Nachtleben künftig anders aussehen wird als vor der Pandemie.

Vergangen ist vergangen und die Zukunft offen