Seit heute führe ich mein Tagebuch unter dem Eindruck des Coronavirus und seiner Folgen in Thailand, Deutschland und der Welt. Es sind meine persönlichen, völlig subjektiven Gedanken zu einem Thema, das in diesen Wochen jeden beschäftigt.

1. Tag der selbstverordneten Quarantäne

Gesundheitsbeamte in Thailand haben prognostiziert, dass bis Ende des Jahres etwa 400 000 Menschen in Thailand mit dem Coronavirus infizierte sein werden.

440000 Covid-19-Fälle in Thailand

Seit dem Morgen, seit der Schließung der Bar, in der meine Frau arbeitet, bleiben wir in unserer Wohnung. MIt Ausnahme einiger notwendiger Besorgungen.

The Wurst Käs

Seit den frühen Morgenstunden und bis in die Nacht zum Freitag hinein diskutierte ich mit meinen Brüdern und Freunden in Thailand und Deutschland telefonisch, was für einen Expat wie mich die beste Entscheidung ist: Die Option, im Ernstfall meine Wahlheimat Thailand schnell per Flug in Richtung Deutschland zu verlassen (wenn möglich) – oder eben zu bleiben.

Ich zähle zur Hochrisikogruppe. Sollte ich schwer an Covid-19 erkranken, bin ich möglicherweise im deutschen Gesundheitssystem besser aufgehoben. Meine Frau sagt: „Wenn du dich in Deutschland sicherer fühlst, flieg hin. Ich komme hier schon durch.“

Auch das thailändische Gesundheitssystem ist gut, das kann ich aus eigener Erfahrung bezeugen, wenn auch nur für das privilegierte Segment der privaten Krankenhäuser. Aber für den Fall einer wirklichen Corona-Epidemie steht der Belastungstest des Systems noch aus.

Nach Abwägen aller Pros und Cons habe ich mich für den Verbleib in Thailand/Chiang Mai entschieden. Ein Grund: In Deutschland wüsste ich nicht, wann ich bei einer Eskalation in Thailand hier wieder einreisen könnte. Ich lebe seit elf Jahren in Thailand, dort möchte ich auch weiterhin leben, dort bin ich verheiratet.

Keiner weiß, wie sich die Lage in Thailand entwickeln wird. Heute gab es 60 neue Corona-Fälle und 272 insgesamt, einen davon in Chiang Mai. Unrealistische Zahlen, da sich viele Thais gar nicht testen lassen. Dafür habe ich Verständnis. Die wirtschaftliche Lage im Land ist miserabel, viele Läden und Firmen aller Art müssen schließen, der Tourismussektor nähert sich dem Boden. Corona-Tests werden nicht von der öffentlichen Hand bezahlt. So müssen die Thais zwischen 3000 und 18000 Baht – je nach Krankenhaus – bezahlen. Menschen, die von der Hand in den Mund leben und womöglich noch eine Familie haben, die getestet werden muss, können sich das nicht leisten.

Wenn die Prognose von 400 000 Erkrankungen eintreffen sollte: Was wird das mit den Kranken und ihren Angehörigen anstellen, bei möglicherweise erheblich eingeschränkter Bewegungsfreiheit und finanzieller Not? Es ist nicht auszuschließen, dass sich hier wie in anderen Ländern eventuell Fremdenfeindlichkeit breitmacht, wenn es um die Nutzung verfügbarer medizinischer Einrichtungen/Betten/Intensivstationen geht.

Ob der worst case eintrifft oder nicht, weiß niemand. Vernunft jedenfalls ist, wie das Verhalten vieler Menschen in Deutschland zeigt, nicht das stärkste Argument im Kampf gegen Covid-19.

Der Alltag in Chiang Mai

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

In Chiang Mai ist deutlich weniger los als normal. Wir haben heute nochmal eingekauft, aber auch in den gut besuchten Supermärkten ging es geregelt zu. Keine Hektik, rücksichtsvolle Kunden.

Von März bis Mai ist es heiß in Nordthailand, zwischen 35 und (im April) über 40 Grad. Die Klimaanlage muss laufen, auch wenn sie die schlechteste Luft der Welt ansaugt, wie die aktuellen Smog-Werte anzeigen. Wenn man den ganzen Tag die Nachrichten zum Thema Coronavirus verfolgt, wird man überaufmerksam. Manchmal habe ich ein Kratzen im Hals – was bedeutet das?! Zum Glück weiß ich aus der Vergangenheit, dass die Klimaanlage der Verursacher ist.

Die Thai-Regierung denkt derzeit über einen Lockdown fürs Land nach, mit ähnlichen Auswirkungen wie in Deutschland. Man muss abwarten, wie Thais mit ihrem Hang zur Anarchie bestimmten Anordnungen folgen werden, wenn es schon in Deutschland nicht richtig funktioniert.

Die schwierige Frage für die Entscheider lautet: Wie können wir eine Balance zu finden zwischen der Gesundheit der Menschen und dem drohenden Kollaps der Wirtschaft? Im Angesicht einer täglich volatierenden Mischung aus „Hysterie, offizieller Konfusion und stoischem Pragmatismus“, wie ein Journalist schrieb.