Buddha im Dschungel

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Gereizt, überfordert, ausgebrannt und müde: Wer diesen elenden Gefühlen, wer dem hektische Alltag entfliehen, kurz: wer mal so richtig runterkommen möchte, der fährt in Chiang Mai den Berg rauf. Den Doi Suthep. Oben, gut 1100 m hoch, liegt der Wat Phra That Doi Suthep Ratcha Woraviharn, der bedeutendste der mehr als 300 Tempel in der zweitgrößten Stadt Thailands.

Wegmarke: An diesem kleinen Tempel geht es links ab von der Straße, 200 m in den Wald hinein (Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Der Wat Doi Suthep ist größer, glanzvoller und überlaufener als das Kleinod auf halber Höhe, links des kurvenreichen Weges, fünf Kilometer entfernt vom Chiang Mai Zoo, wo der Anstieg beginnt. Wat Palad heißt das buddhistische Kloster im Dschungel, viele lassen es links liegen, weil es so selten den Sprung in die Reiseführer schafft.

Gut bewacht (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Winzige Brücken führen über einen Wasserfall, der in der Regenzeit seinen Namen verdient und in der Trockenzeit die Felsen kaum nässt. Schmale Pfade säumen ein kleines Areal, reich an Statuen und Skulpturen. In Marmor und Stuck gehauene Wesen, meist nicht von dieser Welt. Doch voller Kraft und Harmonie, welche Rolle ihnen auch immer zustehen mag in der thailändischen Mythologie.

Tempel am abschüssigen Felsen – so könnte man Wat Palad aus dem Thailändischen übersetzen. Obwohl die Grundmauern seit 650 Jahren stehen, wurde der Tempel erst 1991 von der Regierung als solcher anerkannt. Seltsam genug.

Denn es ist ein magischer Ort. Ruhestätte für versteinerte Mönche und Stätte der Ruhe für uns Rastlose, die hier, inmitten einer längst fremd gewordenen Natur, endlich bereit sind, den Verstand zu verlieren. Ihm zumindest ein kurzes Nickerchen zu gönnen. Um ungefiltert die Schönheit dieses Ortes zu atmen, seine Ruhe, seinen Frieden und seine Energie.

Dafür muss man kein Buddhist sein.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Wer Buddhismus allerdings als Lehre vom einfachen Leben versteht, ist dem Buddha und seiner Lehre im Wat Palad am nächsten. Auch der Christ braucht schließlich nicht die Dimension des Kölner Doms, um sich Gott nahe zu fühlen.

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In die Stille gehen

Bei wachem Verstand nicht zu denken – das ist nur eine mögliche Definition von Meditation. Stille fördert die Achtsamkeit, ein abschüssiger Felsen nur bedingt. Doch Meditieren bedeutet auch Ignorieren von Widrigkeiten – es scheint, als schwebten die Palad-Mönche auf schiefen Ebenen.

Über Jahre haben die Mönche die nötigen Kenntnisse erworben und die erforderliche Gelassenheit, um Junge und Junggebliebene in die Kunst der Meditation einzuweihen. Als geduldeter Zaungast durfte ich einer Lektion beiwohnen. Zwar verstand ich kein Wort, doch der Lehrer schien sein Wissen auf heitere Art zu vermitteln; jeder dritte Satz endete im ausgelassenen Lachen der Schüler. Die dann, von einem Moment auf den anderen, scheinbar mühelos in dem versanken, was gerade noch Theorie gewesen war.

Irgendwann werde ich ergründen, was die mir so sympathische, die verspielte Seite des Buddhismus zu bedeuten hat. Wenn sie etwas zu bedeuten hat. Einen Mönch, der sich in steinernen Eierschalen suhlt, habe ich jedenfalls nicht erwartet im Waldtempel. Und der Sinnspruch „Pünktlichkeit ist die Seele der Arbeit“, scheint mir eher einer deutschen Autowerkstatt entlehnt.

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Ehen werden im Himmel geschlossen und auf Erden gelebt – der Wat Palad ist ein beliebtes Motiv für Hochzeitsfotos.

Es bleibt alles anders

Auf ein Neues – Bauarbeiten im Juni 2020 (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Tempel leben von Spenden, von kleinen und von großzügigen. Im Wat Palad wird schon seit Jahren gebaut, umgebaut, abgerissen, neu errichtet – es muss da einige Spender mit großem Herz und offener Börse geben.

Die sitzenden Buddhas vorher…

Jahrzehnte lang saßen die zehn Buddhas in der brüchigen Gebetshalle weitgehend im Freien. Ein Wellblechdach schützte nur notdürftig gegen Sturm und Regen im Monsun. Nun aber wurde das Gebäude in seiner ursprünglichen Form restauriert, das tropische Klima bleibt draußen und der Verfall der Statuen vollzieht sich künftig in Zeitlupe.

…und nachher (Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Die Gebetshalle heute (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Wo ist sie hin?

Die Meditationshalle ist seit meinen ersten Besuchen gleich ganz verschwunden. Der dort residierende Buddha wurde vermutlich auf einen inaktiven Posten versetzt, ein sehr thailändischer Brauch.

Meditationshalle mit Buddhas: Es war einmal (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)
Warten auf den Neubau (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Der Wat Palad schaut herab auf Chiang Mai

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Chiang Mais spirituelles Zentrum bleibt der Wat Phra That Doi Suthep auf 1100 m Höhe. Der Wat Palad, auf halber Höhe, wirkt wie ein Gegenentwurf zum großen Bruder. Seiner spirituellen Kraft scheint dies gut zu tun. So blickt er gelassen hinunter ins Tal, auf die „Rose des Nordens“, wie Chiang Mai auch genannt wird.

Chiang Mai (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)