Blau ist das neue Grün

Toey`s Place in Chiang Mai (Foto: Faszination Fenost/B. Linnhoff)

Es musste der 14. September sein, ein anderer Termin kam nicht in Frage. Denn Toey plante die Eröffnung ihrer Bar und hatte die Glück verheißenden Tage schon recherchiert. Der 14. war der letztmögliche im September: „Der Mietvertrag läuft seit dem Ersten. Ich will Geld verdienen und nicht verlieren.“

Die Recherche war ein Mix aus Horoskop und den Vorhersagen von Mönchen. Von Internet-Mönchen, Google sei Dank. Schließlich sind wir digital.

Ich habe wieder mal dazugelernt in den letzten 14 Tagen (schon wieder die 1 und die 4!). Viele Entscheidungen standen an für Toey und für mich, zu treffen im nimmermüden Duell zwischen westlicher Logik und fernöstlicher, nun ja, Weisheit. Beispiel:

Die kleine Terrasse vor der Bar war einmal in dunklem Grün gestrichen worden, nun jedoch fleckig und blass. „Noch einmal in Grün drüberstreichen“, empfahl ich, „sieht aus wie neu.“ „Blau“, sagte meine Freundin. „Blau?“, fragte ich, „Blau passt nicht so gut zu den Brauntönen drinnen.“ Toey: „Ich bin an einem Freitag geboren. Blau bringt mir Glück, Grün nicht.“

Foto B. Linnhoff/Faszination Fernost

Also: Heute Blau. Und morgen Blau

Dabei wussten wir bis Ende August nicht einmal, dass uns eine Bar bevorstand. Plus Guesthouse (4 Zimmer). In der schmalen Gasse (Moon Muang Soi 2) am Rande der Altstadt Chiang Mais, nicht weit vom Stadttor Thapae Gate. Erstklassige Lage. Wir hatten auf eine solche Gelegenheit gewartet. Dann musste plötzlich alles ganz schnell gehen; es gab noch andere Interessenten.

So fing es an: Toey und „T“, Mieter der G.Bar (Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Das verfügbare Objekt: Die G. Bar, G für Gay, eine Schwulenbar also, mehrheitlich in Schwarz gehalten und zur Gasse hin zugemauert und -gefenstert –  eher eine Festung, die niemand mehr erobern wollte. „Ich hatte keine Ahnung von Bars und habe alles falsch gemacht“, bekannte Betreiber „T“ freimütig.

Nach gerade mal einem Jahr wollte er nur noch raus. Knapp drei Millionen Baht hatte „T“ investiert in die Ausstattung. Von uns wollte er nur einen überschaubaren Teil seines Investments als Ablöse, cäsch in de Täsch. Von seinem Erbe allerdings konnten wir nur wenig übernehmen.

Miete für ein Jahr im Voraus

Die Vermieterin war Toey seit langem freundschaftlich verbunden, was unsere blitzartige Entscheidung erleichterte. Unsere Entschlusskraft änderte jedoch nichts an der gängigen Regel, dass die Miete für ein Jahr im Voraus zu zahlen war. Am letzten August-Tag wühlten wir uns erstmals durch thematischen Treibsand: Kernsanierung, Zielgruppenanalyse, Innenausstattung, Namensfindung. Anfangs hatte ich mit meinem westlich-strategischen Ansatz noch Chancen.

Zielgruppe: Toeys großes Netzwerk ist zwar auch beim Konsumieren ein verlässlicher Faktor, doch der Großteil eventueller Einnahmen dürfte von ausländischen Touristen kommen. Daher wollten wir der Bar eine freundliche, warme Atmosphäre zimmern, in der Thailands Charme in den Details (Farben, Bilder, Accessoires) erblühen soll. Inspiration fanden wir im Baan Tawai, dem Dorf der Holzschnitzer, Lampenmacher, Kunsthandwerker vor den Toren Chiang Mais.

Was uns am meisten Mühe bescherte: Anhand eines kleinen Quadrates im Katalog die Farbe für ganze Wände zu bestimmen.

Der Name: Klischees wie „Happy Bar“ fielen ebenso flach wie Thai-Namen, mit denen der Fremde nichts anfangen kann. „Friends“ und andere waren vergeben. Nach einer Umfrage unter Freunden siegte Oliver Wurms Vorschlag „Toey`s Place“, weil er sowohl Bar als auch Guesthouse einschließt; Toey steht als Gastgeberin für Seele und Ambiente. Daraufhin lag meine Freundin bis morgens um fünf Uhr wach. Sie ist nicht so gerne Mittelpunkt: „My name? Are you sure?“

An die Arbeit: Noi und sein Team

Für Abbruch (Wände, Fenster, Theke) und Neuaufbau in kürzester Zeit brauchten wir erstklassige, zuverlässige und flotte Handwerker zu einem vertretbaren Preis. Was mir utopisch schien, kannte meine Freundin unter dem Namen Noi.

