Der Hauptdarsteller sträubt sich

Bodo Förster in Luang Prabang (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Anfang Februar 2013 buchte Bodo einen Flug nach Luang Prabang. Er wollte mit seinem Unternehmen ins Nachbarland Laos expandieren und auch dort Elefantentouren anbieten. Laos hieß einst Lan Xang („Eine Million Elefanten“), doch inzwischen war die Population der Tiere auf ein gefährliches Minimum geschrumpft. Vielleicht konnte Tourismus zu ihrem Überleben beitragen.

Der Trip schien mir eine günstige Gelegenheit zu sein, mit Bodo fernab vom Alltag die Idee Buch zu konkretisieren. Ein Buch über sein Leben, eine Biografie – in diese Richtung dachte ich. „Flieg mit“, sagte er. Daraus schloss ich, dass er für das Projekt grünes Licht gab. Seine eigene Ampel aber, so stellte ich bald fest, leuchtete immer noch rot. „Mal im Ernst“, sagte Bodo, „wer soll denn das Buch lesen?“ So genau wusste ich das auch nicht. Die Frage war mehr als berechtigt – 80000 Bücher erscheinen jedes Jahr neu in Deutschland. Ein Markt, der auf uns nicht wartete.

Doch als erfahrener Leser war ich mir sicher, dass Bodos Geschichte ungewöhnlich genug war, um mehr Interessenten zu finden als nur Familie und Freunde.

Lao Airlines/Flughafen Luang Prabang (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Mit einer Propellermaschine der Lao Airlines flogen wir von Chiang Mai in die alte Königsstadt Luang Prabang am Mekong. Das klingt nach Abenteuer und Exotik, obwohl der Flug gerade mal eine Stunde dauert – lange genug immerhin, um den Mekong und die traumhafte laotische Karstlandschaft von oben zu genießen.

Wo der Mekong einen U-Turn macht: Anflug auf Luang Prabang (Foto B. Linnhoff)

Unser Quartier in Luang Prabang, ein einfaches Hotel, lag außerhalb des historischen Viertels. Die winzigen Zimmer boten Bett, Tisch, Stuhl, Kleiderbügel – Feierabend. Bodo benötigt Luxus ungefähr so dringend wie ein drittes Ohr.

Mit dem Frühstück am nächsten Morgen nahte die erste Chance, das Buch mit Leben anzureichern. Bei knusprigen Baguettes, himmlischen Mandelcroissants sowie Capuccino bzw. Milchkaffee im Cafè Le Banneton. Denn beim Essen bevorzugt der Thüringer Bodo – anders als bei der Hotelwahl – das Berliner Motto: Lieber `n bissken mehr, aber dafür wat Jutet.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Ich trug Kugelschreiber und Notizbuch am Mann, das gewohnte Werkzeug, hinübergerettet aus der analogen in die digitale Zeit.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Unseren ersten Dialog kann ich heute noch singen.

„Wenn ich dich richtig verstehe, Bodo, willst du Asiens Elefanten retten…“ „Weiß doch keiner, ob das klappt!“, blaffte Bodo noch vor dem Fragezeichen zurück, „und ich werde in dem Buch das sagen, was ich sagen will. Völlig egal, ob dir das unter kommerziellen Aspekten gefällt oder nicht.“ „Sowieso“, beschwichtigte ich. Doch mein Gegenüber blieb in Fahrt: „Und das sage ich dir gleich: Privates kommt in dem Buch nicht vor!“ Pause. „Und meine Beziehungen schon gar nicht!“ Pause. „Und…“ Aber da grätschte ich dazwischen: „Wenn du mir jetzt noch die Elefanten wegnimmst, wird das ein schmales Buch.“

Das konnte ja heiter werden. Wir schwiegen uns an. Als langjähriger Sportjournalist hatte ich Erfahrung mit schwierigen Interviewkandidaten, Jupp Heynckes war der Prototyp. So überlegte ich, mit welcher unverdächtigen Frage ich Bodo auflockern könnte. „Du hast doch mal erwähnt, dass du kurz nach der Wende erstmals nach Thailand kamst. Wo bist du da gelandet?“

