Ausgabe 1: Bei Otto, Überschwemmungen, Harald Schmidt, Anke Engelke und 13 Gedichte
Liebe Freunde, WeggefährtInnen und Südostasien-Fans,
der Umzug trifft Bei Otto, eines der beliebesten deutschen Restaurants in Bangkok. Hausherr Otto Duffner kehrte schon vor Jahren aus gesundheitlichen Gründen nach Deutschland zurück, nun muss auch seine Schwarzwaldstube umziehen. Allerdings innerhalb der Hauptstadt. Der Eingang in der Phetchburi Road liegt künftig zwischen einer Esso- und einer Shell-Tankstelle, das klingt nach Diesel-Dressing klingt. Natürlich hoffen wir, dass die Stammgäste auch künftig „Bei Otto“ einkehren.
Nachrichten der Woche
30 von 77 thailändischen Provinzen sind derzeit nach starken Regenfällen überschwemmt.
Unternehmen aus den Provinzen, die sich nun auf eine touristische Öffnung vorbereiten, verlangen von der Regierung einen klaren und entschiedenen Plan, nach welchen Regeln dabei gespielt werden soll. Viel Glück!
39 Bangkoker Restaurants haben Premier Prayut auf 50 Millionen Baht (1,27 Mio. Euro) Schadenersatz verklagt, weil er die Covid-19-Krise ungenügend gemanagt hat.
Berlins Reichstag aus Sicht einer jungen Dame
Deutschland hat gewählt, und das Ergebnis zeugt vom Wunsch nach Veränderung bei gleichzeitiger Stabilität. Das erleichtert die Regierungsbildung nicht, aber alles deutet auf die Ampel hin.
Sara Maria Behbehani hat gerade ihr Volontariat bei der Süddeutschen Zeitung beendet, ihre letzte Station war das Hauptstadtbüro in Berlin. Darüber schrieb sie in der SZ, und aus jedem Wort, aus jedem Satz tönte die Begeisterung einer Journalistin, die am Anfang ihrer Laufbahn steht. Auch für mich blieb es immer der schönste denkbare Beruf.
O-Ton Sara: „Für mich strahlt das Reichtagsgebäude ein Gefühl von majestätischer Erhabenheit aus. Da ist das Regierungsviertel, das Bundeskanzleramt und irgendwo dahinter noch das Schloss Bellevue. Als ich Journalistin geworden bin, habe ich von diesen Momenten geträumt: dem Zentrum der Macht so nahe zu sein, einen kurzen Blick zu werfen auf das Herzstück unserer Demokratie, und irgendwie zu verstehen – die großen Zusammenhänge, die viel zu oft untergehen, wenn alles hektisch durcheinanderläuft.
Ich habe Robert Habeck im Wahlkampf zugesehen und gehört, wie er für eine neue Fehlerkultur plädierte. Dass wir dafür wieder fair miteinander sein müssen. Damit Menschen wieder zu ihren Fehlern stehen und nicht weiter eine Kultur herrscht, unangenehmen Debatten lieber aus dem Weg zu gehen. Damit wir Antworten finden, die so groß sind wie die Herausforderungen unserer Zeit. Eine Regierung, wo es keiner gewesen sein will, die braucht kein kein Land.“
Das ist ein prima Übergang zu Thailand
Mit dem letzten Satz hat Habeck recht gut Thailands Regierung beschrieben, deren Mitgieder in der Disziplin „Das war ich nicht“ olympisches Format zeigen. Die für Mitte Oktober angekündigte Öffnung Thailands für geimpfte TouristInnen war ruck-zuck auf November verschoben. Immerhin gibt es nun die ersten Erleichterungen bei den Themen Lockdown und Quarantäne.
Heute haben wir erstmals seit zwei Monaten unter 10000 Neuinfektionen. Das lässt hoffen, allein am letzten Freitag wurden über eine Million Impfungen verabreicht.
Nahezu zeitgleich ist gerade die überschaubare Menge von einer Million Impfdosen spurlos verschwunden, eine Spende der US-Regierung für Thailand. „Durch bürokratischen Aufwand“, wie es heißt. Bitte?
Olli Wurm: Nie ganz dicht, nun Dichter
Mein Freund Oliver Wurm hatte schon viele gute, erfolgreiche Ideen. So produzierte er das Grundgesetz als Magazin, die Bibel ebenfalls. Doch als er mir im Frühjahr erzählte, ein Gedichte-Magazin auf den Markt zu bringen, zweifelte ich an seinem unternehmerischen Sachverstand. Lyrik in Zeiten der Pandemie! Als hätten die Menschen keine anderen Sorgen. Nun ist das Magazin mit 13 Klassikern und 13 zeitgenössischen Gedichten auf dem Markt und siehe da: Herr Wurm hat einen Trend losgetreten.
Über die Maßen begeistert war zum Beispiel Anke Engelke. Im Podcast „Wie war dein Tag, Liebling?“ teilte sie dies fast atemlos ihrem Gesprächspartner Kristian Thees mit. Hört einfach mal rein in die erste Viertelstunde, es lohnt sich, versprochen.
Fundstück der Woche
Das Facebook-Video einer Folge der genialen Harald Schmidt Late Night Show aus dem Jahr 2002: „Er hat Neger gesagt!“
Nachrufe der Woche