Einschub: Die Mutter ist die wichtigste Person im Leben der meisten Thais. Ihr Wort ist Gesetz, ihr Wohlergehen Pflicht. Nois Mutter ist seit Jahren krank, ohne weiteren Anhang und fühlt sich in der Wohnung alleine unbehaglich. So brachte Noi sie selbstverständlich mit zur Arbeit. Dort saß sie, lächelte uns zu oder schlief.

Noi und sein Team vollbrachten Wunder. Oft ohne unsere Draufsicht, da wir in Sachen Ausstattung unterwegs waren.

Nicht alles ging glatt, wie auch. Zur Bar gehören drinnen und draußen ein paar Baumstämme, schwarz gestrichen. „Streicht bitte einen Holzton drüber“, sagte ich, ehe wir wieder in Sachen Equipment auf Tour gingen. Am nächsten Morgen grüßten uns die Stämme in mattem Kackbraun, das jeden streunenden Hund magisch an die Bäume und in die Bar gezogen hätte. „Geht gar nicht“, sagte ich. Die Thais waren pikiert. Es brauchte Zeit, bis sie mir abnahmen, dass ich mich mit „Holzton“ nicht präzise genug ausgedrückt hatte: „Mein Fehler.“

Zwei ganze Tage arbeitete Noi trotz fiebriger Erkältung – die Deadline saß auch ihm in den Knochen.

Am 13. September, im Endspurt, fragte ich meine Freundin: „Wo ist denn das neue Namensschild?“ „Oh, vergessen.“ Und schon war ich wieder unterwegs. Wir wollten „TOEY`s Place“ in separaten Metalllettern fertigen lassen. „Dauert sieben Tage“, wurde uns eröffnet. Im Laden lag ein quadratisches Pappschild herum, in der Mitte ein Name, umkränzt von einer Blumengirlande. „Genau so“, sagte ich, schrieb noch einmal groß „TOEY`s Place“ auf und wählte die Farbe Blau. Die bringt nämlich Glück.

Am 14. September war ich um 13 Uhr zur Stelle, wie verabredet. Für 120 Baht (ca. 2,70 Euro) kann man nicht viel verlangen – nur das schlechteste Schild, das auf die Schnelle zu kriegen war. Nicht einmal der Name stimmte.

„What`s that?“, platzte ich heraus – meine nächste Grätsche in Thailands Harmonielehre. „Don`t be angry!“ rief die Verkäuferin mit rotem Gesicht. Wesentlich kleinlauter bat ich darum, ein neues, eher quadratisches Schild zu basteln, statt des „G“ ein „Y“ zu wählen und eine Girlande drumherum zu wickeln. So geschah es.

14. September: Der große Tag

Unter den aufmerksamen Augen zweier Schutzpatrone (ein weißer Buddha und der einstige König Chulalongkorn/Rama V. in Paradeuniform) öffnete „Toey`s Place“ die Tore. Alle ihre FreundInnen kamen, was sie noch mehr freute als die gute Einnahme. „Sanuk“ hieß die Losung des Abends, Spass an der Freud` – Thais können aus dem Nichts eine wunderbare Party zaubern, und hier war ja mehr als nur nichts.

Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff

Wie so oft in Thailand, wenn sich die Nachteulen treffen, waren auch an diesem Abend mindestens drei Geschlechter und viele denkbare Orientierungen zu Gast – für die Thais ist das buchstäblich kein Thema, womit sie vielen Ländern und Menschen ein gutes Stück voraus sind.

Links und rechts von „Toey`s Place“ stehen in der Gasse Bars unterschiedlichster Ausprägung und Kostümierung: On On Bar, Half Moon Bar, Greg`s Bar und einige mehr – die Wettbewerber. Sie waren eingeladen, alle kamen, alle kennen sich und sind durchaus smart. Doch sie helfen einander kommentarlos, wenn der Konkurrenz mal das Bier ausgeht oder der Whiskey; der Wettbewerb ist eher ein sportlicher.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Das Guesthouse – ein schönes Erbe

Die Zimmer im Guesthouse vermieten sind der positive Teil des „T“-Erbes. Freundlich und sauber, mit Klimaanlage, TV und freiem WiFi kosten sie 490 Baht, ca. 12 Euro pro Nacht.

Für die gelungene Eröffnungsfeier büßte ich mit einem Kater, der von der Größe her zur sofortigen Einschulung taugte. Als ich irgendwann am nächsten Tag wieder ansprechbar war, sagte Toey, längst fit: „Weißt du eigentlich, welche Hausnummer meine Bar hat? 4/1 – ist das nicht unglaublich?“

TOEY`s Place, Moon Muang Soi 2

Am Ende der ersten Nacht (Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff)

(TIT) This is Thailand – weitere Geschichten:

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