Nach etwa zwanzig zähen Minuten legte der Elefantenmann endlich los. Er erzählte von der Postkarte eines schwedischen Kollegen, von Berlin, von Bangkok, von seiner Ankunft im nordthailändischen Lampang. Und schon bald war ich mir wieder sicher, dass Bodos Leben ein Buch tragen würde. Wenn er denn mitmachte…

Auf zum Elephant Conservation Center

Kor und Bodo (Foto B. LInnhoff)

Nach dem Frühstück trafen wir Kor vom Volk der Hmong, Bodos potentiellen Geschäftspartner in Laos. Wir fuhren zum Elephant Conservation Center in Sayabouri, etwa drei Stunden Landstraße von Luang Prabang entfernt. Dort wollte Bodo sich mal umhören und umschauen.

In der Provinz Sayabouri (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Der Weg durch die laotische Provinz war nicht das Ziel, aber oft atemberaubend schön. Bei einem Zwischenstopp im Niemandsland trafen wir einen Laoten im Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft, womit nicht unbedingt zu rechnen war.

Mit der Autofähre querten wir einen Fluss mittlerer Größe, und auch den letzten Abschnitt absolvierten wir auf dem Wasser – in langsamer Fahrt auf einer Art Hausboot.

Das Conservation Center bestand aus einer Ansammlung einfachster Hütten, bewohnt von jungen Idealisten aus Kanada, Frankreich und natürlich Laos – auch sie wollten ihren Teil dazu beitragen, dass der Asiatische Elefant überlebt.

bei einem Bier im kleinen Restaurant beobachtet Bodo die vier Elefanten des Camps aus ca. fünfzig Metern Entfernung: Eine etwa 60jährige Kuh, zwei junge Kühe, ein junger Bulle. „Das passt nicht“, sagte er bald, „der Bulle zum Beispiel wird von der Alten nicht akzeptiert. Eine andere Zusammenstellung wäre besser.“ „Es sieht so aus“, schränkte Bodo nach Gesprächen mit den jungen Betreibern ein, „dass die Idealisten hier keine anderen Möglichkeiten haben.“

Denn die Bürokratie der Demokratischen Volksrepublik Laos schien null Interesse daran zu haben, das Engagement der Idealisten zu unterstützen und so zu zeigen, dass auch dem Land Laos an einer Zukunft der Elefanten gelegen war – immerhin verkörpern sie nationales Vermächtnis. Doch Ausländer zu unterstützen, wäre ein Eingeständnis der eigenen Versäumnisse.

Wir fuhren noch am selben Tag zurück. Nach weiteren Gesprächen mit Bodo „standen“ die ersten Kapitel des geplanten Buches.

Auf der Rückfahrt nach Luang Prabang (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Wenige Wochen später aber stellte ich fest, dass ich fand einfach keinen Weg fand, Bodos unstetes Leben in den Neunzigerjahren in eine sinnvolle Struktur zu packen. In jenen Jahren war der Mann mal in Deutschland, mal in Myanmar oder Laos, mal für kurze Zeit beim Tierpark Friedrichsfelde angestellt und dann wieder entlassen. Mal zählte Bodo Elefanten in Vietnam, um wenig später in Berlin für Kinder den Verkehrspolizisten zu spielen. Zwischenzeitlich gründete er in Thailand das Unternehmen Elephant Special Tours, doch der Versuch missriet.

Unterm Strich eine Chronologie, die ich nicht in den Griff bekamm. Daher legte ich das Projekt auf Eis. Bodo nahm es so hin.

Über die Jahre wurde das Conservation Center größer und größer

Seit 2013 hat sich das Conservation Center in Sayabouri ganz erstaunlich entwickelt. Heute ist es eine feste Größe in Laos, wenn es um die Zukunft der lokalen Elefanten geht.

Es dauerte bis 2018, ehe ich Bodo wieder auf das Buch ansprach.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff