Titelfoto: Peter Weingand
Anirut Jeungsutprasoert hatte einen Traum
Von Peter Weingand
Durch Reis- und Gemüsefelder, an Früchtegärten und Teakbäumen vorbei fahre ich auf der Nationalstrasse Nr. 107 von Chiang Mai in Richtung Norden. Die Strasse schlängelt sich an einem eindrucksvollen Bergpanorama entlang, Dörfer, Siedlungen, Schulen und die steilen Giebel der Thai Tempel säumen den Weg. Doch plötzlich, etwa 120 km nördlich von Chiang Mai, kurz vor dem Marktflecken Chai Prakan, steht ein leuchtend roter japanischer Torii-Bogen in der Landschaft. Und ich frage mich unwillkürlich: Wie kommt der denn hierher?
Der riesige Torbogen markiert den ansonsten leicht zu übersehenden Eingang zum Hinoki Land. Was wie eine Marketing-Plattform für japanische Milchprodukte tönt, sind in Wirklichkeit 14 landschaftlich beeindruckende Hektar Japan in Nordthailand.
Hinoki Land ist der Realität gewordene Traum von Anirut Jeungsutprasoert. Fast zwanzig Jahre lang lebte der heute 64-jährige thailändische Geschäftsmann in Japan. Seine Eindrücke aus dem Gastland ließen ihn auch zu Hause nicht los. Schon bei seiner Rückkehr schwebte ihm die Vision vor, ein Stück Japan nach Thailand zu versetzen. Das ungewöhnliche Unterfangen ist ihm perfekt gelungen.
Wer den Toriibogen am Eingang durchschreitet, fühlt sich nach Japan versetzt. Während der 17 Monate Bauzeit des Themenparks überwachte Anirut alle Schritte bis ins Detail und stellte so sicher, dass die japanischen Vorbilder so getreu wie eben möglich nachgebaut wurden. Hinoki ist der japanische Name für eine Zypressenart, deren Holz gerne für spirituelle Gebäude wie Tempel und Schreine verwendet wird. In Laos wurde Anirut mit der gleichen Baumart fündig und kam so der Realisierung seines Traums näher. Das Eingangstor mit seiner gigantischen Laterne ist eine Kopie des „Donnertors“ im Sensoji Tempel in Tokio.
Die Galerie der 88 roten Torii-Tore, die zum Zentrum von Hinoki Land führen, wurden einem Schrein in Kyoto nachempfunden und schnell zum fotogenen Prunkstück der Anlage. Thailändische Touristinnen lassen sich gerne in traditionelle Kimonos kleiden, um ihren „Besuch in Japan“ Selfie-gerecht vor fast echter Kulisse zu dokumentieren.
Kernstück der Anlage ist schliesslich das Hinoki Castle, eine imposante vierstöckige Holzstruktur, erbaut nach dem Vorbild des Kinkakuji-Tempel in Kyoto. Das Holzschloss liegt am Ufer eines kleinen künstlichen Sees.
Seit der Fertigstellung vor fünf Jahren begeistert Hinoki Land zahlreiche Besucher und Besucherinnen, die sich für eine oder zwei Stunden in den ganz Fernen Osten entführen lassen wollen, ganz nach der Vision des Initiators.
Vor drei Jahren wurde die Anlage vom Department of Cultural Promotion in die Top-10-Liste beliebter thailändischer Kulturanlagen aufgenommen. Die Nominierung rief umgehend Kritiker auf den Plan. Sie fanden, dass eine Attraktion, die eindeutig eine ausländische Kultur veranschaulicht, nicht in die Liste einheimischer Vorzeigeobjekte gehört, verglichen etwa mit dem Jim Thompson Haus in Bangkok, dem Sanctuary of Truth in Pattaya oder dem Haus der Königsmutter auf dem Doi Tung. Der Ausgang des Einspruchs ist nicht dokumentiert.
Sei dem, wie es sei: Ein Besuch im Hinoki Land verspricht auf jeden Fall einen kulturellen Austausch zwischen Thailand und Japan, das eines der beliebtesten Reiseziele der Thais ist, aber nicht für jedermann erreichbar. Wenn ich am stillen See sitze, mit dem edlen Holzschloss im Hintergrund, und das harmonische Ambiente genieße, bin ich in Japan. Zumindest für einen Augenblick.
Foto: Peter Weingand
Zur Person:
Peter Weingand (67)
stammt aus Cham in der Schweiz
lebt seit 1991 in Thailand (Bangkok und Chiang Mai)
Inhaber und Geschäftsführer der Reiseagentur Arosa Travel Service in Bangkok
ZItat: “Reisen ist für mich Beruf und Hobby zugleich”
Da will ich hin!