Komm unter unsere Decke

Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff

Vor mir lag eine Tote. Vier Mönche verhüllten den Körper einer Frau mit weißem Tuch, just als ich die Gebetshalle des Wat Sopanaram betrat. Weiß ist die Farbe des Todes. Ich hatte die Kamera in der Hand, wollte diesen schönen Tempel nahe Chiang Mai fotografieren. Doch die Geistlichen bedeuteten mir mit knappen Gesten, mich zu setzen. Ich tat wie geheißen und dachte: Normal ist das alles nicht. Wie man`s nimmt. Schließlich spielte die Szene in Thailand. Da stoßen wir mit westlicher Logik schnell an Grenzen.

Wat Sopanaram (Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Scheintot im Reich der Hoffnung

Auch in unserem Kulturkreis gibt es Menschen, die ständig kränkeln. Im Beruf gemobbt werden. Immer wieder Streit mit dem Partner haben. Menschen, die Pech haben oder sich vom Pech verfolgt fühlen. Auch Thais kennen das, klar. Seit der Pandemie wird auch im Land des Lächelns verstärkt über mentale Gesundheit gesprochen.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Doch die Thais gehen ihre eigenen Wege, um das Glück zu zwingen. Sie ändern ganz offiziell ihren Namen oder sie stellen sich tot. So streifen sie das das alte Leben ab, um ein neues zu beginnen. Kerngesund jetzt, vom Glück verfolgt, bei allen beliebt, selbst beim Partner.Prinzip Hoffnung.

Life is live (Foto: Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Die Mönche im Wat Sopanaram murmelten und sangen ihre Gebete. Irgendwann zogen sie die Decke weg. Die Frau erhob sich, bereit für eine bessere Zukunft.

Jeder Buddhist kann, so wurde mir nach der Zeremonie erklärt, sterben und von den Toten auferstehen. Symbolisch. Für uns Westler bizarr. Fauler Zauber sogar? Als Kind katholisch (v)erzogen, fiel mir das Fürbittengebet wieder ein. In der katholischen und anderen Glaubensgemeinschaften ist es Brauch, Heilige um ihre Fürsprache bei Gott zu bitten.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Neben der Scheintoten auf dem kühlen Tempelboden lagen Blumen, Umschläge, orangefarbene Mönchsroben. In den Umschlägen steckte das Honorar für die Ordensbrüder. Die Blumen würden sie später der Buddhastatue zu Füßen legen und den Erleuchteten auf die Wünsche der Frau hinweisen. Betreff: Neustart.

 

Buddha im Wat Sopanaram (Foto B. Linnhoff)

Was aber hatte die Zeremonie im Wat Sopanaram mit Buddhismus zu tun? Der Buddha lehrt, dass einzig die (guten wie schlechten) Taten im jetzigen und in früheren Leben das Schicksal eines Menschen bestimmen. Glück oder Pech existieren nicht. Jeder ist selbst verantwortlich für das, was in seinem Leben passiert.

Doch Verantwortung ist für viele Menschen eine Bürde, die sie nicht tragen mögen. Den Thais liegt das sogar in der DNA. Von klein auf darauf gedrillt, exakt das zu tun, was Lehrer, Eltern, Chefs, Offiziere, Ältere, kurz: Autoritätspersonen vorgeben. Das gewünschte Ergebnis: die fast panische Angst, eigenständig zu handeln, Fehler zu machen, das Gesicht zu verlieren.

Und wenn die Eigenverantwortung Pause macht, kommen höhere Mächte ins Spiel.

Seinen Segen hat sie (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Persönlich war ich selbstverständlich immer frei von absurden Ritualen oder Anleihen beim Übersinnlichen. Ja gut, in meiner aktiven Fußballerzeit habe ich vor Heimspielen immer den Song „Dance on“ von den Shadows gespielt. Den linken Schlappen zuerst angezogen und den Platz mit dem linken Fuß vorweg betreten. Was man halt im aufgeklärten Westen so macht, um das Glück zu zwingen.

Wat Sopanaram in Mae Rim nahe Chiang Mai (Foto B. Linnhoff)

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