Erinnerung an einen seltsamen Ort


Wenn sich eine Tür hinter dir schließt und die nächste sich vor dir öffnet, bist du wahrscheinlich im Gefängnis. Es gibt drei Orte, sagen manche, die uns die wichtigsten Lektionen zur Realität unseres Lebens beibringen. Krankenhäuser – weil sie uns zeigen, wie fragil unsere Gesundheit ist. Friedhöfe – weil wir dort mit unserer Vergänglichkeit konfrontiert werden. Und Gefängnisse – weil sie uns zeigen, wie wertvoll Freiheit ist.
Ich habe mich im Frauengefängnis von Chiang Mai umgeschaut, kurz nachdem die Insassinnen in eine modernere Anstalt mit mehr Fassungsvermögen verlegt worden waren. Ich kam, bevor Teile der alten Anlage plattgewalzt wurden, bevor blickdichte Planen die Graffiti an den Mauern verdeckten und der Zugang nicht mehr erlaubt war.
Auch wenn ich mit keiner der Frauen gesprochen habe, gab es an den kahlen Wänden und den steinernen Leinwänden genügend Hinweise, woran die Eingesperrten dachten, wovon sie träumten. Sie suchten Trost im Buddhismus, beim Gedanken an ihre Kinder, an die Vaterfigur König Bhumipol (der damals noch lebte). Sie sehnten sich nach der unschuldigen Natur, nach etwas Privatsphäre, nach ihrem Heim, nach ihren Partnern.
Als ich den ehemaligen Speisesaal betrat, war ich dankbar für die Option, wenig später in einem ganz normalen Café einen Espresso zu trinken, ein Croissant zu essen.

Bis 2015 stand der Frauenknast (korrekt: Chiang Mai Women’s Correctional Institution) mitten in der Altstadt. Freie Kost und Logis auf Staatskosten für die Insassinnen, gesiebte Luft – wer in der ungastlichen Stätte gefangen ist, kann mit solchen Platitüden nichts anfangen. Die meisten der Frauen, die dort einsaßen, waren wegen Vergehen verurteilt worden, die mit illegalen Drogen zu tun hatten; einige waren wegen Mordes inhaftiert.

Zurück ins Leben – die zweite Chance

Buddhismus ist Staatsreligion in Thailand. Ich nahm an, dass eine solch friedfertige und tolerante Lehre eine Resozialisierung gefallener Sünder leichter macht. Das Gegenteil ist der Fall. Menschen, die im Gefängnis waren, büßen nach Auffassung vieler Buddhisten für Delikte in vergangenen Leben und verkörpern mieses Karma. Ein Glaube, der die Wiedereingliederung ins normale Leben und selbst in den Schoß der Familie erschwert.
Arirat Thiamthong, Direktorin des alten Frauengefängnisses, wusste um diese Probleme. Daher bot sie den Insassinnen bei guter Führung an, ein Handwerk zu lernen. Stricken zum Beispiel; eine junge Frau wollte Schlagzeug spielen. Die meisten aber lernten die Kunst der Thai-Massage, weil sie wussten, dass ihre Chance auf eine Anstellung in dieser Branche am größten war und ist.
Zudem konnten sie schon während der Haftzeit tagsüber in externen Traingscentern arbeiten und im regulären Massageshop mit Gästen etwas Trinkgeld verdienen. Eins der Trainingscenter, angereichert durch ein Museum, steht noch immer direkt gegenüber dem alten Gefängnis; der Massageshop wird von Einheimischen und TouristInnen genutzt, die um die Besonderheit des Ortes wissen.

Die Lila Massage ist mit gleich acht Filialen in Chiang Mais Altstadt vertreten und beschäftigt viele ehemals inhaftierte Frauen. Das hat sich ebenso herumgesprochen wie die Professionalität des Unternehmens. Ich habe mich dort hin und wieder massieren lassen und mit den Masseurinnen gesprochen. “Die Gäste sind mit uns sehr zufrieden”, sagte eine, “aber manchen merkt man an, dass es für sie einen besonderen Kick bedeutete, von Ex-Gefangenen massiert zu werden. Uns stört das nicht. Uns interessiert nur, dass wir hier unseren Lebensunterhalt verdienen dürfen.”

Vielen Dank für den interessanten Bericht und die Bilder! Ich war 2016 zum ersten Mal in einer der Massage-Salons – damals ohne beim betreten zu wissen, wem der Ort Chancen bietet.
Danke für deinen Kommentar, Alex!