Uli Blankenhorn ist tot. Er starb im Alter von 81 Jahren nach schwerer Krankheit. Zu Beginn der Achtzigerjahre war Uli mein dpa-Kollege im Landesbüro Stuttgart. 1988 und 1992 kreierte er für Daimler-Benz die Olympiaclubs in Seoul und Barcelona, wo wir erneut zusammenarbeiteten.
In Seoul gab es im achten Stock eines Hochhauses eine Ausstellungsfläche, wo sich deutsche Unternehmen präsentieren konnten. Am großzügig dimensionierten Daimler-Stand interviewte ich jeden Tag MedaillengewinnerInnen aus aller Welt. Tagsüber schaute ich mir im Fernsehen die Wettbewerbe an, gegen 19 Uhr begann meine Moderation. Dann ging die etwa 40 Meter entfernte Hallentür auf und meine InterviewpartnerInnen schlenderten herein.
Erst dann wusste ich, mit wem ich sprechen würde. Das konnte der ungarische Olympiasieger im Modernen Fünfkampf sein, aber auch ein Weltstar wie Jackie Joyner-Kersee oder ein Trupp deutscher Reiter und Reiterinnen, die im Springen, in der Dressur oder im Gelände ebenso alles abgeräumt hatten wie die deutschen Fechterinnen auf der Planche. Vorbereiten konnte ich mich nie, Google war noch nicht am Start.
Eines Abends, 24 Stunden nach der sensationellen Disqualifikation des 100m-Olympiasiegers Ben Johnson wg. Dopings, schlenderten neun schwarze Leichtathleten auf unseren Stand zu, alle im Anzug, was das Erkennen erschwerte. Carl Lewis, nun offizieller Goldmedaillengewinner statt Johnson, konnte ich ebenso leicht identifizieren wie seine Schwester Carol, Linford Christie und 400m-Olympiasieger Steve Lewis. Neun Interviewpartner – da musste ich mich zwischen den Ur-Reflexen Kampf oder Flucht entscheiden.
Ich wählte die Flucht und zwar an unsere Bar. Dort stand Ben Wett, der eigentlich Bernd Nass hieß, aus Hannover kam und mit 18 Jahren in die USA ausgewandert war. Aus den Staaten präsentierte er für die ARD alle Facetten des US-Sports, wobei er auch von seiner Freundschaft zu Muhammad Ali profitierte. In Deutschland hatte Ben wegen seiner unnachahmlichen Diktion – feinstes Hochdeutsch (Hannover!) mit American English Akzent – viele Fans, aber vor allem wegen seiner Fachkenntnis.
„Herr Wett“, sagte ich also, „wir haben uns vor zehn Jahren mal in New York bei einem Cosmos-Spiel kennengelernt, woran Sie sich zurecht nicht erinnern. Ich bin hier der Moderator. Da vorne kommen neun Menschen, von denen ich nur einige auf Anhieb erkenne, aber alle interviewen muss. Sie sind unser Mann in Amerika und haben jetzt die Chance, die Moderation zu übernehmen.“ Er schaute mich groß an, überlegte einen Moment und sagte: „Darf ich mir noch eben die Hände waschen?“

Minuten später setzten wir die Gäste auf neun Barhocker, und Ben legte los. Das Publikum – Olympioniken, JournalistInnen und Sportfans – war hin und weg. Im Rücken der Athleten wieselte ich mit meinem Mikrofon hin und her, um die Antworten einzufangen. Als sich meine Schnappatmung gelegt hatte, stellte ich sogar selbst Fragen.
In jenen Tagen hatte ich hatte das große Glück, mich mit Sportlegenden wie Bob Beamon oder Wladislaw Tretjak auch privat zu unterhalten. Tretjak, Russlands großer Eishockey-Torwart, war ein Held meiner Kindheit. Noch wichtiger als das gute Honorar war für mich, dass ich mit dem Job meine große Scheu überwand, vor Publikum zu sprechen. Zu meinen Albträumen zählten immer Tod durch einen entlaufenen Tiger, nackt durch die Stadt laufen und Reden vor Publikum. Eine Statistik besagt, dass Sprechen vor vielen Menschen für viele die größte Angst darstellt. An zweiter Stelle folgt Sterben.
Womit wir leider wieder beim Thema sind. Der wunderbare Ben Wett erkrankte an Parkinson und starb 2012 in einem New Yorker Hospiz. Uli Blankenhorn starb vor wenigen Tagen. Ruhe in Frieden, Uli. Der Nachruf auf der Seite des deutsche Sportjournalisten-Verbandes (VDS).

Vorgestern ist Alan Lancaster (72) gestorben, Bassist und Gründungsmitglied von Status Quo (Nachruf im Spiegel). Der Bassist ist meist der Stoiker in einer Band. Ich erinnere mich an einen Abend in „Oodie`s Place“ auf Koh Chang. Hausherr Oodie rockte die Nacht, und neben ihm stand der Bassist. Ich bin extra nahe herangegangen, um zu sehen, ob er lebt. Letztlich war der Befund positiv.
Der hemmungslose Geradeaus-Rock von Status Quo passte perfekt zu meinem zuweilen schlichten Gemüt. Vor jeder Auslandsreise hörte ich „Rockin`all over the world“. Welch ein Motto!
Herzliche Grüße aus Chiang Mai,
Khun Ben